Spielerinnen deutlich öfter betroffen:Albtraum Kreuzbandriss: Was der Frauenfußball ändern könnte
von Ralf Lorenzen
Eine falsche Bewegung - oft ohne Fremdeinwirkung - und das Kreuzband reißt. Warum sind Fußballerinnen deutlich öfter betroffen? Und wie könnte eine bessere Prävention gelingen?
Zahlreiche Fußballerinnen fallen derzeit mit einem Kreuzbandriss aus - darunter Stars wie Lena Oberdorf. Was steckt dahinter und was kann der Frauenfußball für eine bessere Prävention tun?
27.11.2025 | 16:03 minWenn am Freitag die deutsche Nationalelf der Frauen im Final-Hinspiel der Nations League auf Spanien trifft (ab 20:15 Uhr live im ZDF), werden auch Lena Oberdorf und Giovanna Hoffmann das Team aus besten Kräften anfeuern. Mit Sicherheit wird sich aber auch Wehmut in ihre Gefühlswelt mischen. Schließlich wären sie selbst nur allzu gerne auf dem Platz, wenn sie sich nicht das Kreuzband gerissen hätten.
Der lange Weg zurück nach einem Kreuzbandriss
Die Verletzung gilt als harter Einschnitt in die Karrieren von Fußballerinnen und Fußballern, weil damit eine monatelange Ausfall- und Rehazeit einhergeht. "Auch wenn ich Spiele schaue, habe ich so einen inneren Widerstand und kann mir gar nicht vorstellen, jemals wieder in einen Zweikampf zu gehen", beschreibt Hoffmann in der Sendung Bolzplatz die mentale Herausforderung nach einem Kreuzbandriss.
Wenn ich darüber nachdenke, was noch alles kommt, wie viel ich noch machen muss und wie viel Arbeit da drinsteckt, dann ist es so, als würdest du vor dem Mount Everest stehen
Giovanna Hoffmann
Besonders bitter: Die Leipzigerin hatte erst ein paar Monate vor der vergangenen Europameisterschaft mit 26 Jahren den Sprung in die Nationalelf geschafft und wesentlich zum Einzug ins Halbfinale beigetragen. Nach dem zweiten Kreuzbandriss und insgesamt der vierten schweren Verletzung in ihrer Karriere heißt es nun erneut, wieder von vorne anzufangen.
Aktuell 16 Kreuzbandrisse in der Frauen-Bundesliga
Die Verletzungen von Hoffmann und Oberdorf bestätigen zudem auf tragische Weise gleich mehrere Studienergebnisse der letzten Jahre: Die meisten Kreuzbandrisse passieren im Oktober und Januar, die Gefahr eines erneuten Risses ist bei Vorgeschädigten hoch und Frauen sind besonders oft betroffen.
Giulia Gwinn, Leroy Sané und Florian Wirtz haben eines gemein: Sie mussten wegen eines Kreuzbandrisses lange aussetzen. Was steckt hinter der im Fußball gefürchteten Verletzung?
01.10.2023 | 8:39 minLaut ersten Ergebnissen einer Studie, die gerade in der ersten und zweiten Bundesliga durchgeführt wird, reißt das Kreuzband bei Frauen etwa viermal so häufig wie bei Männern. Aktuell fallen laut Zahlen des Fachportals "Soccerdonna" 16 Bundesliga-Spielerinnen mit einem Kreuzbandriss aus.
Geschlechtsspezifische Forschung lange vernachlässigt
Als Ex-Nationalspielerin Kim Kulig 2015 mit 25 Jahren ihre aktive Laufbahn beenden musste, weil sich ihr Knie nie ganz von den Folgen eines Kreuzbandrisses vier Jahre zuvor erholt hatte, wurde das noch nicht als Alarmzeichen für den Frauenfußball gewertet.
Lisa Bode, die Mannschaftsärztin der Frauen des SC Freiburg, begann 2017 mit der Forschung in diesem Bereich und erinnert sich, dass sie anfangs auf Kongressen noch schief angeschaut worden sei, wenn sie in diesem Zusammenhang von geschlechtsspezifischen Faktoren gesprochen habe.
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24.10.2025 | 31:11 min"Ich bin dankbar, dass die Medien jetzt so einen Fokus auf den Frauenfußball gerichtet haben", sagt sie im Bolzplatz. "Jetzt ist ja ein richtiger Hype entstanden." Gute Forschung brauche aber Zeit, die "kann man nicht innerhalb von einem oder zwei Jahren raushauen."
Was sind die Gründe für die vielen Kreuzbandrisse?
Wissenschaftlich weitgehend abgesichert sind mittlerweile die anatomischen Ursachen für das erhöhte Risiko eines Kreuzbandrisses bei Frauen. Diese sind unter anderen ein breiteres Becken oder eine größere Neigung des oberen Schienbeines. Alles Faktoren, auf die eine professionelle Trainings- und Belastungsteuerung heute Rücksicht zu nehmen hat.
Noch nicht ausreichend erforscht, aber im Erfahrungswissen der Expertinnen vorhanden, ist der Einfluss des weiblichen Zyklus. "Aus der Erfahrung heraus ist es so, dass einzelne Spielerinnen sich vermehrt in bestimmten Zyklusphasen verletzen", sagt Medizinerin Bode.
Spitze in der Premier League und in der Königsklasse: Trainer Mikel Arteta hat beim FC Arsenal einen Kader gebastelt mit einer enormen Tiefe und einer Defensive, die fast keine Gegentore zulässt.
20.11.2025 | 14:02 minHoffmanns Appell: Auf den eigenen Körper hören
Entsprechend lassen viele Klubs solche Erkenntnisse bereits einfließen und versuchen das Training darauf abzustimmen, was in einer Teamsportart gleichwohl nicht ganz einfach ist. Bei aller Verwissenschaftlichung appelliert Hoffmann aber auch daran, "ein grundsätzliches Verständnis für den eigenen Körper zu haben".
"Dass mehr nicht immer mehr ist, dass man auch mal müde sein darf und seinem Körper das zu geben, was er braucht - an Ernährung, an Schlaf, an Training, an Krafttraining, an Prävention", so die Nationalspielerin. In diesem Sinne versteht die Stürmerin ihre Verletzung auch als Chance, "noch mal besser zu werden als vorher."
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