Trumps Vorgehen auf G7-Gipfel "beispielloser Affront"

Interview

Politologe zu G7-Gipfel:Trumps Vorgehen "beispielloser Affront"

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US-Präsident Trump verlässt den G7-Gipfel in Kanada vorzeitig und lässt die Ukraine links liegen. Das sei ein Affront, sagt Politologe Albrecht von Lucke im ZDF-Interview.

Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler im Gespräch mit Andreas Klinner
Albrecht von Lucke hält den G7-Gipfel für gescheitert. Das eine ausdrückliche Vorhaben sei Deeskalation gewesen. Doch nun herrscht Eskalation. Donald Trump will die absolute Kapitulation des Iran. 17.06.2025 | 3:05 min
Donald Trump verlässt den G7-Gipfel in Kanada vorzeitig, lässt den zweiten Gipfeltag, der im Zeichen der Ukraine stand, ausfallen. Während Europa auf Deeskalation im Israel-Iran-Krieg hofft, setzt der US-Präsident auf Provokation.
Aus europäischer Sicht habe der G7-Gipfel damit einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen, betont Politologe Albrecht von Lucke im ZDF-Interview. Das Treffen sei "eindeutig kein Erfolg". Im Gegenteil: Trumps Verhalten sei ein "beispielloser Affront" gegenüber Europa.
Besonders zwei Aspekte wertet der Politikwissenschaftler als gescheitert:

1) Die angestrebte Deeskalation im Israel-Iran-Krieg

Ursprünglich war es Ziel der EU, in der Auseinandersetzung zwischen Israel und Iran deeskalierend zu wirken. Stattdessen sei nun das Gegenteil eingetreten. "Was wir jetzt gerade erleben, ist die Eskalation. Das ist ganz deutlich", betont von Lucke.
Am Dienstag erklärte Trump, dass er sich die absolute Kapitulation Irans wünsche. Die USA wüssten genau, wo sich der Oberste Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, aufhalte, erklärte er auf "Truth Social". "Im Moment" wollten sie ihn aber nicht töten.
President Trump Returns To Washington Early From G7 Summit
US-Präsident Donald Trump hat den G7-Gipfel in Kanada wegen der Nahost-Krise überraschend verlassen - noch vor einem geplanten Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj.17.06.2025 | 3:09 min
ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen macht klar: "Der amerikanische Präsident ist sich selbst genug. Er will die amerikanische, militärische Macht nutzen." Allerdings existiere innenpolitisch eine große Schwierigkeit, "weil der Großteil seiner eigenen Anhänger gegen jede Einmischung Amerikas in diesen Nahost-Konflikt ist".
So bleibe es spannend, zu beobachten, wie Trump es begründen wird, sollte er tatsächlich militärisch in diesen Konflikt eingreifen.
Phoebe Gaa und Elmar Theveßen im Schaltgespräch mit der heute
Nach der vorzeitigen Abreise Trumps vom G7-Gipfel, stellt sich die Frage, ob die USA in den Krieg zwischen Iran und Israel eingreifen. Phoebe Gaa und Elmar Theveßen berichten.17.06.2025 | 2:03 min

2) Den Umgang mit dem Ukraine-Krieg

Auch Trumps demonstrative, überraschende Abreise vor dem zweiten Gipfeltag sorgt für scharfe Kritik. Der zweite Tag war dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und dem Ukraine-Krieg gewidmet. "Das hat der Präsident eiskalt gestrichen. Und damit deutlich gemacht, dass dieser Krieg ihn nicht interessiert", erklärt von Lucke.
"Trump sieht Putin als einen der eher Chancen bietet, für Zusammenarbeit, selber wirtschaftliche Beziehungen zu intensivieren zwischen den USA und Russland", macht auch ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen klar. Mit Hinblick auf Sanktionen gegen Russland, könnten sich die anderen G6-Staaten überlegen, ob sie nicht die Sanktionen miteinander vereinbaren, auch am Ende vielleicht ohne die amerikanischen Unterstützung.
Canadian Prime Minister Mark Carney (R) welcomes Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy during an arrival ceremony at the Group of Seven (G7) Summit at the Pomeroy Kananaskis Mountain Lodge in Kananaskis, Alberta, Canada on June 17, 2025.
Der Krieg im Nahen Osten bleibt das zentrale Thema des G7-Gipfels – auch nach Trumps Abreise. Bundeskanzler Merz sagte, Israel mache "die Drecksarbeit für uns alle". 17.06.2025 | 1:37 min

Von Lucke: Trumps Verhalten "diplomatische Brüskierung Europas"

Trumps gesamtes Verhalten sei eine diplomatische Brüskierung Europas, betont der Politikwissenschaftler. "Das ist heute ein Affront gewesen, der ziemlich beispiellos ist", erklärt er. Besonders schwer wiege dabei, dass Trump bereits im Vorfeld keine kritischen Worte gegenüber Russlands Krieg gegen die Ukraine fand.
Stattdessen habe er Wladimir Putin sogar als möglichen Vermittler im Iran-Israel-Konflikt ins Spiel gebracht und sein Fehlen beim Gipfel öffentlich bedauert.
Für von Lucke ist klar: Die Europäer stehen einem amerikanischen Präsidenten gegenüber, der rücksichtslos seinen Kurs verfolgt.

Trump zieht seinen Kurs durch, völlig ohne Rücksichtnahme auf die europäische, die ukrainische Befindlichkeit.

Albrecht von Lucke, Politologe

Politologe: Merz' "Drecksarbeit"-Aussage problematisch

Auch das Verhalten von Bundeskanzler Friedrich Merz rund um den G7-Gipfel findet von Lucke problematisch. Merz habe sich mit seiner Aussage zur "Drecksarbeit" Israels zum Unterstützer einer völkerrechtlich höchst fragwürdigen Aktion gemacht. Merz hatte in einem ZDF-Interview am Rande des G7-Gipfels deutlich gemacht, dass Israel im Iran derzeit "die Drecksarbeit" für den ganzen Westen mache.
"Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee den Mut dazu gehabt hat, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen", sagte er. "Wir hätten sonst möglicherweise Monate und Jahre weiter diesen Terror dieses Regimes gesehen und dann möglicherweise noch mit einer Atomwaffe in der Hand."
Bundeskanzler Friedrich Merz
Sehen Sie hier das Interview mit Friedrich Merz im ZDF in voller Länge. 17.06.2025 | 10:11 min
Die Bundesregierung stehe damit vor einer schwierigen Lage. Sollte sich der Krieg nicht im Sinne westlicher Interessen entwickeln, sei dies "ein großes Problem" und "völkerrechtlich problematisch", warnt von Lucke.
Das Interview führte ZDF-Moderator Andreas Klinner. Zusammengefasst hat es Katharina Schuster.

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