Waffenruhe zwischen Iran und Israel: "Moment des Luftholens"

Interview

Krieg zwischen Iran und Israel:Experte: Waffenruhe ist "Moment des Luftholens"

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US-Präsident Trump hat eine Waffenruhe zwischen Israel und Iran verkündet. Der Grund: Die Akteure hätten aktuell ein Interesse an Deeskalation, analysiert Nahost-Experte Jan Busse.

Dr. Jan Busse
Die Waffenruhe sei ein kurzfristiger Erfolg für Trump. Mittel- und langfristig sei die Situation in der Region aber hochgradig instabil, sagt Nahost-Experte Jan Busse. 24.06.2025 | 14:55 min
Tagelang greifen sich Israel und Iran an. Doch am Montag verkündet US-Präsident Donald Trump eine Waffenruhe - nur kurze Zeit, nachdem die USA iranische Atomanlagen bombardiert hatten und die islamische Republik mit Beschuss von US-Militärbasen geantwortet hatte.
Es ist ein Hoffen, das anhält - obwohl Trump nur Stunden später beiden Parteien den Bruch der Waffenruhe vorwirft. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärt kurz darauf, Israel werde jetzt von weiteren Angriffen absehen. Ebenso will sich Iran nach Angaben von Präsident Massud Peseschkian an die von Trump verkündete Waffenruhe halten, sofern auch Israel sie nicht bricht.
Wie brüchig ist der Waffenstillstand und ist es ein Coup des US-Präsidenten? Bei ZDFheute live analysiert der Nahostexperte Jan Busse von der Universität der Bundeswehr in München die Lage.
Sehen Sie das komplette Gespräch oben oder lesen Sie es nachfolgend in Auszügen.

Kurzfristiger Erfolg für Trump

US-Präsident Trump sieht sich als Grund und Vermittler der Waffenpause. Kurzfristig gesprochen, könne er das auch, meint Jan Busse. Diese Waffenruhe sei sicherlich nur dadurch zustande gekommen, dass Trump Druck auf Iran und Israel ausgeübt habe.

Das zeigt, dass, wenn er sein gesamtes politisches Kapital in die Wagschale wirft, welchen Einfluss die USA dann haben in der Region.

Jan Busse, Universität der Bundeswehr in München

Mittel- und langfristig sehe die Situation allerdings anders aus. Die Situation in Nahost sei weiterhin instabil. Zwar habe Israel mit der Schwächung des Iran einige seiner Kriegsziele erreichen können, das iranische Atomprogramm sei jedoch "noch überhaupt nicht vom Tisch", erklärt Busse. Die Frage sei nun, wie sich Iran künftig verhalte.
Präsident Donald Trump beantwortet am 24. Juni 2025 auf dem Südrasen des Weißen Hauses in Washington, D.C., USA, Fragen der Presse. US-Präsident Donald Trump, der am Montag bekannt gab, dass Israel und der Iran eine formelle Vereinbarung zur Umsetzung eines vollständigen Waffenstillstands getroffen hätten, kritisierte beide Seiten für den Bruch des Waffenstillstands und forderte Israel zur Zurückhaltung auf.
US-Präsident Trump hat eine Waffenruhe zwischen Israel und Iran verkündet. Nach zwischenzeitlichen neuen Angriffen beider Seiten scheint sie nun zu halten.24.06.2025 | 1:45 min

Iran "an die Wand gedrückt"

Am Dienstagnachmittag erklärte der iranische Präsident Massud Peseschkian, sein Land sei bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Nahost-Experte Busse hält diese Bereitschaft für ein wichtiges Signal. Grund dafür sei zum einen, dass sich Iran "ein Stück weit an die Wand gedrückt fühlt". Zum anderen liege das aber auch daran, dass alle drei Parteien eigene Erfolge reklamieren konnten.
So habe Israel die iranischen Atomanlagen entscheidend schwächen können. Die USA wiederum hätten mit der Bombardierung der Anlagen zeigen können, dass sie eine hochgradig komplexe Militäroperation erfolgreich durchführen konnten.

Gleichzeitig konnte der Iran seiner eigenen Gefolgschaft signalisieren: 'Wir haben zwölf Tage standgehalten gegen diese Übermacht und sind trotzdem nicht besiegt'.

Jan Busse, Nahost-Experte

Die Frage sei jetzt, was kann Iran an den Verhandlungstisch bringen und zu welchen Zugeständnissen ist das Regime bereit, so Busse.
ZDF-Korrespondent Thomas Reichart und ZDF-Korrespondentin Claudia Bates
Die Waffenruhe zwischen Israel und Iran scheint nun zu halten. Die ZDF-Korrespondenten Thomas Reichart und Claudia Bates geben eine Einschätzung der Situation.24.06.2025 | 2:27 min

Irans Atomprogramm "keineswegs zerstört"

Von einem endgültigen Ende des Konflikts könne nicht die Rede sein, erklärt der Experte. Die Frage des iranischen Strebens nach einer Atombombe sei durch den Krieg nur verlagert worden. Zwar hätten die israelischen und us-amerikanischen Angriffe die iranischen Atomanlagen nachhaltig beschädigt, aber:

Das iranische Atomprogramm ist aber keineswegs zerstört worden.

Jan Busse, Universität der Bundeswehr in München

Das Wissen sei weiterhin im Land. Die benötigte Infrastruktur könne wieder aufgebaut werden. Und besonders bedenklich sei laut Busse, dass es Iran gelungen sein dürfte, die essenziellen 400 Kilogramm hochangereichertes Uran vor dem Militärschlag in Sicherheit zu bringen.
Bis zum gegenseitigen Beschuss zwischen Israel und Iran hätte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) "relativ genau" gewusst, wo sich wie viel Uran befinde. "Das ist jetzt nicht mehr der Fall", erklärt der Nahost-Experte. Diese Unsicherheit erschwere die Situation. Die Frage stehe im Raum, ob Iran nicht gerade jetzt nach der Atombombe strebe, um die eigene Regimesicherheit zu garantieren.

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Völkerrecht hat "wieder akut gelitten"

Trotz Waffenruhe gebe es in Nahost eine weitere "instabile Unsicherheitsordnung, analysiert Busse. Weitere Verhandlungen seien nötig. Dazu würden Oman und auch Katar wohl mit am Tisch sitzen. Klar sei schon jetzt, dass "das Völkerrecht mal wieder akut gelitten" habe und beschädigt sei. Das wirke über die Region hinaus. Gerade die Europäer trügen eine große Verantwortung, diesen Schaden zu beheben, sagt der Experte.

Was die Region angeht, ist es sicherlich jetzt ein Moment des Luftholens, wo die Frage im Raum steht, wie es weitergehen kann.

Jan Busse, Nahost-Experte

Wichtig sei hinsichtlich der US-Angriffe und der iranischen Folgeangriffe, dass sie angekündigt und einmalig waren, so Busse. "Wir sehen, dass die Akteure aktuell durchaus ein Interesse an einer Deeskalation haben, aber das muss erstmal in einen langfristigen Waffenstillstand überführt werden."
Die wichtigste Rolle, käme dabei dem US-Präsidenten zu, sagt Busse. Es sei zu hoffen, dass dieser nicht das Interesse an dem Thema verliere, sondern weiterhin den Druck auf alle Konfliktparteien aufrecht erhalte.
Das Interview führte ZDFheute live-Moderator Christian Hoch. Zusammengefasst hat es ZDFheute-Redakteur Kai Remen.

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