Hamas-Geiseln in Gaza: Was Angehörige von Deutschland erwarten

Exklusiv

Geiseln der Hamas in Gaza:"Umarmungen und Mitgefühl reichen nicht mehr"

von Beate Frenkel
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In den Händen der Hamas befinden sich immer noch sieben deutsche Staatsbürger. Welche Erwartungen haben ihre Angehörige an die Bundesregierung - und an Israel?

Treffen von Angehörigen der Hamas-Geiseln bei Außenminister Wadephul im Juli 2025 in Berlin.
Treffen von Angehörigen der Hamas-Geiseln bei Außenminister Wadephul im Juli 2025 in Berlin. Mit dabei auch Sachar Ohel (2 v.h.l.).
Quelle: Photothek

Zwei junge Männer, abgemagert bis auf die Knochen, dem Tod nahe: Die Bilder der ausgemergelten Geiseln Evjatar David und Rom Braslavski, vergangene Woche veröffentlicht von der palästinensischen Terrororganisation Hamas und dem verbündeten Islamischen Dschihad, sorgten in Israel für Entsetzen - und bestätigten die schlimmsten Befürchtungen der Angehörigen.
"So habe ich meinen Sohn noch nie gesehen. Rom schreit nicht und ist auch nicht wütend - er spricht leise, mit schwacher Stimme, wie jemand, der akzeptiert hat, dass es nichts mehr zu kämpfen gibt und er vielleicht nicht lebend da rauskommt", sagte seine Mutter Tami Braslavski in einem Pressestatement, in dem sie der Veröffentlichung des Propaganda-Videos zustimmte.

Ich weiß nicht, was passieren wird, aber ich tue und werde alles tun, um dich da rauszuholen, und ich werde nicht aufhören, bis du nach Hause kommst.

Tami Braslavski, Mutter der Geisel Rom Braslavski

Der UN-Sicherheitsrat am 04.04.2018 in New York
Auf Wunsch Israels hat in New York der UN-Sicherheitsrat getagt. Dort verurteilte der UN-Vertreter Jenca die Behandlung der israelischen Geiseln und forderte ihre Freilassung.06.08.2025 | 0:20 min

Appell der Angehörigen an Bundesregierung

Schon im Juli war sie nach Berlin gereist, gemeinsam mit Angehörigen weiterer deutsch-israelischer Geiseln, um die deutsche Bundesregierung um Hilfe zu bitten. Es war ein verzweifelter Appell, denn die Angehörigen sind überzeugt: Die Zeit läuft ab, um die noch lebenden Geiseln zu befreien.
"Wir bitten und flehen den Bundeskanzler an, seinen Einfluss geltend zu machen, um Druck auf die Hamas und ihre Unterstützer auszuüben und um die US-Regierung und die israelische Regierung zu einem Abkommen zu bewegen", erklärt Sachar Ohel nun im Interview mit ZDF frontal.
Sein 24-jähriger Neffe Alon ist Pianist, war beim Nova-Musikfestival, als die Hamas die Feiernden überfiel. Seit November 2023 werde er in einem Tunnel 40 Meter unter der Erde festgehalten. "Seine Füße sind mit Eisenketten gefesselt, die ihn daran hindern, sich zu bewegen oder zu strecken, während sie ihm ständig ins Fleisch schneiden", sagt sein Onkel.
Der UN-Sicherheitsrat am 04.04.2018 in New York
Auf Wunsch Israels hat in New York der UN-Sicherheitsrat getagt. Dort verurteilte der UN-Vertreter Jenca die Behandlung der israelischen Geiseln und forderte ihre Freilassung.06.08.2025 | 0:20 min

Sorge nach veröffentlichten Aufnahmen der Geiseln

Im Februar berichteten drei freigelassene Geiseln, Alon sei verwundet, ausgehungert, sein Zustand lebensbedrohlich: "Wir haben seitdem nichts mehr gehört", erzählt jetzt Sachar Ohel." Wir wissen, unter welchen Umständen die Geiseln festgehalten werden, die jetzt veröffentlichten Aufnahmen von Evjatar David und Rom Braslavski seien kaum zu ertragen.
"Mein Großvater, Alons Urgroßvater, kam vor 80 Jahren mit einem Gewicht von etwa 38 Kilogramm aus Auschwitz. Seine Figur ist unglaublich und ähnelt stark der Geiseln heute. Aber es ist nicht dasselbe."

Ich glaube, wenn die ganze Welt Druck ausübt, auch Deutschland, und die richtigen Maßnahmen ergreift, können wir es schaffen.

Sachar Ohel, Onkel der Geisel Alon Ohel

Israels Präsident Herzog zeigt zwei Bilder der israelischen Geiseln-
Aufnahmen zweier Geiseln rufen Entsetzen hervor und sorgen für neuen Druck auf Israels. Angehörige drängen auf ein Abkommen, der UN-Sicherheitsrat berät morgen darüber.04.08.2025 | 1:39 min

Sieben deutsch-israelische Geiseln in Gaza

Sieben deutsch-israelische Geiseln befinden sich noch in den Händen der Hamas. Vor vier Wochen, als die Angehörigen in Berlin waren, schien eine Freilassung weiterer Geiseln unmittelbar bevorzustehen. Doch diese Hoffnung hat sich zerschlagen. Ein Deal sei wieder in weiter Ferne. "Es sieht nicht gut aus", sagt Alon Ohels Onkel.
Die Ankündigung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den Gazastreifen nun vollständig zu besetzen, sei vielleicht eine Chance, mehr Druck auf die Hamas auszuüben. Und doch bleiben Sorgen: "Ich habe Angst um Alon und die anderen Geiseln. Wir hoffen, dass die israelische Armee und die israelische Regierung die Geiseln retten werden. Und wir hoffen, dass sie kein Risiko eingehen."
Palästinenser eilen zum Ort des Geschehens, als Hilfsgüterpaletten aus einem Militärflugzeug über Nuseirat im zentralen Gazastreifen abgeworfen werden, während einer Luftabwurfmission über dem von Israel belagerten palästinensischen Gebiet am 5. August 2025.
Wenn die Militärflugzeuge Hilfsgüter über Gaza abwerfen, beginnt am Boden der unmenschliche Kampf um Nahrung – und ums Überleben. Nur die Schnellsten haben eine Chance. 05.08.2025 | 2:01 min

Druck auf Hamas und Unterstützer gefordert

Und noch immer erwarten die deutsch-israelischen Angehörigen, dass sich die Bundesregierung mit mehr Nachdruck für die Befreiung der Geiseln einsetzt. "Umarmungen und Mitgefühl alleine reichen nicht mehr", erklärte Liran Berman vor vier Wochen gegenüber ZDF frontal in Berlin. Seine Zwillingsbrüder Ziv und Gali wurden während des Massakers der Hamas am 7. Oktober aus ihrem Kibbuz Kfar Asa nach Gaza verschleppt. Es gibt keine Aufnahmen, aber von freigelassenen Geiseln hatte auch seine Familie erfahren, dass die Brüder lebten.
"Unsere Großeltern kamen von hier, aus Berlin und Dessau", erzählte Liran Berman und forderte von der Bundesregierung, dass sie sich für die Befreiung ihrer eigenen Bürger einsetzt, Druck auf Hamas und auf Länder wie Iran, Türkei, Katar und Ägypten ausübt, die die Terrororganisation unterstützen.
Liran Berman, Bruder der Zwillinge Ziv und Gali Berman, die am 7. Oktober 2023 aus ihrem Haus im Kibbuz Kfar Aza entführt und im Gazastreifen festgehalten wurden
Liran Berman, Bruder der Zwillinge Ziv und Gali Berman, die am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen entführt wurden.
Quelle: AP

Die Freilassung der Geiseln müsse Bedingung sein, bevor über Zukunftspläne für Palästina gesprochen werde, sagt Sachar Ohel. Das ist seine Erwartung an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Die Zeit läuft ab für seinen Neffen Alon und all die anderen Geiseln, die noch am Leben sind. Für sie und ihre Angehörigen zählt jeder Tag.

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Israels Armee geht seit dem Terrorangriff der Hamas militärisch im Gazastreifen vor - die Verhandlungen in Katar über eine Waffenruhe wurden abgebrochen. Die Entwicklungen im Blog.
Hilftgüter werden über Gaza von der jordanischen Luftwaffe am Sonntag den 27.07.2025. abgeworfen.
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