Gegen Antisemitismus und Rassismus:Ein Fußball-Turnier als Bühne und Lernort
Erst Erinnern für die Zukunft mit Workshops und Zeitzeugengesprächen, dann internationaler Jugendfußball - der DFB-Campus hatte vier Tage das Walther-Bensemann-Turnier zu Gast.
Fußball verbindet: Das Walther-Bensemann-Turnier bringt Jugendliche aus Deutschland und Israel zum Lernen und Spielen zusammen.
Quelle: DFB/Neil Baynes/Getty ImagesAuch am Tag danach kann Pavel David Sivor es kaum glauben: "Die Slowakei hat gegen Deutschland gewonnen." Er ist immer noch erstaunt, was da in seiner Geburtsstadt passiert ist. Als 12-Jähriger hat er selbst in Bratislava Fußball gespielt, das war kurz nach Kriegsende.
Gemeinsame jüdische Feier
Jetzt sitzt er mit acht anderen Überlebenden der Nazi-Verfolgung bzw. deren Nachkommen und 120 Jugendfußballern aus drei Ländern in einer Schule der jüdischen Gemeinde in Frankfurt beim Kabbalat Schabbat, einer traditionellen jüdischen Feier.
Holocaust-Überlebender Pavel David Sivor erzählt aus seinem bewegtem Leben.
Quelle: Yuliia Perekopaiko/DFBAm Vormittag hatte er der U17-Mannschft von Slavia Prag aus seinem Leben erzählt. Alle zusammen waren am vergangenen Wochenende Gäste beim Walther-Bensemann-Gedächtnisturnier auf dem Campus des DFB in Frankfurt.
... gab dem DFB als einer der Gründungsväter des Verbandes am 28. Januar 1900 seinen bis heute gültigen Namen. Bereits zuvor hatte er die sogenannten "Ur-Länderspiele" - internationale Auswahlbegegnungen gegen französische und englische Teams - organisiert und war an der Gründung zahlreicher Traditionsvereine beteiligt. 1920 gründete Bensemann (1873 bis 1934) das Fußballmagazin "kicker".
Als jüdischer Intellektueller und sportlicher Visionär stand Bensemann in seiner Zeit als unermüdlicher Vorkämpfer für ein weltoffenes, internationales Spiel. Nach der Flucht aus NS-Deutschland starb er 1934 im Schweizer Exil. (Quelle DFB)
Überleben des 2. Weltkriegs nur dank guter Verstecke
Als Kind jüdischer Eltern hat Sivor das letzte Kriegsjahr nur überlebt, weil er gute Verstecke fand. Seine Mutter, Großmutter und sein Onkel wurden in die Konzentrationslager Sereď und Theresienstadt deportiert.
Nach der Rückkehr seiner Mutter aus Theresienstadt wanderte Sivor mit ihr 1949 nach Israel aus. Dort wurde er ein erfolgreicher Schwimmer und später Cheftrainer der Schwimm-Nationalmannschaft, mit der er bei mehreren Olympischen Sommerspielen war.
Walther-Bensemann-Turnier rührt David Sivor
"Schau", sagt er im Gespräch mit ZDFheute, "als ein geborener Tschechoslowake, der jetzt in Israel lebt, komme ich nach Frankfurt zu einem Turnier mit einer israelischen Mannschaft, in diesen Zeiten. Das berührt mein Herz, das macht mir gute Laune. Ich sehe jetzt, was man verbessern kann in dieser schlechten Welt.“
Einer der jungen Fußballer ist Drorel Avimann, der Torwart der U17-Mannschaft von Maccabi Tel Aviv. "Es war sehr herzerwärmend zu sehen, wie alle das Schabbat-Gebet mitgemacht haben", sagt Avimann am nächsten Tag in einer Spielpause.
Seit dem 7. Oktober 2023 ist Antisemitismus ein offen diskutiertes Problem in Deutschland. Die Dokumentation "Warum Judenhass?" zeigt, dass der Nährboden dafür schon viel länger existiert.
27.01.2024 | 43:39 minAllgegenwärtiger Antisemitismus
"Ich finde, die Grundidee dieses Turniers sehr segensreich. Außer im Fußball gibt es den Antisemitismus überall, wo wir hingehen", sagt Avimann. Selbst hier in Deutschland spüre man das. "Wir werden hier sehr gut behandelt, aber wenn man den Menschen ins Gesicht schaut, merkt man, dass sie denken: Bist du Israeli? Bist du Jude? Deshalb finde ich dieses Turnier sehr wichtig."
Wir sind so froh, dass wir eine Bühne haben, um zu sagen: Stoppt den Antisemitismus und stoppt den Rassismus.
Drorel Avimann, Torwart der U17 von Maccabi Tel Aviv
Und dann ergänzt er noch: "Wir wollen einfach nur Frieden und wir wollen in Ruhe mit uns selbst und unseren Nachbarn leben."
Wenn es noch eines Beweises für die Sinnhaftigkeit dieses Turnier-Konzeptes bedurft hätte, wurde dieser von den rassistischen Beleidigungen gegen mehrere deutsche Nationalspieler nach der Niederlage in Bratislava geliefert.
Ein Fehlstart, wie er schlimmer nicht sein kann: Die DFB-Elf beginnt die WM-Qualifikation mit einer 0:2-Niederlage gegen die Slowakei - und ist dabei noch gut weggekommen.
04.09.2025 | 8:28 minDen Blick auch nach vorn richten
"Ich bin beeindruckt von den jungen Leuten, die hier zusammen sind, miteinander reden und ausdrücken, dass die fürchterlichen Sachen des Zweiten Weltkrieg und die Ermordung von Leuten nicht wieder passieren dürfen", sagt Pieter Dietz de Loos gegenüber ZDFheute.
Dietz de Loos ist der Sohn des niederländischen Wiederstandkämpfers Dirk de Loos, der drei Jahre in Konzentrationslagern verbringen musste, unter anderem in Dachau. Er selbst hat zur Zeit des Bosnien-Krieges mit "Wings of Hope" eine Stiftung gegründet, die bis heute in vielen Ländern der Welt Unterstützung für von Krieg und Gewalt traumatisierte Menschen leistet.
Was macht der Krieg im Nahen Osten mit den Jüdinnen und Juden in Deutschland?
14.01.2024 | 26:55 minEs sei wichtig, dass die Jugend nicht nur im Schmerz zurückschaue, was die Nazis gemacht haben, so de Loos, sondern "aus den Erfahrungen etwas Positives mitnimmt und fragt: Wie können wir die Welt mit unseren Leuten und Menschen verbessern?"
U17 von Slavia Prag gewinnt das Turnier
Eine kleine Antwort darauf gab dieses Turnier, das sportlich von Slavia Prag mit einem 5:2 gegen Kickers Offenbach gewonnen wurde. Den Original-Pokal aus dem Jahr 1925 übereichte Pavel David Sivor und fuhr anschließend mit ihm und den Gewinnern im Bus zurück nach Prag.
... ist das älteste Jugendfußballturnier in Europa. Es wurde erstmals 1937 ausgetragen und 2022 von der Initiative "Nie Wieder - Erinnerungstag" im deutschen Fußball sowie Maccabi Deutschland in Nürnberg wiederbelebt. Für 2025 konnten der DFB sowie die DFB-Kulturstiftung als Förderer und Mitveranstalter gewonnen werden.
Die inhaltliche Begleitung durch zahlreiche Zeitzeug:innen, die die Vernichtungslager überlebt haben, machen das Turnier zu einem einmaligen Projekt für Toleranz und Vielfalt im europäischen Jugendfußball.
Die Teilnehmer 2025 auf dem DFB-Campus in Frankfurt waren die U17-Teams von: Maccabi Tel Aviv, Slavia Prag, Eintracht Frankfurt, FSV Frankfurt, FSV Mainz 05 sowie Kickers Offenbach.
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