Wehrle zu Homophobie im Fußball: "Jeder Profi hat Vorbildrolle"

Homophobie im Profifußball:Wehrle: "Jeder Profi hat eine Vorbildrolle"

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Kein Profifußballer lebt in Deutschland offen schwul. Ein Gespräch mit VfB-Chef Alexander Wehrle, dem einzig offen schwulen Funktionär, über die Strukturen, an denen das liegt.

Alexander Wehrle

Alexander Wehrle wirbt für Normalität beim Thema schwule Fußballer. Der Vorstandsvorsitzende des VfB Stuttgart ist die einzige offen homosexuell lebende Bundesliga-Führungskraft.

22.09.2025 | 2:50 min

ZDFheute: Man sagt, Fußballkabinen seien ein Abbild der Gesellschaft. Warum sind sie es nicht in Bezug darauf, offen homosexuell zu leben?

Alexander Wehrle: Natürlich ist die Rolle eines jungen Fußballers in einer Kabine häufig eine andere als die eines Individualsportlers. Wir als Klub können die Rahmenbedingungen bieten, um einen Spieler, der sich outen möchte, vollumfänglich zu unterstützen. Da hat der deutsche Fußball in den letzten Jahren Schritte in die richtige Richtung gemacht.

Alexander Wehrle ist seit 2022 der Vorstandsvorsitzende der VfB Stuttgart 1893 AG. Er ist der einzige Klubchef in Deutschlands Fußball-Profiligen, der offen schwul lebt. In den vergangenen Jahren setzte er sich immer wieder für eine Normalisierung von Homosexualität im Profifußball ein.

2025 war er dafür Schirmherr des "Christopher Street Days" in Stuttgart. Parallel zu seiner Aufgabe in Stuttgart ist der 50-Jährige Aufsichtsratsvorsitzender beim DFB. Zuvor war er neun Jahre lang Geschäftsführer des 1. FC Köln.


ZDFheute: Wie sehen diese Rollenbilder aus?

Wehrle: Das Rollenbild eines Profis ist in der Regel: „Ich bin jung, ich bin stark, ich bin nicht verletzbar, ich zeige auch keine Schwäche, ich zeige keine Angriffsfläche." Das ist schon ein Stück weit eine Rolle. So wird es bei vielen homosexuellen Fußballern sein, die ein Doppelleben führen.

Wehrle über Vorbildfunktion von Fußballprofis

ZDFheute: Sie sprechen von tradierten Rollenbildern: Vor nicht mal einem Jahr weigerte sich Kevin Behrens ein Regenbogentrikot zu unterschreiben, homophobe Beleidigung inklusive. Was würden Sie einem Ihrer Spieler sagen, wenn er sich so äußerte?

Wehrle: Wenn ein Spieler bei uns so einen Blödsinn äußern würde, würde ich ihm aufzeigen, welche wichtige Vorbildfunktion er hat. Wenn ich so etwas als homosexueller jugendlicher Fußballfan lese und ein Profi auf gut deutsch gesprochen sagt, ich sei „scheiße“, kann das große psychische Probleme auslösen, bis hin zu Suizidgedanken. Das geht nicht.

Da hat jeder Profi eine Vorbildrolle.

Alexander Wehrle, Vorstandsvorsitzender VfB Stuttgart

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15.07.2025 | 2:47 min

ZDFheute: Auf der anderen Seite sagten Sie mal, dass Sie Spieler im Falle eines Coming-outs zu 120% unterstützen würden. In die Kabine können Sie nicht blicken und homophobe Banner können Sie nicht unterbinden. Wie sähe diese Unterstützung also aus?

Wehrle: Ich würde zuallererst mit dem betroffenen Spieler sprechen, ganz sicher auch das Angebot machen, mit seinem Umfeld zu sprechen, auch mit seinen Eltern, wenn er das möchte. Ich würde auch an die Medienvertreter appellieren, vernünftig damit umzugehen. Und dann würde ich natürlich in die Kabine gehen und an die Vorbildfunktion der Mannschaftskollegen appellieren.

Rahmenbedingungen für Outing

ZDFheute: Und das reicht, um ein Umfeld zu schaffen, in dem sich betroffene Spieler so sicher und wohlfühlen, dass sie sich outen?

Wehrle: Ein Outing ist immer eine sehr persönliche Angelegenheit, mit einer eigenen Geschichte und mit eigenen Hintergründen. Wir als Verantwortliche können unterstützen und Rahmenbedingungen schaffen. Wenn ein Spieler diesen individuellen Schritt gehen möchte, dann wollen und müssen wir da sein, das ist unsere Aufgabe.

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ZDFheute: Wie setzt man denn Rahmenbedingungen?

Wehrle: Wir führen beim VfB Workshops durch für Nachwuchsspieler, um sie zu sensibilisieren. Es gibt Sozialpädagogen, die mit den Trainern, mit der Nachwuchsmannschaft und der Führungsebene Gesprächsformate absolvieren und Rollenspiele anbieten. Wir haben Aktionstage eingeführt, über alle Vereine hinweg. Ich war Schirmherr beim CSD in Stuttgart. Das sind zugegebenermaßen oftmals auch symbolische Handlungen, aber mit einem positiven Effekt.

ZDFheute: Hart gesagt: Geoutet hat sich trotzdem noch kein aktiver Spieler.

Wehrle: Wenn ich vielleicht einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass ein Jugendlicher, der total verzweifelt ist und seinem Leben ein Ende setzen will, plötzlich doch eine Zukunftsperspektive sieht, weil ein Fußballfunktionär offen mit dem Thema umgeht, dann ist schon viel gewonnen.

ZDFheute: Homophobe Straftaten sind auf einem Höchststand, die Akzeptanz gegenüber gesellschaftlicher Vielfalt sinkt. Bezogen auf den Fußball: Welche Maßnahme fehlt, dass sich das ändert?

Wehrle: Ich glaube, dass ein Umfeld geschaffen werden muss, in dem man Spielern das Gefühl gibt, sie aufzufangen. Aber das geht nun mal über den Fußball hinaus. Da mache ich mir schon Gedanken, welche Tendenzen wir in unserer Gesellschaft erleben, wie teilweise mit CSDs umgegangen wird, die körperlichen Übergriffe, die Bedrohungen, das Mobbing gerade in Schulen nimmt wieder zu.

Deswegen sage ich: Wehret den Anfängen.

Alexander Wehrle über Tendenzen in der Gesellschaft

Das Interview führte Jannik Höntsch.

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