Israelischer Dirigent ausgeladen:Antisemitismus-Vorwürfe nach Konzertabsage
An der Absage eines Konzerts der Münchner Philharmoniker bei einem belgischen Festival gibt es scharfe Kritik. Deutsche Politiker werfen den Veranstaltern Antisemitismus vor.
Der israelische Dirigent Lahav Shani.
Quelle: epaNach der Absage eines Konzerts der Münchner Philharmoniker mit ihrem israelischen Dirigenten Lahav Shani im belgischen Gent zeigen deutsche Politiker sich entsetzt. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer spricht von einer "Schande für Europa", Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) von einem Skandal. Blume sagte der Deutschen Presse-Agentur:
Das Flanders Festival schickt mit seiner Absage schreckliche antisemitische Misstöne in die Welt: Dass die Münchner Philharmoniker ausgeladen werden, weil ein Israeli am Pult steht, ist nichts anderes als grober Antisemitismus.
Markus Blume (CSU), bayerischer Kunstminister
Festival in Belgien zweifelt an Dirigent Shani
Das Flanders Festival Ghent hatte die kurzfristige Absage des für den 18. September geplanten Konzertes damit begründet, dass der in Tel Aviv geborene Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist.
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"Im Lichte seiner Rolle als Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra sind wir nicht in der Lage, für die nötige Klarheit über seine Haltung dem genozidalen Regime in Tel Aviv gegenüber zu sorgen", heißt es in einer Erklärung auf der Homepage des Festivals.
Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Deutschland ist im vergangenen Jahr erneut stark angestiegen. 2024 wurden 8.627 Fälle erfasst, was eine Zunahme um 77 Prozent bedeutet.
04.06.2025 | 0:25 minEntsetzen in München und Berlin
Die Ausladung sei "beschämend, kulturfeindlich und schlicht ein Skandal", sagte Blume.
Es macht mich fassungslos, dass gerade ein Musikfestival die völkerverständigende Kraft der Musik für Hetze und Spaltung missbraucht.
Markus Blume (CSU), bayerischer Kunstminister
Das Orchester und die Stadt München reagierten ebenfalls entsetzt auf die Ausladung. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, er könne "die Entscheidung des Veranstalters in keiner Weise nachvollziehen".
Das Festival betonte, Shani habe sich zwar in der Vergangenheit mehrfach "für Frieden und Versöhnung" ausgesprochen. In Übereinstimmung mit dem Aufruf des Kulturministers, des Stadtrats von Gent und des Kultursektors in Gent habe man sich aber entschieden, nicht mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich nicht eindeutig von "diesem Regime" distanziert haben.
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Knobloch: "Eines der krassesten Beispiele des aktuellen Judenhasses"
Die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, fand deutliche Worte. Es sei "eines der krassesten Beispiele des aktuellen Judenhasses - bigott, unverfroren und unverschämt", sagte die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern der Deutschen Presse-Agentur.
"Großartige Künstler wie Lahav Shani werden von vermeintlich weltoffenen Institutionen dazu genötigt, entweder selbst Israelhass zu unterstützen oder als Paria behandelt zu werden", so Knobloch.
Das ist an Niedertracht nicht zu überbieten.
Charlotte Knobloch, frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland
In dem seit 2023 andauernden Gaza-Krieg mit einer hohen Zahl an zivilen Opfern weisen Israel und auch die deutsche Regierung den Genozid-Vorwurf, also den Vorwurf des Völkermordes, zurück.
Deutschland habe besondere Verantwortung für Israels Sicherheit, aber keine Verpflichtung, den Handlungen der israelischen Regierung ohne Wenn und Aber zuzustimmen, so Klein.
26.05.2025 | 6:04 minAuslöser des Gaza-Krieges war der Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt worden waren, darunter auch Kinder. Israel spricht von Selbstverteidigung nach dem Terrorangriff.
Wolfram Weimer: "Rote Linie überschritten"
Für Kulturstaatsminister Weimer ist mit der Ausladung Shanis eine Grenze überschritten. "Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik wird hier ein Kultur-Boykott betrieben." Das sei "blanker Antisemitismus" und ein "Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur".
Wenn es akzeptabel wird, deutsche Orchester und jüdische Künstler kollektiv auszuladen, ist eine rote Linie überschritten.
Wolfram Weimer, Kulturstaatsminister
Die Münchner Philharmoniker seien "ein Aushängeschild deutscher Kultur und Weltklasse", und er stehe hinter dem Orchester, betonte Weimer. "Wer ihm und seinem künftigen Chefdirigenten die Bühne verweigert, schadet nicht Israel - er schadet Europa und seiner eigenen Glaubwürdigkeit." Deutschland stehe an Shanis Seite. "Unsere Botschaft ist eindeutig: Wir lassen weder unsere Orchester noch unsere jüdischen Künstler ins Abseits drängen."
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Shani soll Nachfolger von Gergijew werden
Der 36 Jahre alte Shani ist seit 2020 als Nachfolger von Zubin Mehta Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra. Im Februar 2023 ernannten die Münchner Philharmoniker ihn zu ihrem neuen Chefdirigenten, sein Amt soll er im September 2026 antreten.
Shani wird damit Nachfolger des Russen Waleri Gergijew. Dieser war rausgeworfen worden, weil er sich aus Sicht des Münchner Stadtrats nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht hinreichend von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, als dessen Freund er gilt, distanziert hatte.