75 Jahre Zentralrat der Juden: Warnungen vor neuem Antisemitismus
75 Jahre Zentralrat der Juden:Schuster: Aktiver gegen Antisemitismus werden
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Zum Jubiläum des Zentralrats der Juden mahnt Präsident Josef Schuster vor wachsendem Antisemitismus. Wie sich das jüdische Leben nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden
Quelle: dpa
Am 19. Juli 1950 wurde in Frankfurt am Main der Zentralrat der Juden in Deutschland gegründet - nur fünf Jahre nach dem Ende der Schoah. Mittlerweile sitzt er in Berlin, nahe der Neuen Synagoge an der Oranienburger Straße, und feiert in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen.
Dabei war er einst als Interessenvertretung für die Übergangszeit bis zur Ausreise von Jüdinnen und Juden gegründet worden. Denn nach der Schoah mit rund sechs Millionen Toten wollten viele der wenigen Überlebenden das Land der Nazis hinter sich lassen und zum Beispiel im neu gegründeten Staat Israel oder in den USA einen Neuanfang wagen.
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Doch etliche Jüdinnen und Juden blieben schließlich in Deutschland - etwa, weil ihre Familien hier jahrhundertealte Wurzeln hatten. Der Zentralrat wurde eine etablierte Interessenvertretung der jüdischen Gemeinschaft, zunächst in der westlichen Bundesrepublik und später im wiedervereinigten Deutschland. Heute ist er vor allem im Zusammenhang mit der Erinnerung an die Opfer der Schoah und im Vorgehen gegen Antisemitismus bekannt.
Präsident Schuster: Aktiver gegen Antisemitismus werden
So sieht auch Präsident Josef Schuster den Kampf gegen Antisemitismus und für Demokratie als bleibende Aufgabe. "Da sehe ich dunkle Wolken am Himmel", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA):
Wir sehen, dass sich antisemitische Vorfälle bis in die Mitte der Gesellschaft ziehen. Hier müssen wir aktiver werden: aufklären und Institutionen in ihrer Arbeit unterstützen.
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Josef Schuster, Präsident Zentralrat der Juden
Ganz entscheidend gegen Judenhass sei Bildung - bereits bei Kindern. Gerade israelbezogener Antisemitismus sei seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 "leider sehr, sehr deutlich zu beobachten".
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Das Bundeskriminalamt hatte 2024 bei den antisemitisch motivierten Straftaten einen neuen Höchststand verzeichnet: eine Steigerung um knapp 21 Prozent auf rund 6.200 (Vorjahr: 5.200). Mit 48 Prozent wurden knapp die Hälfte der Fälle dem rechten Bereich zugeordnet und fast ein Drittel ausländischer Ideologie. Die Behörde sieht einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Zahlen und dem 7. Oktober 2023.
Gemeinden wachsen durch Zuzug von Juden aus der Ex-Sowjetunion
Heute ist der Zentralrat Dachverband von 105 Gemeinden mit etwa 100.000 Mitgliedern. Zum Vergleich sagt Schuster: "1990 hatten wir knapp 28.000 Mitglieder bundesweit." In den 90er Jahren wuchsen oder entstanden jüdische Gemeinden durch den Zuzug von Menschen aus der Ex-Sowjetunion, den "Kontingentflüchtlingen". Es entwickelte sich das, was Schuster ein "stabiles, gesundes jüdisches Leben" nennt. Zugleich zählt Schuster aber auch zu den großen Herausforderungen der Zukunft, dass die Gemeinden gestärkt und engagierter Nachwuchs gewonnen werden müssten.
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Zum Zentralrat gehören auch Institutionen wie die Jüdische Studierendenunion Deutschland, die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, das noch junge Militärrabbinat und die geplante Jüdische Akademie in Frankfurt. Gremien sind darüber hinaus eine orthodoxe und eine nichtorthodoxe Rabbinerkonferenz sowie eine Stiftung: Sie trägt neue Ausbildungsstätten in Potsdam für Rabbinerinnen und Rabbiner, Kantorinnen und Kantoren. Schuster fasst zusammen:
Heute ist der Zentralrat die politische, religiöse und gesellschaftliche Vertretung der Interessen der Jüdinnen und Juden in Deutschland.
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