Wasserkrise im Gazastreifen: Brackwasser zum Überleben
Wasserkrise im Gazastreifen:Brackwasser zum Überleben: "Es macht uns krank"
|
Schmutziges Grundwasser, zerstörte Brunnen: Die Wasserversorgung im Gazastreifen verschlechtert sich zunehmend. Bewohner trinken Brackwasser, um zu überleben - und werden krank.
Wasserkrise im Gazastreifen: Jeder Tropfen ist rationiert zum Trinken, Kochen, Putzen und Waschen.
Quelle: dpa | Omar Ashtawy
Rana Odeh ist früh aufgestanden und hat eine Stunde lang in der Augusthitze angestanden. Nun kehrt sie mit ihrem Krug voll trübem Wasser in ihr Zelt zurück. Sie wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht und überlegt, wie viel von dem Wasser sie ihren beiden kleinen Kindern geben kann. Allein wegen der Farbe weiß sie genau, dass es wohl verunreinigt ist. Doch der Durst überwiegt die Angst vor Krankheiten.
"Wir sind gezwungen, es unseren Kindern zu geben, weil wir keine Alternative haben", sagt Odeh, die aus ihrem Haus in Chan Junis vertrieben wurde, über das Wasser.
Es macht uns und unsere Kinder krank.
„
Rana Odeh, aus Chan Junis nach Al-Mawasi vertrieben
In Gaza sind die Schlangen für Essen lang und manche überleben den Kampf um das nackte Überleben nicht. Auch die medizinische Versorgung in den Krankenhäusern wird immer schlechter.11.06.2025 | 6:07 min
Jeder Tropfen Wasser ist rationiert
Solche Szenen sind zum bitteren Alltag geworden in Al-Mawasi, einer riesigen, staubigen Zeltstadt im Zentrum des Gazastreifens, in der Hunderttausende Vertriebene in sengender Hitze leben.
Eltern und Kinder strömen in Scharen zu den Wassertransportern, die alle zwei oder drei Tage eintreffen. Sie füllen Flaschen, Kanister und Eimer auf, die sie dann nach Hause schleppen. Jeder Tropfen ist rationiert zum Trinken, Kochen, Putzen und Waschen.
Die humanitäre Situation im Gazastreifen bleibt angespannt. Ständige Angriffe und der fehlende Zugang zu dringend benötigten Hilfsgütern belasten die Bevölkerung schwer. 06.06.2025 | 1:20 min
In den 22 Monaten seit Beginn der israelischen Offensive hat sich die Wasserversorgung im Gazastreifen zunehmend verschlechtert. Beschränkungen bei Kraftstoffimporten und Strom bremsten den Betrieb von Entsalzungsanlagen aus, Engpässe in der Infrastruktur und Schäden an Pipelines brachten die Versorgung zum Erliegen. Grundwasserleiter wurden durch Abwasser und die Trümmer bombardierter Gebäuden verschmutzt.
Die meisten Brunnen sind nach Angaben von Hilfsorganisationen und lokalen Versorgungsunternehmen unzugänglich oder zerstört.
Die Wasserkrise beschleunigte die rasche Ausbreitung von Krankheiten, zusätzlich zum steigenden Hunger in dem Küstenstreifen. In den Gesundheitszentren des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) werden dessen Angaben zufolge pro Woche durchschnittlich 10.300 Patientinnen und Patienten mit Infektionskrankheiten behandelt, zumeist Durchfall infolge von verseuchtem Wasser.
Vor dem Krieg hatte die Küstenenklave mit mehr als zwei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ihr Wasser aus einem Netzwerk von Quellen bezogen. Teile stammten vom staatlichen israelischen Versorger Mekorot, andere aus Entsalzungsanlagen, salzhaltigen Brunnen oder wurden in Flaschen importiert. Alle Quellen wurden aufs Spiel gesetzt.
Die Palästinenserinnen und Palästinenser sind nun stärker vom Grundwasser abhängig, das inzwischen mehr als die Hälfte der Versorgung im Gazastreifen ausmacht.
Schwere gesundheitliche Schäden durch Brackwasser
Das Brunnenwasser ist brackig, aber nach Angaben von Hilfsorganisationen und palästinensischen Versorgern zum Putzen, Baden oder in der Landwirtschaft nutzbar. Nun müssen die Menschen es auch trinken.
Die Folgen des Konsums von unsauberem Wasser treten nicht immer sofort auf, wie Mark Zeitoun erklärt, Generaldirektor der Denkfabrik Geneva Water Hub. "Unbehandeltes Abwasser vermischt sich mit Trinkwasser, und wer dieses Wasser trinkt oder damit die eigenen Lebensmittel wäscht, nimmt Mikroben zu sich und kann an Ruhr erkranken", sagt er.
Wer gezwungen ist, salziges, brackiges Wasser zu trinken, erleidet einen Nierenschaden und muss jahrzehntelang zur Dialyse.
„
Mark Zeitoun erklärt, Generaldirektor der Denkfabrik Geneva Water Hub
Die Wasserlieferungen liegen im Durchschnitt bei weniger als drei Litern pro Person und Tag - ein Bruchteil des Minimums von 15 Litern, das nach Angaben von humanitären Organisationen zum Trinken, Kochen und für die grundlegende Hygiene notwendig ist. Der Anteil der Durchfallpatienten stieg nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef von Februar bis Juli von weniger als 20 auf 44 Prozent.
Wenn die Militärflugzeuge Hilfsgüter über Gaza abwerfen, beginnt am Boden der unmenschliche Kampf um Nahrung – und ums Überleben. Nur die Schnellsten haben eine Chance. 05.08.2025 | 2:01 min
Pipelines und Entsalzungsanlage zerstört
In der frühen Phase des Kriegs wurden nach Angaben von Bewohnern die Lieferungen der israelischen Wassergesellschaft Mekorot eingeschränkt - Israel wies dies zurück. Bei Luftangriffen wurden mehrere Pipelines sowie eine der drei Entsalzungsanlagen im Gazastreifen zerstört. Die beiden verbliebenen arbeiten nach Angaben von Hilfsorganisationen und Behörden weit unter Kapazität oder stehen zeitweise still.
Seit einigen Wochen ergreift Israel Maßnahmen zur Verbesserung der Lage. Über zwei der drei Pipelines von Mekorot wird Wasser in den Gazastreifen geliefert, und eine der Entsalzungsanlagen wurde wieder an das israelische Stromnetz angeschlossen, wie die stellvertretende Außenministerin Scharren Haskel der AP sagte.
Es fehlt an Hilfsgütern: Laut Welternährungsprogramm leiden 470.000 Menschen in Gaza unter extremem Hunger. Hilfsorganisationen berichten von einer verzweifelten humanitären Lage.26.07.2025 | 1:14 min
Die Wasserkrise hat weltweit nicht so einen großen Aufschrei ausgelöst wie die Beschränkungen für Nahrungsmittellieferungen in den Gazastreifen. Doch auch sie sei potenziell lebensbedrohlich, betont der Leiter des Wasserversorgers CMWU im Gazastreifen, Monther Schoblak:
Es ist offensichtlich, dass man ein paar Tage ohne Essen überleben kann, aber nicht ohne Wasser.
„
Monther Schoblak, Leiter des Wasserversorgers CMWU
Israel geht seit dem Terrorangriff der Hamas militärisch im Gazastreifen vor. Die humanitäre Lage dort spitzt sich zu. Netanjahu will den Einsatz nun ausweiten. Mehr im Blog.