Thema
Interview
Palästinenser protestieren:Experte: Proteste in Gaza haben "Sprengkraft"
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Proteste in Gaza gegen die Hamas sind selten. Nun gehen in dem Küstengebiet Hunderte gegen die Terrororganisation und den Krieg gegen Israel auf die Straße. Was das bedeutet.
Im Gazastreifen sind Hunderte Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen den Krieg mit Israel zu protestieren. Wie Augenzeugen berichteten, skandierten die überwiegend männlichen Demonstranten bei der Protestkundgebung in Beit Lahia im nördlichen Gazastreifen "Hamas raus" und "Hamas-Terroristen". Proteste gegen die Terrororganisation sind selten.
Bröckelt der Rückhalt für die Hamas in der Bevölkerung? Wie groß können die Proteste werden? Und könnte das der Beginn eines Aufstands gegen die Hamas sein? Nahost- und Militärexperte Sascha Bruchmann vom International Institut for Strategic Studies ordnet im Interview mit ZDFheute live die Proteste ein.
Sehen Sie das gesamte Interview oben im Video oder lesen Sie hier Auszüge. Das sagte Nahost-Experte Bruchmann zu ...
… den Protesten dieser Woche
Im Gazastreifen würden sich derzeit "zumindest Teile der Zivilbevölkerung gegen die Hamas wenden".
Es sind Proteste mit Sprengkraft.
Sascha Bruchmann, Nahost-Experte
Denn bisher sei immer die Rede davon gewesen, die militant-islamistische Hamas habe großen Rückhalt unter den Palästinenserinnen und Palästinensern.
Eine mögliche Begründung dafür, dass sich die Menschen nun auf die Straßen trauen, könnte sein, dass bei den israelischen Luftschlägen vergangene Woche auch zwei hochrangige Offiziere des Sicherheits- und Nachrichtendienstes getötet wurden.
Dieser sei für die interne Disziplin und die Bestrafung von Dissidenten zuständig. Diese Schwächung könne nun auch einen Teil dazu beigetragen haben, dass Proteste möglich werden.
… welche Rolle das Ende der Waffenruhe spielt
Die Menschen seien müde vom Krieg mit Israel. Das Ende der Waffenruhe vergangene Woche, habe die Hoffnungen auf Frieden zerstört, so Bruchmann. Die Zivilbevölkerung wisse genau, dass über die vergangenen zwei Monate verhandelt wurde und Optionen auf dem Tisch lagen. Umso größer sei nun die Enttäuschung darüber, dass kein Frieden geschlossen wurde.
Stattdessen habe die Hamas während der Waffenruhe sehr aktiv neue Soldaten rekrutiert, um ihre immensen Verluste auszugleichen. Aktuell verfüge die Hamas über rund 20.000 Kämpfer, diese seien allerdings komplett untrainiert.
Das heißt, quantitativ sind da wieder viele Hamas-Kämpfer vorhanden, aber qualitativ ist es keine schlagkräftige Armee.
Sascha Bruchmann, Nahost-Experte
Quelle: ZDF
... arbeitet am International Institut for Strategic Studies und analysiert dort militärische und sicherheitspolitische Angelegenheiten, einschließlich der Verteidigungsindustrie im Nahen Osten und Nordafrika.
… wie groß der Rückhalt für die Hamas in der Bevölkerung ist
Diese Frage sei nur schwer zu beantworten, da es sich bei der Hamas um ein totalitäres Regime handele, so Bruchmann. Von außen sei es in einem solchen System kaum zu beurteilen, ob die Hamas tatsächlich Rückhalt in der Bevölkerung hat, oder ob sich die Menschen "vor den Repressalien des Regimes" fürchten.
Immer wieder hätten Videos aus Hamas-Kreisen gezeigt, dass man sehr darum bemüht sei, Kontrolle über die Bevölkerung zu behalten - auch durch Gewalt. Es stelle sich nun aber die Frage, ob die Hamas dazu immer noch in der Lage sei. Sie sei qualitativ geschwächt und mit den neuen Angriffen Israels beschäftigt. Die Bevölkerung könne nun "in dieses Vakuum stoßen und diese Phase ausnutzen".
… ob die Proteste im Gazatreifen sich noch ausweiten könnten
Ob die Proteste überhaupt weitergehen können, hänge schon von vielen Faktoren ab, ganz besonders auch von den kommenden Angriffen der israelischen Armee. Dass sich tatsächlich eine politische Alternative zur Hamas im Gazastreifen aufbaut, sei aktuell nicht zu beobachten.
Demnach müsse sich aus dieser Protestbewegung heraus eine soziale und politische Organisation erst entwickeln. Die müsste sich dann weiter organisieren und institutionalisieren, so dass ein mögliches Machtvakuum im Gazastreifen gefüllt werden könne.
Der Krieg im Gazastreifen war durch den Überfall der Hamas und mit ihr verbündeter Palästinensergruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden, bei dem mehr als 1.210 Menschen getötet wurden (mehr zum Nahost-Konflikt).
Israel startete daraufhin einen großangelegten Militäreinsatz im Gazastreifen, bei dem nach Angaben der islamistischen Terrororganisation Hamas mehr als 50.000 Menschen getötet wurden. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Das Interview führte ZDFheute live-Moderator Philip Wortmann. Ausgewertet wurde es von heute-Redakteur Carsten Heckes.
Quelle: ZDF
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