Experte zur Zukunft nach Waffenruhe:Gibt es Chance auf dauerhaften Frieden in Gaza?
Langfristiger Frieden zwischen Israel und Palästinensern - das sei möglich, erklärt Historiker Meron Mendel. Die Voraussetzungen dafür nennt er im Interview mit ZDFheute live.
Die Freilassung der Geiseln aus dem Gazastreifen steht bevor. Wie der Friedensplan gelingen könnte, analysiert ZDFheute live mit dem Historiker Meron Mendel.
12.10.2025 | 11:09 minWaffenruhe zwischen Israel und Hamas, die israelischen Geiseln werden freigelassen: Zwei Jahre Krieg im Gazastreifen scheinen nun zu Ende zu gehen. Doch ein langfristiger Frieden ist damit noch nicht garantiert, erklärt Meron Mendel bei ZDFheute live. Er ist Historiker und Direktor der Anne-Frank-Bildungsstätte in Frankfurt.
Im Interview nennt er die Knackpunkte, an denen der Frieden scheitern könnte - aber auch, unter welchen Voraussetzungen er gelingen könnte.
Lesen Sie das Interview hier in Auszügen oder sehen Sie es oben in voller Länge.
Die Freilassung der noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln soll am Montag beginnen. Noch am selben Tag will sich US-Präsident Trump mit Angehörigen der Geiseln treffen.
12.10.2025 | 0:23 minGibt es Chance auf dauerhaften Frieden in Gaza?
Mit der aktuellen Waffenruhe erleben wir gerade eine "Zäsur", sagt Meron Mendel. Das bedeute aber nicht, "dass wir auf einem sicheren Weg zu dauerhaftem Frieden sind".
Der erste Rückzug der israelischen Armee und die Freilassung der Geiseln sowie palästinensischer Gefangener seien aber "Schritte, die uns sagen: Dieser Krieg ist vorbei." Ob die nächsten Schritte wie geplant funktionieren, sei aber noch offen.
Phase eins von Trumps Gaza-Plan läuft an: Die Freilassung der israelischen Geiseln soll kurz bevorstehen. Zeitgleich fordern Hilfsorganisationen freien Zugang zum Gazastreifen.
11.10.2025 | 2:11 minWoran könnte der Friedensplan scheitern?
Natürlich gebe es das Potenzial zum Scheitern, sagt Mendel. Das bedeute aber nicht, dass der Krieg direkt fortgesetzt wird. Scheitern könnte der Plan zum Beispiel, wenn der vorgesehene zweite Rückzug der israelischen Streitkräfte verzögert wird oder die Hamas die Friedenstruppe sowie die Entwaffnung nicht akzeptiert.
Für Meron liegt eine entscheidende Frage bei den Menschen im Gazastreifen: "Wird es innerhalb der palästinensischen Bevölkerung ein Gegengewicht zur Hamas geben?" Nicht nur von "außen installiert", sondern "von den Massen getragen".
Wenn ja, "dann sind wir auf einem guten Weg", sagt Mendel. "Wenn die Hamas weiterhin darauf insistiert, ihre Macht auszubauen" und wieder zur Situation vor dem Anschlag am 7. Oktober 2023 zurückzukehren, "dann ist der nächste Konflikt schon vorinstalliert".
Es braucht innerhalb der palästinensischen Bevölkerung eine politische Kraft, die eine andere Vision hat als die Hamas.
Meron Mendel, Historiker
Ob der Frieden durch Hardliner auf beiden Seiten gefährdet sein könnte? Dazu müsse man nur in die Vergangenheit blicken, sagt Mendel. Dort sehe man, dass alle Friedensbemühungen an einem gescheitert sind: "dem Widerstand der Fundamentalisten, der Radikalen - auf beiden Seiten, Hamas und auch israelische Rechtsradikale". Sie würden "alles tun, um es zum Scheitern zu bringen, die kriegerische Auseinandersetzung wieder zu provozieren".
Die Waffenruhe im Gazastreifen ist laut der israelischen Armee in Kraft getreten. ZDF-Korrespondent Thomas Reichart über die Stabilität der Waffenruhe.
10.10.2025 | 1:08 minWie können sich Palästinenser und Israelis in Zukunft wieder annähern?
Deshalb brauche es auch in der israelischen Bevölkerung die große Mehrheit, die ein Ende des Krieges fordert, damit die Fundamentalisten und Extremisten zurückgedrängt werden und Premierminister Benjamin Netanjahu dazu gezwungen wird, "den Weg der Verständigung, den Weg des Friedens weiterzugehen".
Für den Ausblick auf die Zukunft lohne ein Blick zurück: In den 90er Jahren gab es eine breite Mehrheit bei Palästinensern und Israelis für die Zwei-Staaten-Lösung - und damit eine reale, sichtbare Perspektive auf Frieden, so Mendel. Das fehle gerade. Wenn der durchschnittliche Mensch auf der Straße auf beiden Seiten die Alternativen zum Krieg sehe, dann gebe es auch Hoffnung für eine friedliche Lösung.
Zehntausende Menschen kehren in den Norden von Gaza zurück – und finden eine Trümmerlandschaft vor. Nach zwei Jahren Krieg benötigt die Bevölkerung dringend humanitäre Hilfe.
11.10.2025 | 1:38 minUnd die Zwei-Staaten-Lösung?
Die Zwei-Staaten-Lösung sei zu einem Symbol geworden, unter dem sich wenige etwas Konkretes vorstellen können. Sie bedeute nicht, dass der zukünftige palästinensische Staat ähnlich wie Israel, Frankreich oder Deutschland existiert.
Die Idee müsse man sich wie eine Garantie für eine eigene palästinensische Souveränität vorstellen, also zum Beispiel Flagge, Parlament, Polizei. "Es wird sehr wahrscheinlich keine palästinensische Luftwaffe oder Panzerbrigade geben", sagt Mendel, um typische Beispiele von Staatlichkeit zu nennen. Das sei aus israelischer Sicht untragbar.
Diese vage Vorstellung von einer Zwei-Staaten-Lösung sei die "einzige langfristige Lösung für diesen Konflikt".
Das Interview führte ZDFheute live-Moderator Christian Hoch. Zusammengefasst hat es ZDFheute-Redakteur Robert Meyer.