Verleihung des Julius-Hirsch-Preises:Erinnerung mit Haltung: DFB ehrt Mut gegen Rassismus
von Ralf Lorenzen
Der DFB hat in Hamburg den Julius Hirsch Preis verliehen und Menschen geehrt, die sich gegen Rassismus engagieren. Die Feier stand im Zeichen von Erinnerung und Zivilcourage.
Seit 20 Jahren wird er verliehen: Der Julius-Hirsch-Preis.
Quelle: dpa"Dies ist seit Jahrzenten ein Ort für Kunst, Lautstärke und Haltung, also der perfekte Ort für diesen Abend", begrüßte Moderator Bhezad Bohrani die 350 Gäste im Hamburger Kulturzentrum Fabrik. Statt für Rock- und Jazzgrößen aus aller Welt war dies am Donnerstagabend die Bühne für die 20. Verleihung des Julius-Hirsch-Preises - dem "wichtigsten Preis des DFB", wie Präsident Bernd Neuendorf sagte.
Wir haben mit dem Historiker Michael Wolffsohn über sein Buch "Nie wieder? Schon wieder! Alter und neuer Antisemitismus" gesprochen.
08.02.2024 | 11:41 minDrei jüdische Fußball-Größen bekommen eine Bühne
Wie eine Rockband standen drei in Lebensgröße dargestellte Größen der DFB-Geschichte auf der Bühne und wachten über das Geschehen. Walther Bensemann, Gründer des DFB und des Fachmagazins "Kicker" sowie die ehemaligen Nationalspieler Gottfried Fuchs und Julius Hirsch - alle drei waren Sportler jüdischen Glaubens, die der DFB und andere deutsche Sportverbände 1933 nach Machtübernahme der Nazis aus seinen Reihen ausschloss und der Verfolgung preisgab. Bensemann und Fuchs emigrierten, Julius Hirsch wurde 1943 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau umgebracht .
"Am 1. März 1943 habe ich meinen Vater Julius Hirsch zum Hauptbahnhof in Karlsruhe gebracht und von dort wurde er abtransportiert, in einem normalen Zugabteil. Es war eines der schrecklichsten Erlebnisse in meinem Leben. Es war ein strahlend schöner Tag."
Noch heute kann ich nicht begreifen, dass an diesem Tag die Sonne scheinen konnte.
Esther Hirsch, Tochter von Julius Hirsch
Diese Worte der 2012 gestorbenen Esther Hirsch wurden in der Fabrik von Schülerinnen der Hamburger Julius Hirsch-Schule verlesen.
Enge Zusammenarbeit mit der Familie von Julius Hirsch
Es hat lange gedauert, bis der DFB sich zu der Verantwortung bekannte, "die aus der beschämenden Geschichte des Verbandes zwischen 1933 bis 1945" (Bernd Neuendorf) erwächst. Eine der Aktionen, mit der er es heute tut, ist die jährliche Verleihung des Julius Hirsch-Preises. In dessen Jury vertritt seit einigen Jahren Julia Hirsch, die Urenkelin von Julius Hirsch, die Familie.
Fußball - das ist Adrenalin, Emotion und für viele Fans ihr allerliebstes Hobby. Doch immer häufiger gerät der Sport unter Druck von Extremen, vor allem aus dem rechten Spektrum.
24.11.2025 | 43:25 min"Für mich bedeutet der Preis, dass der DFB und die DFB-Kulturstiftung 20 Jahre professionell und sensibel mit dem Thema umgegangen sind, dass wir uns gut aufgehoben und gesehen gefühlt haben", sagte sie.
Ich wünsche mir vor allen, dass es nicht nur an den Angehörigen von Opferfamilien hängen bleibt, Verantwortung zu tragen und das Nie Wieder aufrecht zu erhalten, sondern wir sollten alle dafür kämpfen und mit täglicher Zivilcourage dafür einstehen.
Julia Hirsch, Urenkelin von Julius Hirsch
Aktiv in der Zivilgesellschaft: Impulse von Schülern
Wie viele gerade auch junge Menschen in ganz Deutschland sich täglich gegen Rassismus und Antisemitismus und für eine solidarische Gesellschaft engagieren - dafür zeigte dieser Abend zahlreiche Beispiele der ehemaligen und der aktuellen Preisträger.
Mit der Stiftung des Julius Hirsch Preises erinnert der Deutsche Fußball-Bund seit 2005 jährlich an den deutsch-jüdischen Nationalspieler Julius Hirsch (1892-1943) und an alle, insbesondere die jüdischen Opfer, des nationalsozialistischen Unrechtsstaates. Ausgezeichnet werden Personen, Initiativen und Vereine, die sich auf dem Fußballplatz, im Stadion, im Verein oder in der Gesellschaft beispielhaft und unübersehbar einsetzen:
- für die Unverletzbarkeit der Würde des Menschen und gegen Antisemitismus und Rassismus
- für Verständigung und gegen Ausgrenzung von Menschen
- für die Vielfalt aller Menschen und gegen Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit.
Über die Vergabe des Julius Hirsch Preises entscheidet eine zehnköpfige Jury:
- Otto Addo - Nationaltrainer Ghanas und Gründer der Initiative "ROOTS - Against Racism in Sport
- Dunja Hayali - ZDF-Moderatorin
- Julia Hirsch - Ur-Enkelin von Julius Hirsch
- Dr. h. c. mult. Charlotte Knobloch - ehemalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland
- Dr. Marc Lenz - Geschäftsführer der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH
- Bernd Neuendorf (Vorsitz) - DFB-Präsident
- Angelika Ribler - Diplom-Psychologin, Sportwissenschaftlerin und Ehrenpreisträgerin des Julius Hirsch Preises von 2010
- Célia Šašić - DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität
- Eberhard Schulz -Sprecher der Initiative "!Nie wieder"
- Thomas Weikert - DOSB-Präsident
Der 1. Preis geht an den Seminarkurs der 11. Klasse des Ludwig-Marum-Gymnasiums Pfinztal. Die Schüler*innen haben die "Julius-Hirsch-Event-Box" entwickelt, die praxiserprobte Veranstaltungsformate, von Fußballturnieren über Theaterprojekte bis hin zu öffentlichen Präsentationen enthält, die - verbunden mit der Vita von Julius Hirsch - praktische Anregungen für Aktivitäten gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung geben.
Die "Nordstadtliga Dortmund" als 2. Preisträger spricht seit mehr als zwei Jahrzehnten Kinder und Jugendliche im sozialen Brennpunkt der Dortmunder Nordstadt an, die durch klassische Bildungs- und Vereinsstrukturen kaum erreicht werden. Während die "Nordstadtliga Queens" sich gezielt an Mädchen richten, erinnert der Mehmet-Kubaşık-Cup an den 2006 vom NSU ermordeten Dortmunder Kioskbesitzer.
Der Gewinner des 3. Preises ist der FC Mainaustrasse aus München. Der Verein wurde ursprünglich gegründet in einer Geflüchteteneinrichtung gegründet und ist heute ein eingetragener Fußballklub im regulären Spielbetrieb des Bayerischen Fußball-Verbandes. Der Verein unterstützt seine Mitglieder aus unterschiedlichen Herkunftsländern bei Behördengängen, Wohnungssuche, Ausbildungen oder der Integration ins Ehrenamt.
(Quelle: DFB)
So präsentierten Schüler*innen des Ludwig-Marum-Gymnasiums in Pfinztal die von Ihnen entwickelte "Julius-Hirsch-Event-Box", die zahlreiche spielerische Anregungen enthält, sich mit der Vita von Julius Hirsch zu beschäftigen und in der Zivilgesellschaft aktiv zu werden.
Tochter eines NSU-Opfers: Bewegende Videobotschaft
Besonders berührend war der Moment, als eine Videobotschaft von Gamze Kubaşık verlesen wurde, der Tochter des 2006 vom NSU ermordeten Dortmunder Kioskbesitzers Mehmet Kubaşık. Sie dankte dem Gewinner des 2. Preises, der Dortmunder Nordstadtliga, die Kinder und Jugendlichen in Dortmunds sozialem Brennpunkt gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.
Nach langen Ermittlungen musste sich heute eine Helferin des "Nationalsozialistischen Untergrunds" vor Gericht verantworten. Das Netzwerk verübte Morde, Anschläge und Überfälle.
06.11.2025 | 1:35 min"Eines der Projekte (der Nordstadtliga, die Redaktion) ist der Mehmet-Cup, der an meinen Vater erinnert und ein wichtiges Zeichen gegen Rassismus und rechter Gewalt setzt", sagte Kubaşık. "Dass dieser Einsatz heute mit dem Julius Hirsch-Preis geehrt wird, bedeutet mir persönlich sehr viel."
Wie die Familie Hirsch war auch die Familie Kubasik von vornherein eng mit allen Aktivitäten verbunden, die an die Ermordung ihres Vorfahren erinnern. "Eine Analogie alter und neuer deutscher Geschichte - unter dem Dach einer Erinnerungskultur, die nach vorne gerichtet ist", nannte Moderator Bohrani dies.
Sie wollen über Sport stets auf dem Laufenden bleiben? Dann ist unser sportstudio-WhatsApp-Channel genau das Richtige für Sie. Egal ob morgens zum Kaffee, mittags zum Lunch oder zum Feierabend - erhalten Sie die wichtigsten News direkt auf Ihr Smartphone. Melden Sie sich hier ganz einfach für unseren WhatsApp-Channel an: sportstudio-WhatsApp-Channel.