Ein Monat vor dem Start: EM-Begeisterung auf Sparflamme

Ein Monat vor dem Start:EM-Begeisterung auf Sparflamme

von Frank Hellmann
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Ein Monat vor dem Startschuss in die Fußball-Europameisterschaft ist vom Turnier immer noch wenig zu sehen und zu hören. Schon jetzt ist eine Chance verpasst worden.

Maskottchen der Europameisterschaft 2024
Pokal, Ball und Maskottchen sind bereit, nur an der Stimmung fehlt's noch ein bisschen.
Quelle: Imago

Immerhin: Wer beim Discounter Lidl seine Einkäufe erledigt, kommt an der Fußball-EM in Deutschland (14. Juni bis 14. Juli) nicht mehr vorbei. In Filialen und an Parkplätzen hängen großformatige Plakate, in denen die Verlosung von 10.000 EM-Tickets beworben wird.
Abgesehen von solchen Aktionen: Ist eigentlich schon in den Köpfen, dass in einem Monat das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Schottland in München steigt? Wird wirklich darüber geredet, dass sich in einer Gruppe Frankreich, Niederlande, Polen und Österreich ums Weiterkommen streiten?
Österreichs Teamchef Ralf Rangnick war tagelang in den Schlagzeilen, weil er dem FC Bayern abgesagt hat - nicht, weil er bei der EM das nächste Projekt angeht.

Auch Lahm und Šašić müssen noch trommeln

Irgendwie scheint sich Deutschland mit seiner zweiten EM-Ausrichtung nach 1988 überspitzt formuliert wie bei den drei Affen zu verhalten: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Wer in Paris unterwegs ist, erlebt das Kontrastprogramm: An den Olympischen Sommerspielen (26. Juli bis 11. August) kommt bereits niemand mehr vorbei.
Zwar laufen auch hierzulande erste Werbespots in Radio und Fernsehen an, aber abseits davon: Weder Turnierchef Philipp Lahm noch Botschafterin Célia Šašić und erst recht nicht der DFB haben es bisher geschafft, die bestenfalls auf Sparflamme köchelnde EM-Begeisterung wirklich zu befeuern.

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Julian Nagelsmann
mit Video
Der Vergleich muss ungeachtet der obskuren Zahlungsflüsse rund ums Sommermärchen sein: Die WM 2006 und ihr Chef-Organisator Franz Beckenbauer wirkten einst deutlich präsenter. Aleksander Čeferin, Präsident der Europäischen Fußball-Union (UEFA), hält im DFB-Journal fest:

Deutschland eilt der Ruf voraus, präzise, pünktlich, effizient und sorgfältig zu arbeiten - deshalb ist das Land der perfekte Ausrichter für einen solch prestigeträchtigen Anlass.

UEFA-Präsident Aleksander Čeferin

Doch wie authentisch sind solche Beiträge? Wer wie das britische Boulevardblatt "Sun" wirklich den Gastgeber Germany in Augenschein nimmt, stellt im Frankfurter Bahnhofsviertel in der Tat höchst Besorgnis erregende Zustände fest - hier will und darf eigentlich kein EM-Tourist wohnen.

Weltpolitische Lage drückt auf die Stimmung

Aber es sind gar nicht solche Details, die auf die Stimmung drücken. Die explosive Lage in der Weltpolitik mit dem Ukraine-Krieg und dem Israel-Gaza-Konflikt sorgt für ein ungutes Gefühl.
Die Furcht geht um, dass ähnlich wie bei den Olympischen Spielen 1972 in München ein Terroranschlag schlagartig alles konterkartiert, was der Fußball an völkerverbindender Wirkung entfaltet.

Bundesregierung mit überschaubarem Tatendrang

Hinzu kommt eine Bundesregierung, die nicht gerade durch Tatendrang für dieses große Sportereignis aufgefallen ist. Als die EM-Organisatoren vor Jahren mal in Berlin vorstellig wurden, ob wichtige Verkehrsachsen wie die A3 mit den Dauerbaustellen um Nürnberg oder die Sperrung der A45 bei Lüdenscheid vielleicht zum Turnier beseitigt werden könnten, setzte es ein mitleidiges Lächeln.
Deutschlands Maximilian Mittelstädt (2.v.l.) jubelt nach seinem Tor zum 1:1 mit den Teamgefährten Antonio Rüdiger (l), Joshua Kimmich (2.v.r.) und Jonathan Tah.
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat auch den zweiten großen EM-Test bestanden. Das DFB-Team präsentierte sich in starker Form und bezwang die Niederlande mit 2:1. 27.03.2024 | 2:59 min
Das war vor der WM 2006 anders: Neben den Steuermillionen für die WM-Stadien wurde beispielsweise der Ausbau der A63 von Mainz nach Kaiserslautern auf den Weg gebracht.

Das Mobilitätskonzept steht und fällt mit der Bahn

Die Chance, mit diesem Fußballturnier die marode Verkehrsinfrastruktur umfassend zu modernisieren, ist längst dahin. Markus Stenger, Geschäftsführer der EURO 2024 GmbH, eine Tochtergesellschaft von UEFA und DFB, nannte Deutschland auf offener Bühne ein "Bürokratiemonster" und sagte:

Die Regierung nutzt zum Teil die Euro nicht genug - da bin ich ehrlich.

Markus Stenger, Geschäftsführer EURO 2024 GmbH

Da hat einer eben auch Sorge, ob die schönen Mobilitätskonzepte mit der Deutschen Bahn funktionieren, wo doch jeder dritte Fernzug nicht mehr pünktlich fährt.

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Rückschau auf WM 2006 lohnt

Dabei muss man nur zurückschauen, was die WM 2006 gebracht hat. Im offiziellen Abschlussbericht der Bundesregierung hieß es damals: "Ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer, in dem friedlich und fröhlich Fans aus aller Welt sozusagen schwammen und eine Riesen-Party feierten. Die WM war auch vor diesem Hintergrund eine Integrationsveranstaltung, wie man sie schöner und wirkungsvoller nicht hätte erfinden können."
Irgendwie wünschenswert, wenn Ähnliches auch nach der EM 2024 irgendwo nachzulesen wäre.

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