Nahost-Experten für Kurswechsel in deutscher Israel-Politik

Wegen Lage im Gazastreifen:Nahost-Experten für Wende bei deutscher Israel-Politik

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Über 100 Nahost-Experten fordern wegen Israels Gaza-Krieg einen Kurswechsel der deutschen Politik. Das Vorgehen sei mit Deutschlands historischer Verantwortung nicht vereinbar.

Palästinenser durchsuchen am 15. September 2025 die Trümmer des al-Ghafari-Turms nach dessen Zerstörung durch israelische Luftangriffe in Gaza-Stadt.

Mehr als 100 Fachleute aus Wissenschaft, Politik und Diplomatie fordern einen Kurswechsel Deutschlands in der Nahost-Politik (Symbolfoto).

Quelle: AFP

Angesichts der dramatischen Lage im Gazastreifen hat eine Gruppe von Nahost-Experten eine grundlegende Neuausrichtung der deutschen Israel-Politik gefordert, die dem internationalen Recht gerecht werden und zugleich die historische Verantwortung Deutschlands angemessen berücksichtigen müsse.

Aus Deutschlands historischer Verantwortung für Israel infolge des Holocaust dürfe nicht die uneingeschränkte Unterstützung der israelischen Regierung folgen, heißt es in einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Titel "Jenseits der Staatsraison" von mehr als 100 Nahost-Experten, das am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Die Experten forderten eine "Neuausrichtung der Staatsräson".

Rapper Massiv nimmt an der Demonstration «All Eyes on Gaza - Stoppt den Genozid» am großen Stern teil, während er auf der Bühne singt. Die Demo wird von der Palästinensischen Gemeinde Deutschland, Eye4Palestine, Medico international und Amnesty International, veranstaltet.

Zehntausende protestieren in Berlin: Sie wollen unter anderem einen Stopp der Waffenexporte nach Israel und werfen der Bundesregierung eine "Komplizenschaft" im Gaza-Krieg vor.

27.09.2025 | 2:13 min

Welche Experten zählen zu den Unterzeichnern?

Die Leitlinie mit der "Staatsräson" hat dem Papier zufolge "die Unterstützung für die israelische Regierung über die rechtlichen und moralischen Verpflichtungen Deutschlands, über nationale und europäische Interessen, die Grundrechte der Palästinenser, das Schicksal der israelischen Geiseln und regionale Friedensbemühungen gestellt".

Zu den Unterzeichnern des Positionspapiers zählen der ehemalige EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der Nahost-Experte Daniel Gerlach sowie der ehemalige israelische Parlamentspräsident Avraham Burg. Federführend verfasst wurde der Aufruf von Asseburg und dem Diplomaten Philip Holzapfel. Die Unterzeichnerin des Papiers und Politologin Muriel Asseburg sagte:

Die aus der Schoa erwachsene Verantwortung gilt in erster Linie gegenüber Jüdinnen und Juden, nicht gegenüber einer Regierung.

Muriel Asseburg, Politologin

Es gelte genauso, "das Völkerrecht zu wahren und die Menschenrechte ohne Diskriminierung zu schützen", heißt es in dem Papier. 

ISRAEL-PALESTINIAN-CONFLICT

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Experten fordern Importverbot für Siedlungsprodukte

Dies sei ebenfalls "eine moralische Lehre aus unserer Geschichte", erläuterte Schwarz. Der Leitsatz "Nie Wieder" müsse als "universelles Prinzip" verstanden werden, "dass Deutschland eine herausgehobene Verantwortung aufgrund seiner Geschichte für den Einsatz für Menschenrechte, das Völkerrecht und Völkerstrafrecht hat", fügte Asseburg hinzu. 

Benjamin Netanjahu und Donald Trump

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Die Experten stellten eine ganze Reihe von Forderungen an die Bundesregierung, von innenpolitischen Entscheidungen über das Völkerrecht bis hin zur Erinnerungskultur. So solle Berlin für eine "unverzügliche Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel" sowie für ein "EU-Importverbot für israelische Siedlungsprodukte" eintreten.

Darüber hinaus müsse ein "sofortiges und umfassendes Ausfuhrverbot für alle Waffen und dual-use Güter gegenüber Israel" eingeführt werden.

Ein Schiff der Global Sumud Flottille.

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Palästinenserstaat anerkennen und UNRWA unterstützen

Der Initiative mehrerer westlicher Staaten, darunter Frankreichs und Großbritanniens, zu einer Umsetzung der Zweistaatenlösung sollte sich Deutschland den Experten zufolge anschließen und einen palästinensischen Staat innerhalb der Grenzen von 1967 anerkennen. Die Bundesregierung solle zudem ihre finanzielle Unterstützung des UN-Palästinenserhilfswerks (UNRWA) ausbauen und für einen Schutz von UN-Mitarbeitern und Journalisten im Gazastreifen eintreten.

Auch innerhalb Deutschlands fordern die Experten ein Umdenken. Das beinhalte die Aufhebung der Einstufung der Bewegung Boycott, Divestment and Sanctions (BDS - deutsch: Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) als verfassungsfeindlich durch den Verfassungsschutz.

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