Konjunktur: Frühjahrsgutachten - Marktausblick mit Gewicht
Sachverständigenrat:Frühjahrsgutachten: Marktausblick mit Gewicht
von Frank Bethmann
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Rezession, Mini-Wachstum? Es gibt einige Prognosen, die einen Konjunktur-Ausblick geben. Wie aber grenzt sich in der Flut der Prognosen das Gutachten des Sachverständigenrates ab?
Deutschlands Wirtschaft stagniert voraussichtlich auch in diesem Jahr. (Symbolbild)
Quelle: dpa
Wirtschaftsvorhersagen, die gibt es beinahe wie Sand am Meer. "In Deutschland gibt es ständig neue Konjunktur-Updates", bestätigt Ulrike Malmendier, die mit insgesamt vier weiteren Wissenschaftlern zweimal im Jahr eine Prognose abgibt: Das Jahresgutachten, eher zum Ende des Jahres, und jetzt das Frühjahrsgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wie es offiziell heißt. Umgangssprachlich ist es die Konjunkturprognose der "fünf Wirtschaftsweisen".
Es ist eines der wichtigsten Gutachten, sagt Martin Lück, Geschäftsführer von Macro Monkey und inzwischen seit über 40 Jahren in der Finanzindustrie tätig. Politisch neutral sei das Gremium und würde eng zusammenarbeiten mit wichtigen Einrichtungen wie dem Statistischen Bundesamt.
Diese Kombination aus wissenschaftlicher Verpflichtung und professioneller Vernetzung verschafft dem Gutachten große Autorität.
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Martin Lück, Geschäftsführer von Macro Monkey
Zeichen stehen auf Nullwachstum
Von den gängigen Prognosen anderer Institute und Einrichtungen dürften aber wohl auch die Wirtschaftsweisen nicht abweichen. Die Zeichen stehen auf Nullwachstum in diesem Jahr. Zuletzt rechneten die Wirtschaftsweisen noch mit einem Plus von 0,4 Prozent. Doch selbst dieses Miniwachstum dürften sie nun kassieren und sich dem allgemeinen Konsens anschließen: Deutschlands Wirtschaft stagniert voraussichtlich in diesem Jahr.
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Und im kommenden? Da ist vielleicht wieder etwas mehr drin, ein marginales Wachstum von bis zu 1,0 Prozent. Das wird aber zentral davon abhängen, ob es der neuen Bundesregierung gelingt, die Mittel aus dem jüngst beschlossenen Finanzpaket wachstumsfördernd einzusetzen.
Auf diese Frage konzentrieren sich die Wirtschaftsweisen im diesjährigen Frühjahrsgutachten ganz besonders. Und darauf, wie der Abbau überflüssiger Bürokratie beschleunigt werden kann.
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Umso mehr dürfte von Interesse sein, welche Empfehlungen der Sachverständigenrat geben wird, der 1963 immerhin mit dem Auftrag gegründet wurde, Politik und Öffentlichkeit bei der ökonomischen "Urteilsbildung" zu helfen.
"Aufklärung und Beratung gerade in Krisenzeiten ist die ureigenste Aufgabe des Gutachtens", weswegen derzeit der Frühjahrsprognose besondere Bedeutung zukäme, so Lück. Wobei er lang genug im Geschäft ist, um zu wissen:
Jede Bundesregierung hat ihre eigenen Ideen und Fachleute. Dass sie ihre Politik ausschließlich an dem Gutachten orientiert, wäre daher eine naive Annahme.
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Martin Lück, Geschäftsführer von Macro Monkey
Was von der Expertise fließt in Haushaltspläne ein?
Auf wie viel Expertise lässt sich die neue Bundesregierung also ein? Gut möglich, dass sich der neue Finanzminister das Frühjahrsgutachten mit besonderem Interesse anschauen wird. Lars Klingbeil (SPD), erst wenige Wochen im Amt, steht vor herausfordernden Aufgaben. Nach der Steuerschätzung ist vor den Haushaltsplänen. Sowohl der für dieses Jahr als auch der für 2026 sollen noch vor der Sommerpause verabschiedet werden.
Hilfreich sind da möglichst genaue und konkrete Vorhersagen, so wie sie die Wirtschaftsweisen liefern, zweimal im Jahr - aber eben auch zahlreiche andere Einrichtungen und Institutionen.
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Zu viele Gutachten - fehlende Klarheit
Ulrike Malmendier, die seit 2005 in Kalifornien an der Universität in Berkeley lehrt, wundert sich: "In den USA gibt es das so nicht und auch in anderen europäischen Ländern längst nicht so stark."
Die 51-Jährige, seit 2022 im Sachverständigenrat, spricht gerne von einer Überinterpretation, insbesondere bei kurzfristigen Konjunkturprognosen:
Und ich würde mir wünschen, dass einige von den vielen schlauen Leuten, die an den Prognosen in den Instituten arbeiten, ihre Expertise mehr für langfristige Einschätzungen und Lösungen der strukturellen Probleme einsetzen.
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Ulrike Malmendier, Professorin für Finanzmarktökonomik
Eine deutlichere Abgrenzung also, für mehr Klarheit.
Unter Umständen könnte dadurch auch die Öffentlichkeit besser einordnen, welche Vorhersage wirklich wichtig ist und welche Aussagekraft sie hat.
Frank Bethmann ist Redakteur in der ZDF-Börsenredaktion.