Wirtschaftsstandort Deutschland: Weniger Auslandsinvestitionen

"Alarmsignal":Standort Deutschland verliert an Attraktivität

von Valerie Haller
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Ausländische Firmen investieren in Deutschland so wenig wie lange nicht. Vor allem amerikanische Unternehmen ziehen sich zurück. Woran das liegt und was helfen könnte.

Sachsen-Anhalt, Magdeburg: Bagger stehen am frühen Morgen auf dem Baugelände, auf dem der Chiphersteller Intel eine Chipfabrik errichten will.
Deutschland verliert als Wirtschaftsstandort immer mehr an Attraktivität für ausländische Investitionen.
Quelle: dpa

Deutschland wird abgehängt. Diese bittere Bilanz zieht die Unternehmensberatung EY in einer neuen Studie. Demnach fließt immer weniger ausländisches Kapital nach Deutschland. Um 17 Prozent ist die Zahl der Projekte 2024 im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Der siebte Rückgang in Folge. Der Vorsitzende der EY-Geschäftsführung Henrik Ahlers sagt:

Das ist ein weiteres Alarmsignal für den Standort Deutschland.

Henrik Ahlers, EY

Und das geht schon seit Jahren so. Im Vergleich zum Rekordjahr 2017 ist die Zahl der Investitionen sogar um 46 Prozent zurückgegangen. Kein anderer größerer europäischer Standort verzeichne einen derart starken Rückgang, meint Ahlers.
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Eine Vielzahl von Gründen

Aus Sicht von EY hat Deutschland massiv an Attraktivität eingebüßt. "Während andere europäische Länder ihre Hausaufgaben gemacht haben und beispielsweise die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung vorangetrieben und an ihrer Willkommenskultur für Unternehmen gearbeitet haben, verliert Deutschland an Boden", meint Ahlers.
Es seien dieselben Themen, die seit Jahren beklagt würden: die hohe Steuerbelastung, hohe Arbeitskosten, teure Energie und eine lähmende Bürokratie. Hinzu käme nun auch eine nachhaltig schwächelnde Konjunktur.
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Ausländisches Engagement ist wichtig

Die Investitionen von ausländischen Unternehmen sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für Deutschland. Beispiel Amazon: Der amerikanische Konzern steckt fast 9 Milliarden Euro in seine Cloud-Infrastruktur im Rhein-Main-Gebiet. Weitere 1,2 Milliarden Euro gehen in Logistik, Robotik und Firmenzentralen. 4.000 Stellen sind vergangenes Jahr dazu gekommen.
Oder Apple. Der High-Tech-Riese investiert Milliarden in seine Münchener Standorte, unter anderem in ein Gebäude für Chipentwicklung und einen Campus für tausende Ingenieurinnen und Ingenieure.
Doch besonders amerikanische Unternehmen ziehen sich zurück, laut EY um 27 Prozent im vergangenen Jahr. Prominentes Beispiel: Intel. Der Chiphersteller hat sein geplantes Projekt in Magdeburg auf Eis gelegt - ein 30 Milliarden Euro teures Werk.
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Simone Menne, Präsidentin der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland meint, Deutschland sei wichtig für US-Unternehmen: "Dennoch beklagen auch sie seit Jahren, dass im internationalen Vergleich die Energiepreise, die Steuerlast, der Verwaltungsaufwand, der Zustand der Infrastruktur und andere Faktoren die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands massiv schwächen."
Konkurrenz bekommt der Standort Deutschland auch durch den "Inflation Reduction Act", ein riesiges Subventionspaket, das noch unter der Regierung von Präsident Joe Biden geschnürt wurde. Bei Investitionen in den USA gewährt es große Steuergutschriften.
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Experte: Deutschland nicht mehr Standardziel

Doch das erklärt den Schwund nur zum Teil. In anderen europäischen Ländern war der Rückgang amerikanischer Investitionen weit weniger ausgeprägt als in Deutschland. "Heute sind Länder wie Spanien und Portugal wirklich wettbewerbsfähig geworden - sie kombinieren Talent, Offenheit für Investitionen aus dem Ausland, und einen flexibleren Regulierungsansatz beispielsweise durch leichtere Visavergabe," meint Professor Serden Ozcan an der WHU.
Deutschland sei nicht mehr das Standardziel für internationale Investitionen. Für ihn signalisiert der Rückgang der Investitionen etwas Grundlegenderes: "Eine potenzielle Erosion des internationalen Vertrauens in die Wettbewerbsfähigkeit und das Zukunftspotenzial Deutschlands."
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Hoffen auf Investitionspaket

Die neue Regierung will den Standort mit einem milliardenschweren Investitionspaket stärken. Auch die Digitalisierung soll vorangetrieben werden. An Hausaufgaben mangelt es der schwarz-roten Koalition nicht. Aus Sicht der Wirtschaft muss sie sich nun aber auch dransetzen.
Valerie Haller ist Redakteurin im ZDF-Team Wirtschaft und Finanzen.

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