Ribera rügt Israel:EU-Kommission distanziert sich von Genozid-Aussage
Mit dem Vorwurf eines "Völkermords im Gazastreifen" hat EU-Kommissarin Teresa Ribera für Unmut gesorgt. Israel ist verärgert, die EU-Kommission distanziert sich von der Aussage.
EU-Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera hat Israel wegen des Kriegs im Gazastreifen Völkermord vorgeworfen. (Archivbild)
Quelle: APDie EU-Kommission unter der Leitung von Ursula von der Leyen wird im Zusammenhang mit Israels militärischem Vorgehen im Gazastreifen vorerst nicht von Völkermord sprechen.
Eine Sprecherin betonte in Brüssel, dass Vizepräsidentin Teresa Ribera am Donnerstag bei einer Rede in Paris nicht im Namen der Brüsseler Institution sprach, als sie das Wort Genozid gebrauchte. Es gebe zu der Völkermord-Frage keine Position der EU-Kommission, sagte sie.
Ribera: "Genozid in Gaza" entlarvt "Europas Versagen"
Die Spanierin Ribera hatte am Donnerstag in einer Rede in der Pariser Eliteuniversität Sciences Po gesagt, der "Genozid in Gaza" entlarve "Europas Versagen", gemeinsam zu handeln und mit einer Stimme zu sprechen.
Der Völkermord im Gazastreifen zeigt, dass Europa nicht mit einer Stimme spricht und handelt.
Teresa Ribera, EU-Wettbewerbskommissarin
Mit den Äußerungen zur Handlungsunfähigkeit der EU spielte Ribera darauf an, dass sich die EU-Staaten trotz der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen bislang nicht auf eine von der EU-Kommission vorgeschlagene Strafmaßnahme gegen Israel verständigen konnten. Diese sieht eine Einstellung von Zusammenarbeit im Rahmen des Forschungsförderungsprogramms Horizon Europe vor.
Kommissionssprecher: Einstufung ist Sache der Gerichte
Es war das erste Mal, dass ein Mitglied der EU-Kommission öffentlich dieses Wort im Zusammenhang mit dem Krieg im Gazastreifen verwendet hat. Ribera ist auch Vizepräsidentin der EU-Kommission.
Die israelische Armee hat bestätigt, dass die Leichen zweier Geiseln nach Israel gebracht wurden. Zugleich wurde Gaza-Stadt zum Kampfgebiet erklärt und die Feuerpause beendet.
30.08.2025 | 0:23 minKommissionssprecher Anouar El Anouni sagte, die Feststellung, "ob internationale Verbrechen, einschließlich Völkermord, begangen wurden, liegt in der Zuständigkeit der nationalen Gerichte sowie der internationalen Gerichte und Strafverfolgungsbehörden". Eine solche Einstufung "erfordert die ordnungsgemäße Feststellung des Sachverhalts und eine rechtliche Beurteilung".
Wegen des militärischen Vorgehens im Gazastreifen wird gegen Israel immer wieder der schwerwiegende Vorwurf des Genozids - zu Deutsch "Völkermord" - erhoben. Das "Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes"der Vereinten Nationen (UN) bezeichnet damit die gezielte Verfolgung von Bevölkerungsgruppen, die sich durch Sprache, Religion und Tradition von anderen unterscheiden - mit dem Ziel, diese Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören.
Dazu gehören neben Tötungen auch Maßnahmen, die schweren körperlichen oder seelischen Schaden anrichten, genauso wie die Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die zu körperlicher Zerstörung führen können. Die UN-Konvention ordnet dem Völkermord auch zu, wenn gezielt Geburten verhindert oder Kinder verschleppt werden.
Auch wenn der Begriff Völkermord an millionenfaches Morden erinnert, spielt die Zahl der Opfer laut UN-Konvention keine Rolle. Mit der Ratifizierung haben sich die UN-Mitglieder verpflichtet, Verbrechen dieser Art zu verhüten und zu bestrafen. Die Konvention trat 1951 als Folge des von Nazi-Deutschland ausgehenden Holocausts in Kraft, dem unter anderem bis zu sechs Millionen Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen.
Der Hamas-Terrorangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 mit rund 1.200 Toten und mehr als 250 verschleppten Geiseln stellt für viele Rechtsexperten weltweit "höchstwahrscheinlich ein internationales Verbrechen des Völkermordes dar". Mord, Folter, Vergewaltigung, Verstümmelung von Leichen sowie die Entführung von Zivilisten seien Kriegsverbrechen.
Das Massaker war der Auslöser des Gaza-Krieges. Seither wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen mehr als 64.500 Palästinenser in dem dicht besiedelten Küstengebiet getötet. Die unabhängig kaum überprüfbare Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
Südafrika hat gegen Israel wegen des Vorwurfs, im Gazastreifen gegen die Völkermordkonvention zu verstoßen, Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingereicht. In zwei Eilentscheidungen verpflichteten die obersten UN-Richter Israel bereits, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern und humanitäre Hilfe zuzulassen. Südafrika fordert jedoch, dass die Richter den Abzug Israels aus dem Gazastreifen anordnen. Dieser Forderung entsprach das Gericht bislang nicht. Das Hauptverfahren zum Völkermordvorwurf wird sich über Jahre hinziehen. Israel weist den Vorwurf eines Genozids an den Palästinensern zurück.
Quelle: dpa
Israelische Regierung verurteilt Äußerungen
In Israel löste Ribera mit ihrer Äußerung Empörung aus. Ein Sprecher von Israels Außenministerium wies die Äußerung als haltlos und inakzeptabel zurück und warf Ribera vor, sich "zum Sprachrohr der Hamas-Propaganda" gemacht zu haben.
Die EU-Kommissarin hätte besser "die Freilassung aller Geiseln" und das Niederlegen der Waffen durch die Hamas fordern sollen, "damit dieser Krieg aufhören kann", schrieb Außenamtssprecher Oren Marmorstein im Onlinedienst X.
Der Nahost-Konflikt begleitet die Vereinten Nationen seit ihrer Gründung. In der Geschichte gab es bereits Bemühungen, den Konflikt durch eine Zweistaatenlösung beizulegen.
03.09.2025 | 1:19 minIsrael verteidigt sein Vorgehen hingegen als notwendige Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas und anderer Extremisten vom 7. Oktober 2023. Das Land verlangt eine Freilassung aller in den Gazastreifen verschleppten Geiseln. Ein weiteres Ziel ist, die Terrororganisation Hamas zu entmachten und zu entwaffnen.
Als Reaktion auf den Hamas-Überfall geht Israel militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden laut Hamas-Behörden bislang über 64.000 Menschen getötet.