Wird Putin durch den Krieg zwischen Israel und Iran geschwächt?

Interview

Russlands Rolle im Nahost-Krieg:Putins "Joker aus der Hand geschlagen"

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Israels Schlag gegen Iran bringt auch Moskau in Bedrängnis. Ein Experte erklärt, warum Putin den Mullahs wohl nicht zu Hilfe eilen wird – und welche Folgen das für Russland hat.

Politikwissenschaftler Maxmilian Terhalle im Interview mit ZDFheute live
Der Einsatz militärischer Gewalt bedeute nicht immer nur Eskalation, so Politikwissenschaftler Terhalle. Hier verhindere Israel eine Nuklearmacht im Mittleren Osten.16.06.2025 | 22:36 min
Israels Angriff auf Iran trifft einen der wichtigsten Verbündeten Russlands. Teheran liefert Waffen für Moskaus Krieg in der Ukraine - fällt der Iran aus, wäre das ein herber Rückschlag für Wladimir Putin.
Wird Putin durch den Krieg in Nahost gestärkt oder geschwächt? Und wird er Iran zu Hilfe eilen? Darüber spricht ZDFheute live mit dem Politikwissenschaftler Maximilian Terhalle, einem Gastforscher an der Universität Stanford.
Sehen Sie das Gespräch mit dem Experten Terhalle in voller Länge oben im Video und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagt er zu...

... den Auswirkungen des Nahost-Kriegs auf Putin:

Für Maximilian Terhalle ist die Eskalation zwischen Israel und Iran kein geopolitischer Vorteil für Russland. Im Gegenteil:

Ich sehe Putin weniger gestärkt als vielmehr geschwächt.

Maximilian Terhalle, Politikwissenschaftler und Gastforscher an der Universität Stanford

Besonders bedeutsam sei, dass Wladimir Putin damit eine strategische Karte verloren habe: Moskau habe immer wieder versucht, die USA mit dem Iran-Thema von der Ukraine "wegzulocken" - etwa mit dem Versprechen, bei der Lösung der Nuklearfrage zu helfen.
Elmar Theveßen in Kanada und Armin Coerper in Russland im Interview mit ZDFheute live
Für eine Feuerpause müssten die USA den Druck auf Israel und Iran erhöhen. In Russland werde die Eskalation als Chance gesehen, so die ZDF-Korrespondenten Theveßen und Coerper. 16.06.2025 | 8:28 min
Das sollte Washington, so Terhalle, ein Angebot machen: Abstand von der Ukraine nehmen, dafür Aussicht auf eine Lösung im Iran und womöglich ein außenpolitischer Erfolg für den US-Präsidenten.
"Doch dieser Joker ist jetzt Wladimir Putin aus der Hand geschlagen worden von den Israelis" - und mit ihm ein geopolitisches Druckmittel, das sich nicht mehr reaktivieren lasse.

... den militärischen Folgen für Russland:

Auch militärisch habe der Ukraine-Krieg für Russland eine neue Komplikation erfahren: "Die Iraner haben den Russen sehr große Mengen an Drohnen geschickt - die sogenannten Shahed-Drohnen."
Diese seien "im Wesentlichen im Iran gebaut und bekommen auch Teile, Antriebssysteme aus China". Die Drohnen hätten den Russen "auf dem taktischen Schlachtfeld in der Ukraine sehr, sehr geholfen".

Doch nun fällt diese Quelle weg, weil die Iraner natürlich sagen: Das brauchen wir jetzt selber für unsere eigene Verteidigung.

Maximilian Terhalle, Politikwissenschaftler und Gastforscher an der Universität Stanford

Für Russland sei das ein "erheblicher Nachteil".
Autos fahren auf einer Autobahn in der Näühe von Teheran, im Hintergrund steigt dunkler Rauch aus einer Ölraffinerie auf, die von israelischen Raketen getroffen wurde.
Israel und Iran greifen sich erneut mit Raketen an, teils auch über Drittstaaten hinweg. Dabei wurden israelische Städte getroffen und iranische Militärziele zerstört.16.06.2025 | 2:00 min

... ein mögliches militärisches Eingreifen Putins:

Terhalle ist sich sicher: "Die Iraner werden sehr schnell herausfinden, dass Putin nicht nur ihnen nicht helfen kann, sondern auch nicht helfen will." Ein militärisches Eingreifen für Iran sei für Putin keine Option - "das würde ihn von seiner Hauptmission, nämlich der Niederschlagung der Ukraine, abhalten".
Insofern habe Russland "gar kein Interesse daran, sich in irgendeiner Weise im Mittleren Osten vertiefend in einen Krieg zu begeben".

Russland wird keinen Finger für die Iraner krümmen, wenn es darum geht, wirklich mit Hardpower sie zu unterstützen.

Maximilian Terhalle, Politikwissenschaftler und Gastforscher an der Universität Stanford

Das werde eine "bittere Lektion für den Iran" - aber auch für andere Staaten, "die hofften, dass hier vielleicht eine neue internationale Ordnung entstehen würde".
ZDF-Korrespondent Thomas Reichart in Tel Aviv
Über das Stimmungsbild in der Bevölkerung in Israel berichtet ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf aus Tel Aviv.16.06.2025 | 0:55 min

.. dem Angriff Israels auf iranische Atomanlagen:

Auch an dieser Stelle ist Maximilian Terhalle eindeutig:

Die Israelis machen die schmutzige Arbeit, die wir nicht machen wollen.

Maximilian Terhalle, Politikwissenschaftler

Der Politikwissenschaftler verweist darauf, dass Israel mit seinem Vorgehen eine nukleare Aufrüstung Irans verhindere - und damit eine Bedrohung, die auch für Deutschland und Europa hochrelevant sei. "Hier wird eine Macht daran gehindert, militärische Nuklearmacht zu werden - mit drastischen Mitteln."
Das sei ein Eingriff, zu dem sich europäische Staaten selbst nicht in der Lage sähen. "Man muss im deutschen Diskurs mit großer Ehrlichkeit vielleicht auch mal in den Spiegel schauen und sagen: Was wir selber gar nicht können, was wir selber lange auch abgelehnt haben - den Einsatz militärischer Gewalt - das übernehmen andere."
nico-lange
Israel will nach eigener Darstellung mit den Angriffen verhindern, dass Iran eine Atombombe bauen kann. „Ziel zu sein scheint, dass das iranische Atomprogramm zurückgeworfen wird“, so Sicherheitsexperte Nico Lange.16.06.2025 | 5:12 min
Entscheidend sei dabei, ein gängiges Missverständnis zu korrigieren: "Häufig heißt es bei uns sofort, der Einsatz militärischer Gewalt führe zur Eskalation."

Nein - in diesem Fall führt er zur Verhinderung einer nuklearen Aufrüstung im Mittleren Osten.

Maximilian Terhalle, Politikwissenschaftler

Das Interview führte Moderator Philip Wortmann. Zusammmengefasst hat es ZDFheute-Redakteurin Ninve Ermagan.
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Quelle: ZDF

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