Israelischer Historiker zu Nahost:So einen Krieg "beendet man nicht im Nu"
Von "ewigem Frieden" im Nahen Osten spricht Donald Trump. Doch das sei eine Illusion, sagt der israelische Historiker Moshe Zimmermann. Die Sache sei viel zu kompliziert.
Sehen Sie hier das Interview mit Historiker Moshe Zimmermann in voller Länge.
14.10.2025 | 5:53 minUS-Präsident Donald Trump lässt sich in Israel für die Waffenruhe im Gazastreifen feiern. Seine Regierung legte einen Friedensplan vor und vermittelte ein Waffenruheabkommen zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas, in dessen Rahmen unter anderem palästinensische Gefangene ausgetauscht wurden.
Doch viele Fragen sind noch ungeklärt. Etwa die von Israel geforderte Entwaffnung der Hamas. Auch der israelische Historiker Moshe Zimmermann ist skeptisch. Denn einen Krieg wie den in Nahost beende man nicht auf diese Art und Weise, erklärt Zimmermann im ZDF heute journal update.
Sehen Sie das Interview oben im Video in voller Länge oder lesen Sie es unten in Auszügen.
Im ZDF betont Historiker Moshe Zimmermann, dass ...
... dieser Krieg sich nicht so schnell beenden lasse
"Ich bin Historiker. Ein Historiker ist immer skeptisch", antwortet Zimmermann auf die Frage, welches Gefühl an diesem Tag überwiege. Zwar herrsche große Freude darüber, dass die 20 Geiseln wieder in Israel seien - auch seine Schwester habe täglich für die Freilassung der Geiseln demonstriert - doch müsse man sich aus historischer Perspektive fragen, ob dieser Zustand nicht schon vor zwei Jahren hätte erreicht werden können. "Und ich bin ziemlich sicher, dass die Antwort positiv ist."
Quelle: AFP PHOTO/Handout/Israeli Army
Darüber hinaus stelle sich die Frage, wie es nach der Freilassung der Geiseln und dem Waffenstillstand weitergehen solle. Er warnt davor, zu glauben, ein komplexer Konflikt wie der zwischen Israel und Palästina lasse sich rasch beenden, nicht so, "wie es sich Trump vorstellt oder wie sich das die Zuschauer vielleicht im Ausland auch vorstellen".
Ein Krieg wie der Krieg zwischen Israel und Palästina, nicht nur Israel und Gaza, beendet man nicht im Nu.
Moshe Zimmermann, israelischer Historiker
"Die Wahrscheinlichkeit ist viel größer, dass der ewige Frieden nicht heute ausgebrochen ist", so der Historiker weiter. "Es gibt zwei Kontrahenten. Es gibt eine Umgebung, die nicht friedlich ist. Es gibt Religionen, die eine Vorstellung haben von dem, was eigentlich im Frieden sein sollte. Das macht die Sache viel zu kompliziert."
Auf dem Platz der Geiseln brach immer wieder Jubel aus, berichtet Korrespondent Thomas Reichart aus Tel Aviv. Für die Familien der toten Geiseln sei es jedoch ein "bitterer Tag".
13.10.2025 | 1:10 min... Trumps Begnadigungsbitte nicht gut in der Bevölkerung ankam
US-Präsident Trump hielt in der Knesset, also dem Parlament des Staates Israel, eine Rede. Darin forderte er Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog auf, Premierminister Benjamin Netanjahu zu begnadigen. Dieser steht wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht. "Zigarren und etwas Champagner - wen kümmert das schon?", sagte Trump bei seiner Rede.
Dass die Welt über Wiederaufbau in Gaza diskutieren kann, verdankt sie Donald Trump. Wir blicken zurück auf den Weg zum Frieden, zeigen die wichtigsten Passagen seiner Rede und ordnen diese ein.
13.10.2025 | 11:17 minDer Applaus in der Knesset sei "besonders laut" gewesen, resümiert Zimmermann. "Das sind die Lakaien von Netanjahu, die sehr verständlich applaudieren." Besonders deutlich sei dabei gewesen, wie groß die Zahl jener sei, die sich kritiklos hinter Netanjahu stellten. "So eine große Zahl von Schleimern wie dort kann man sich kaum irgendwo vorstellen." Doch für einen Großteil der Bevölkerung sei die Bitte schlicht "eine Unverschämtheit".
Das ist eine Intervention eines fremden Politikers, auch wenn er der Präsident der USA ist, in Sachen, die subjudizell sind. Da hätte man sich zurückhalten sollen.
Moshe Zimmermann, israelischer Historiker
Ob Netanjahu begnadigt werden solle oder sich weiterhin vor Gericht verantworten müsse, sei keine Frage für die Knesset oder einen ausländischen Politiker, sondern allein Sache der israelischen Justiz.
In Ägypten unterzeichnen die USA und weitere Vermittler-Staaten ein Gaza- Abkommen. Nach der Freilassung von Geiseln und Häftlingen wächst Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten.
14.10.2025 | 2:58 min... ein Friedensvertrag noch in weiter Ferne ist
Trotz unbeantworteter Fragen über das weitere Vorgehen ist Trump entschlossen, das Momentum der Waffenruhe zu nutzen, um einen dauerhaften Frieden durchzusetzen. "Friedensvertrag ist ein großes Wort", betont Zimmermann.
Wir sind nicht bei einem Friedensvertrag.
Moshe Zimmermann, israelischer Historiker
"Das ist eine Regelung zur Beendigung des Krieges in Gaza für den Waffenstillstand."
Deutschland wolle sich mit mindestens 100 Millionen Euro am Wiederaufbau Gazas beteiligen. Finanzielle Hilfe sei jedoch eher ein Nebenaspekt. "Wenn die Bundesrepublik etwas beitragen könnte, um Frieden zu fördern, um Gespräche zwischen Israel und Palästina zu organisieren, wäre es viel schöner."
Dieser Aspekt komme zu kurz, bilanziert der Historiker: "Man redet über Gaza, man redet über Hamas, die weiterhin in Gaza bleiben, aber man redet nicht, ganz bestimmt nicht genügend, über Verhandlungen zwischen Israel und Palästina, zwischen Israelis und Palästinensern."
Das Interview führte Nazan Gökdemir, zusammengefasst hat es Katharina Schuster.