Warum Trumps Plan die Zwei-Staaten-Lösung nicht näher bringt

Interview

Nahost-Experte Gerlach skeptisch:Warum Trumps Gaza-Plan keine Zwei-Staaten-Lösung ist

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Mit 20 Punkten will Trump den Gaza-Krieg beenden. Nahost-Experte Gerlach bleibt skeptisch - und verweist auf die Diskrepanz zwischen Trumps großen Worten und Netanjahus Agenda.

Moderatorin Nazan Gökdemir mit Nah-Ost Experte Daniel Gerlach im Schaltgespräch

Sehen Sie hier das ganze Gespräch mit Nahost-Experte Daniel Gerlach.

29.09.2025 | 5:03 min

Mit großem Pathos hat Donald Trump seinen 20-Punkte-Plan für den Gazastreifen vorgestellt. Der US-Präsident, bekannt für seine Superlative, sprach von einem der "größten Tage der Zivilisation" - in der Hoffnung, den Krieg zu beenden und eine Nachkriegsordnung für das Palästinensergebiet zu schaffen.

Nahost-Experte Daniel Gerlach ist weitaus skeptischer. Einen Beitrag zur Zwei-Staaten-Lösung, die viele Beobachter als Grundlage für dauerhaften Frieden in der Region sehen, leiste der Plan nicht, erklärte er im ZDF heute journal update.

Netanjahu im Weißen Haus

US-Präsident Trump hat am Abend in Washington den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu empfangen, um über eine Beendigung des Krieges im Gazastreifen zu sprechen.

29.09.2025 | 2:45 min

Kein klares Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung

Tatsächlich erwähnt das Papier die Gründung eines palästinensischen Staates nur am Rande. In Punkt 19 ist die Rede davon, dass unter anderem nach einer Reformierung der Palästinensischen Autonomiebehörde, "die Voraussetzungen für [...] Staatsgründung der Palästinenser endlich gegeben sein könnten".

Standbild: Kulturzeit-Gespräch mit Daniel Gerlach

... ist Chefredakteur des Nahost-Fachmagazins "zenith" und Direktor der Denkfabrik Candid Foundation. Gerlach studierte Geschichte und Orientalistik in Hamburg und Paris.


Und selbst wenn der Palästinensischen Autonomiebehörde in anderen Teilen des Papiers langfristig eine Führungsrolle im Gazastreifen zugedacht wird - ein klares Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung klingt anders. Auch auf das Drängen mehrerer arabischer Staaten hin hätten die USA keine eindeutigere Position erkennen lassen, so Gerlach.

heute journal - der Podcast mit Helene Reiner und Christian Sievers

Vor einer Hungersnot in Gaza wurde lange gewarnt. Israel lässt zwar vereinzelt Hilfsgüter zu, doch bei der Verteilung der Lebensmittel kommt es immer wieder zu tödlichen Zwischenfällen.

24.07.2025 | 40:38 min

Diskrepanz zwischen Trumps Plan und Netanjahus Worten

Der Nahost-Experte fühlt sich zudem an frühere Auftritte Trumps erinnert: "Ich habe mich persönlich erinnert gefühlt an eine Pressekonferenz, die Trump mit Netanjahu 2020 im Januar gegeben hat", sagt Gerlach. Damals habe Trump große Worte gefunden, während Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine ganz andere Botschaft setzte.

Und ich glaube, das haben wir hier wieder gesehen.

Daniel Gerlach, Nahost-Experte

Auch diesmal sieht Gerlach eine deutliche Diskrepanz zwischen Trumps Ankündigungen und den Aussagen des israelischen Ministerpräsidenten. Dieser habe in der gemeinsamen Pressekonferenz "ziemlich deutlich gemacht, dass Israel die volle militärische Kontrolle über den Gazastreifen behalten wird - und zwar nicht befristet, sondern langfristig". Auch die Palästinensischen Autonomiebehörde solle nach Netanjahus Worten keine Führungsrolle in Gaza übernehmen.

Marietta Slomka spricht im Schaltgespräch mit Claudia Bates und Andreas Kynast über Trump und Netanjahu

Trump "spricht von einem historischen Tag", sagt US-Korrespondentin Bates. Netanjahu habe dem Plan "nur in Details widersprochen", sagt Reporter Kynast in Tel Aviv.

29.09.2025 | 4:10 min

Gerlach: Netanjahu macht, was er will

Dem Muster unterliegt offenbar Kalkül: Netanjahu gebe Trump das Gefühl, umzusetzen, was er verlange.

Aber in Wirklichkeit macht er das, was er und seine Regierung für richtig halten, und sucht sich immer den entsprechenden Weg, um das durchzusetzen.

Daniel Gerlach, Nahost-Experte

Als zentrale Schwäche sieht er die fehlende Konkretisierung des Plans. "Abgesehen von einer vagen Frist von 72 Stunden, innerhalb derer die Geiseln freigelassen werden sollen, gibt es keine Sequenzierung der Ereignisse." Die offenen Formulierungen ließen Netanjahu und auch der Hamas zudem Möglichkeiten, "das Spiel zu spielen, was sie bisher gespielt haben".

ZDFHeute Fallback Bild

US-Präsident Trump und der israelische Premier Netanjahu sprachen heute über ein Ende des Gaza-Kriegs. Trump legte dafür einen Plan vor. Andreas Kynast und Elmar Theveßen.

29.09.2025 | 2:40 min

Hamas hat Plan noch nicht zugestimmt

Frieden sei damit allenfalls in Reichweite. "Etwas wahrscheinlicher ja, aber viel Optimismus kann ich hier leider nicht versprühen."

Wir haben einfach zu oft gesehen, wie dieses Theater abläuft.

Daniel Gerlach, Nahost-Experte

Hinzu kommt: Noch ist der Plan nur ein Plan - die Hamas hat ihm bisher nicht zugestimmt.

Die Vereinten Nationen fordern eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und die Palästinenser auf Grundlage der Grenzen von 1967. Sie sieht eine friedliche Ko-Existenz eines unabhängigen israelischen und eines palästinensischen Staats vor, der sich in den Grenzen von 1967 gründet.


Entscheidend sei nun, so Gerlach, dass andere Akteure Verantwortung übernehmen: "Da müssen die Europäer und die Araber sehr viel dafür tun." Viele europäische Staaten - darunter Deutschland und Frankreich - und auch die Palästinensischen Autonomiebehörde haben Trumps Vorstoß begrüßt.

Text von Christian Harz, Redakteur in Washington D.C., das Interview mit Daniel Gerlach führte heute-journal-update-Moderatorin Nazan Gökdemir.

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Ein israelisches gepanzertes Fahrzeug bewegt sich in einem Gebiet im Gazastreifen, vom Süden Israels aus gesehen.
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Quelle: ZDF

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