Staat Palästina: Was bedeutet Frankreichs Anerkennung?

FAQ

So funktioniert das Völkerrecht:Palästina: Was bedeutet Macrons Anerkennung?

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von Nils Metzger
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Frankreich wird Palästina als Staat anerkennen. Was heißt das konkret und was sind die Folgen? Wie positioniert sich Deutschland? Ein Überblick zum Völkerrecht.

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Frankreich will Palästina als Staat anerkennen. Präsident Macron hofft auf Impulse für Frieden. Israel und die USA verurteilen den Schritt scharf.25.07.2025 | 1:44 min
Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat am Donnerstag angekündigt, Palästina als Staat anzuerkennen. Der Schritt werde im September bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen offiziell verkündet.
Um den Krieg im Gazastreifen zu beenden und der Bevölkerung Sicherheit zu geben, müsse "endlich der Staat Palästina aufgebaut" werden, so Macron. Was sind die Konsequenzen dieser Entscheidung?
Wulf Schmiese und Ulf Röller.
Die Anerkennung Palästinas durch Frankreich sorgt für Diskussionen in der EU und in Berlin. Dazu die ZDF-Korrespondenten Ulf Röller und Wulf Schmiese.25.07.2025 | 2:48 min

Wer oder was genau wird anerkannt?

Die Anerkennung Frankreichs richtet sich an die Palästinensische Autonomiebehörde mit Sitz in Ramallah. Sie wird von der Fatah dominiert und unterhält eine Reihe von Ministerien, Behörden und Sicherheitskräfte, die in den Teilen des Westjordanlands, die nicht unter israelischer Verwaltung stehen, staatliche Aufgaben wahrnimmt. Auch international unterhält die Autonomiebehörde schon zahlreiche diplomatische Vertretungen.
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Israelische Angriffe auf den Gazastreifen zwingen Tausende zur Flucht. Die humanitäre Lage bleibt katastrophal. Fast 30 Länder fordern ein sofortiges Kriegsende, Deutschland fehlt.22.07.2025 | 1:37 min
Die Gründung der Autonomiebehörde geschah in Folge des Oslo-Friedensprozesses ab 1993. Auch Israel erkannte die Autonomiebehörde damals als legitime Vertretung der Palästinenser, nicht aber Palästina als Staat an. Bis heute gibt es keine Einigung beider Seiten darüber, wie der Übergang von einer Autonomiebehörde mit begrenzten Befugnissen hin zu einem vollwertigen unabhängigen Staat gestaltet werden soll.
Über den Hamas-kontrollierten Gazastreifen hat sie seit Jahren faktisch keine Kontrolle mehr, war aber bis zuletzt weiter in die Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen in Gaza eingebunden.
Karte zeigt das Osmanische Reich und die jüdischen Gebiete. Damals lebeten Muslime und Juden weitgehend friedlich zusammen.
Die Karte zeigt die Region Palästina ab 1923, dass damals unter britischem Mandatsgebite stand.
Die Karte zeigt die Gebiete des arabischen Staates und Jüdischen Staates wie es der UN-Teilungsplan 1947 vorgesehen hatte.
Karte zeigt Israel und den Angriff der arabischen Länder nach der Gründung des Staates Israel 1948
Die Karte zeigt die Gebiete, die Israel nach dem Krieg 1948 gewinnt.
Karte von 1967 zeigt die Eroberungsgebiete von Israel.
Die Karte zeigt wie sich die Siedlungen über die Jahre gewachsen sind von 1.500 im Jahr 1972 auf 465.400 im Jahr 2021.
Die Karte zeigt die Grenzen nach dem Friedensvertrag von Oslo.
Die Karte zeigt die Grenzgebiete von Israel, Gazastreifen, Westjordanland heute.

Die Entstehung des Nahost-Konflikts

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts leben Muslime und Juden im Osmanischen Reich weitgehend friedlich zusammen. Doch in Europa werden die Juden ausgegrenzt und verfolgt ...

Quelle:


Warum kommt die Ankündigung Frankreichs jetzt?

Eine Anerkennung der Hamas bedeutet diese neue Entwicklung nicht. Dennoch sprach das Büro des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu von "Belohnung von Terror".
Ist an diesem Vorwurf etwas dran? Robert Chatterjee, stellvertretender Chefredakteur des Nahost-Fachmagazins "Zenith", sagt ZDFheute: "Nein, [die Anerkennung] folgt dem Konsens der internationalen Gemeinschaft und des Völkerrechts und stellt in dem Sinne keine neue Position dar, sondern eine, die von der überwiegenden Mehrheit der Staaten weltweit geteilt wird." Dass Frankreich diesen Schritt jetzt unternehme, kommt für Chatterjee nicht überraschend. Die Grundlagen dafür seien bereits vor einem Monat auf der Pariser Konferenz zur Zweistaatenlösung gelegt worden.

Macron hatte Ende letzten Jahres den Waffenstillstand im Libanon mit ausgehandelt. Und in Paris ist man verärgert, dass sich Israel weder an dieses Abkommen hält noch irgendwelche Änderungen in seiner Kriegsführung vornimmt.

Robert Chatterjee, Nahost-Fachmagazin "Zenith"

Die Knesset hatte in einer jüngsten Resolution einen palästinensischen Staat ausdrücklich abgelehnt, in dieser Woche gab es einen weiteren, unverbindlichen Beschluss zur Forderung nach einer Annexion des Westjordanlands. "Deswegen setzt die Anerkennung der Position von Israels Regierung und Parlament etwas entgegen", sagt Chatterjee. Eine Reform und Neuwahl der Autonomiebehörde seien wichtig, um eine Zweistaatenlösung voranzubringen. Da schaffe man mit der Anerkennung einen Hebel, so Chatterjee.

Porträt von Thomas Walde, Leiter des ZDF-Auslandsstudios Paris
Quelle: ZDF/Max Sonnenschein

"Macron hatte diesen Schritt mehrfach angekündigt. Hintergrund ist, dass es hier in Frankreich sowohl die größte jüdische wie auch muslimische Gemeinde in Europa gibt. Die Vorgänge im Nahen Osten werden hier besonderes intensiv verfolgt. Entsprechend fiel auch die Reaktion gespalten aus: Frankreichs politische Linke, auch die extreme Linke, lobt Macron für diesen Schritt, was sehr selten vorkommt. Die extreme Rechte kritisiert ihn und sagt, das sei ein Gewinn für die Hamas. 

Frankreich ist nun das erste Land der G7, das diesen Schritt geht, daher hat die Ankündigung eine enorme symbolische Wirkung, wenngleich vielleicht wenig praktische Folgen. Macron sagt zwar, Frieden in der Region sei möglich, aber er erklärt nicht, wie dieser Frieden hergestellt werden soll. Er setzt offenbar darauf, dass alle Länder seinem Beispiel folgen und so Druck machen, vor allem Richtung Israel. Aber wenn man sich die Reaktionen in Israel und den USA anschaut, dann muss man sagen, dass Macrons Vorstoß bislang nicht die von ihm erhoffte Wirkung erreicht hat."

Welche Folgen hat eine diplomatische Anerkennung?

Die Entscheidung ist primär ein symbolischer politischer Schritt ohne weitreichende völkerrechtliche Folgen, die über die jeweils anerkennenden Staaten hinaus wirken. Weder erhalten die Palästinensergebiete dadurch automatisch mehr Geld, Gebietsansprüche oder andere handfeste Vorteile.
Auch für Israel ergeben sich durch eine einzelne weitere Anerkennung nicht unmittelbar neue Verpflichtungen - etwa mit Blick auf den Krieg in Gaza und die Versorgung der dortigen Zivilbevölkerung.
Die Mehrheit aller Staaten weltweit erkennt Palästina als Staat an, etwa 147 der 193 UN-Mitglieder. Viele zentral- und osteuropäische Staaten tun das bereits seit 1988. Seit 2024 gab es eine Welle an neuen Anerkennungen. Spanien, Irland und Norwegen hatten sich im Mai 2024 dazu entschieden, Slowenien folgte kurz darauf. Die jüngste Anerkennung stammt aus Mexiko vom Februar 2025.

Nach Macrons Vorstoß
:Berlin lehnt schnelle Palästina-Anerkennung ab

Frankreichs Präsident Macron will einen palästinensischen Staat anerkennen. Die Bundesregierung hält dies für falsch. Zunächst müsse eine Zwei-Staaten-Lösung verhandelt werden.
Palästina-Flagge
mit Video

Wie steht Deutschland zu einem Palästinenserstaat?

Von Deutschland ist derzeit keine Anerkennung Palästinas als Staat zu erwarten. Regierungssprecher Stefan Kornelius teilte am Freitag mit:

Die Bundesregierung hält an der Überzeugung fest, dass nur eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung dauerhaft Frieden und Sicherheit für Israelis und Palästinenser bringen wird.

Stefan Kornelius, Sprecher der Bundesregierung

Die Bundesregierung plane insofern nicht, "kurzfristig einen palästinensischen Staat anzuerkennen".
Den Fachjournalisten Chatterjee überzeugt das nicht. "Die Messlatte für Deutschland liegt sehr niedrig - niemand erwartet von der Bundesregierung, bei der Lösung des Nahostkonflikts die Führungsrolle zu übernehmen. Aber zumindest die stetige Blockadehaltung sollte sie endlich einstellen." Man drücke sich um eine Positionierung, weil man nicht über Sanktionen gegen einen befreundeten Staat diskutieren wolle, "dessen Soldaten Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen und dessen Exekutive und Legislative konsequent eine Zweistaatenlösung ablehnen", sagt Chatterjee.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kam 2019 zu dem Schluss, dass es schon jetzt keine grundsätzlichen völkerrechtlichen Vorbehalte gegen eine deutsche Anerkennung Palästinas gebe. Diplomatische Beziehungen unterhalten beide Seiten; es gibt ein deutsches Verbindungsbüro in Ramallah im Westjordanland, das teils Aufgaben einer Botschaft übernimmt.
Bundeskanzler Friedrich Merz ist vor einem zerstörten Gebäude in Gaza abgebildet.
28 Staaten fordern von Israel ein sofortiges Ende des Gaza-Krieges – Deutschland gehört nicht dazu. ZDFheute live zur Lage in Gaza und der Kritik der SPD an der Bundesregierung. 22.07.2025 | 23:27 min

Was macht ein Gebiet zum Staat?

Jedem Land steht grundsätzlich frei, welche Staaten es diplomatisch anerkennt, es gibt keine Verpflichtung dazu. Umgekehrt ist die faktische Existenz eines Staates aber auch nicht an eine diplomatische Anerkennung durch andere Staaten geknüpft. Das ist ein Grundprinzip der Montevideo-Konvention von 1933, an deren Regeln sich Deutschland und die Europäische Union bis heute orientieren.

Die politische Existenz eines Staates ist unabhängig von der Anerkennung durch andere Staaten.

Montevideo-Konvention von 1933

Die Montevideo-Konvention legt auch fest, welche Bedingungen Gebiete erfüllen müssen, um als Staat anerkannt zu werden: eine "ständige Bevölkerung", ein "definiertes Staatsgebiet", eine "Regierung" und die "Fähigkeit zu Beziehungen mit anderen Staaten". Ob und wie sehr die Palästinensergebiete diese Kriterien erfüllen, ist völkerrechtlich seit Jahrzehnten ein kontrovers diskutiertes Thema.
 Diana Zimmermann und Luc Walpot im chaltgespräch mit der heute
28 Außenminister und eine EU-Kommissarin haben nach weiteren Angriffen Israels Armee ein sofortiges Kriegsende in Gaza gefordert – Deutschland nicht. Luc Walpot und Diana Zimmermann berichten.22.07.2025 | 2:29 min

Wie stehen die Vereinten Nationen zum Palästinenserstaat?

In den Vereinten Nationen hat Palästina Beobachterstatus, ist also kein vollwertiges Mitglied. Gegenüber manchen UN-Organisationen haben die Palästinensergebiete darum nur eingeschränkte Rechte.
Zwar stimmte die UN-Vollversammlung mehrfach für eine Aufnahme Palästinas, zuletzt am 10. Mai 2024, jedoch muss eine solche Aufnahme auf Vorschlag des UN-Sicherheitsrats hin geschehen, was die USA mit ihrem Veto verhindern.
In mehreren UN-Organisationen wie der Kulturorganisation Unesco ist der Staat Palästina hingegen voll anerkannt. Auf den UN-Status hat die Entscheidung Frankreichs also keine Auswirkungen.

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Ein palästinensisches Mädchen steht auf den Trümmern des Hauses der Familie Al-Aimawi, das durch israelische Luftangriffe in Al-Zawaideh im Gazastreifen zerstört wurde, aufgenommen am 01.07.2025
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