Welthungerhilfe zu Gaza: "Wirklich prekäre Hungersituation"

Interview

Präsidentin der Welthungerhilfe:"Wirklich prekäre Hungersituation" in Gaza

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Die Präsidentin der Welthungerhilfe warnt vor der zunehmenden Hungersnot im Gazastreifen. Hilfsorganisationen bräuchten dringend Zugang. 500.000 Menschen seien gefährdet.

Hunger in Gaza: "Wir fordern Zugang"
"Israel verweigert uns den Zugang nach Gaza, obwohl wir bereitstehen, Hilfe zu leisten“, so Marlehn Thieme, Präsidentin Welthungerhilfe.24.07.2025 | 7:44 min
Die humanitäre Lage im Gazastreifen spitzt sich zu. Hilfsorganisationen warnen, die Bevölkerung werde ausgehungert, auch die eigenen Mitarbeiter seien zunehmend betroffen. Die Weltgesundheitsorganisation spricht von einer tödlichen Hungerkrise.
Was ihre Kollegen aus dem Gazastreifen berichteten, sei "erschreckend", sagte die Präsidentin der Welthungerhilfe, Marlehn Thieme, im ZDF-Morgenmagazin.

Die Nahrungsmittel werden sehr knapp. Die Kinder, Mütter und die kranken Menschen können sich überhaupt gar nicht mehr ernähren.

Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe

Auch die Wasserversorgung sei gefährdet: "Die Meeresentsalzungsanlage hat fast gar keinen Treibstoff mehr. Es fehlt an allem", so Thieme. Von den 2,1 Millionen Menschen, die im Gazastreifen leben, seien fast 500.000 "in einer wirklich prekären Hungerssituation".
Yazan, ein unterernährter 2-jähriger palästinensischer Junge, sitzt mit seinen Brüdern in dem beschädigten Haus seiner Familie im Flüchtlingslager Al-Shati westlich von Gaza-Stadt, am 23. Juli 2025.
In Gaza breitet sich der Hunger rasant aus. Hilfsorganisationen schlagen Alarm und warnen vor einer Massenhungersnot. Eine humanitäre Katastrophe droht. 23.07.2025 | 2:42 min

Präsidentin der Welthungerhilfe: "Unsere Lager sind voll"

Thieme kritisierte, dass unabhängige Hilforganisationen seit April keinen Zugang mehr zum Gazastreifen hätten.

Derzeit sind es die Israelis, die nicht gestatten, dass wir in dieses Kriegsgebiet hinein können.

Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe

Vor zwei Monaten hatte die von der israelischen Regierung kontrollierte "Gaza Humanitarian Foundation" die Versorgung der Menschen im Gazastreifen übernommen. Seitdem gab es immer wieder Berichte über getötete Menschen an den Verteilzentren für Lebensmittel. Nach Angaben der UN werden nur noch etwa 30 Lastwagen mit Hilfsgütern pro Tag in das Land gelassen, nötig wären mindestens 600.
"Unsere Lager in Amman sind voll", betonte Thieme. Doch aktuell sei es nicht möglich, die Nahrungsmittel über die jordanische Landesgrenze in den Gazastreifen zu bringen.
A young boy carrying an aid parcel, walks along the Salah al-Din road near the Nusseirat refugee camp in the northern Gaza Strip, used by food-seeking Palestinians to reach an aid distributution point set up by the privately-run Gaza Humanitarian Foundation (GHF)
Die umstrittene private Organisation GHF verteilt Lebensmittel in Gaza – in deren Verteilzentren würden Menschen erschossen, berichten Hilfsorganisationen.04.07.2025 | 1:46 min
Die unzureichende Versorgung der Menschen, der Hunger, werde als Kriegswaffe eingesetzt, so Thieme. "Das haben wir nicht nur in Gaza. Das haben wir auch in anderen Ländern zunehmend."

Über 100 Hilfsorganisationen fordern Zugang

Die Landgrenzen nach Gaza müssten dringend geöffnet und die Versorgung mit Hilfsgütern uneingeschränkt zugelassen werden, forderten mehr als 100 Hilfsorganisationen, darunter auch die Welthungerhilfe, in einem am Mittwoch veröffentlichten gemeinsamen Appell. Die Vorräte im Gazastreifen seien aufgebraucht.
Weltweit hungere jeder elfte Mensch, sagte Thieme. Die Ursachen seien vielfältig - Konflikte, Klimakrise, Naturkatastrophen oder fehlende Infrastruktur. Sie forderte die Bundesregierung auf, bei den Ausgaben für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit "nachzubessern".
Die schwarz-rote Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz sieht im Bundeshaushalt für das laufende Jahr noch 1,4 Milliarden Euro für humanitäre Hilfe und Krisenprävention vor - 2024 lagen die Ausgaben dafür bei rund 2,7 Milliarden Euro.

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Quelle: ZDF

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