Israels Ex-Premier Olmert: Vorgehen in Gaza "ist unentschuldbar"

Olmert kritisiert Netanjahu:Ex-Premier: Israels Gaza-Vorgehen "unentschuldbar"

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Die Kritik an Israels Vorgehen im Gazastreifen wächst - auch im eigenen Land. Ex-Premier Olmert richtet in einem Interview deutliche Worte an Netanjahu: "Wir haben genug getötet".

Der ehemalige israelische Premierminister Ehud Olmert posiert am 9. Juni 2025 in Paris für ein Foto
Israels Ex-Premier Ehud Olmert kritisiert Benjamin Netanjahu scharf.
Quelle: AFP

Israels Ex-Ministerpräsident Ehud Olmert hat erneut scharfe Kritik am israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und dessen Vorgehen im Gazastreifen geäußert.
Israel habe im Oktober 2024 - mit der Tötung des Hamas-Anführers Jihia al-Sinwar - seine Ziele längst erreicht, sagte Olmert in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel":

Spätestens da hätten wir sagen müssen: Es reicht, wir haben genug getötet, wir haben genug zerstört, wir haben sie genug geschwächt.

Ehud Olmert, Israels Ex-Ministerpräsident

Bundeskanzler Friedrich Merz ist vor einem zerstörten Gebäude in Gaza abgebildet.
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Olmert: Israel führt "illegitimen Krieg"

Im März 2025 habe Israel "die Zustimmung der internationalen Gemeinschaft verloren", da "wir eindeutig und wissentlich gegen eine Vereinbarung verstoßen haben, die zu einem dauerhaften Waffenstillstand führen sollte. Wir haben damit alle Legitimität eingebüßt", so Olmert.
Es sei ein "illegitimer Krieg, der aus den persönlichen politischen Interessen des Premierministers geführt wird", kritisierte Olmert weiter.

In der Konsequenz sterben israelische Soldaten, möglicherweise verlieren weitere Geiseln ihr Leben, und viele unbeteiligte Palästinenser werden getötet. Das ist ein Verbrechen, das ist unentschuldbar.

Ehud Olmert, Israels Ex-Ministerpräsident

ZDF-Korrespondent Luc Walpot berichtet aus Tel Aviv.
Quelle: ZDF

Der frühere Ministerpräsident Ehud Olmert gilt als eingefleischter politischer Gegner des amtierenden Regierungschefs Netanjahu. Olmert kommt aus der gleichen konservativen politischen Richtung wie Netanjahu, der konservativ-nationalen Likud-Partei. Als enger Vertrauter des langjährigen Regierungschefs Ariel Sharon machte Olmert wichtige politische Karriereschritte. Erst als langjähriger Bürgermeister von Jerusalem, dann, als sein Ziehvater Sharon wegen eines Schlaganfalls im Koma lag, als dessen Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten.

Politisch wechselte Olmert mehrfach seinen Kurs. Anfangs ein Befürworter einer harten Linie gegen die Palästinenser, unterstützte er später Sharons in der jüdischen Bevölkerung höchst umstrittene Räumung der Siedlungen im Gazastreifen 2005.

In seiner Amtszeit als Regierungschef begann die Justiz eine Reihe von Ermittlungsverfahren gegen Olmert wegen umfangreicher Korruptionsvorwürfe aus seiner Zeit als Bürgermeister von Jerusalem. Die Gerichtsverfahren zwangen ihn letztlich 2009 zur Aufgabe des Amtes. Olmert wurde am Ende rechtskräftig verurteilt und saß 16 Monate im Gefängnis (der erste Ex-Regierungschef Israels, der als Straftäter verurteilt wurde), ehe er 2017 begnadigt wurde.

Kritiker sehen in dieser Gefängnisstrafe auch einen der Gründe für Olmerts scharfes Austeilen gegen Netanjahu. Denn dieser steht seit langem unter Korruptionsverdacht und muss sich deswegen auch vor Gericht verantworten. Er konnte aber, anders als Olmert, einer Verurteilung bislang stets ausweichen.

Inzwischen vertritt Olmert die Position, dass das Vorgehen von Regierung und Armee im Gazastreifen deutliche Merkmale von Völkerrechtsverbrechen aufweise. Auch glaubt Olmert weiter an die Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung. Damit gehört er inzwischen in Israel zu einer verschwindend kleinen Minderheit. Politisches Gewicht, so sagen Beobachter, habe Olmert ohnehin nicht mehr in Israel. Viele sehen in ihm nur noch einen gefallenen, korrupten und verurteilten Mann von gestern.

Olmert bezeichnet Israels Vorgehen als "Kriegsverbrechen"

Olmert, der selbst von April 2006 bis März 2009 Ministerpräsident Israels war, hatte sich in den vergangenen Wochen immer wieder mit Kritik zu Wort gemeldet. In einem Beitrag für die israelische Zeitung "Haaretz" schrieb der 79-Jährige jüngst von einem "Verwüstungskrieg". Zivilisten würden wahllos getötet.
Schaltgespräch Luc Walpot
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Dies sei nicht auf unverhältnismäßiges Verhalten mancher Soldaten zurückzuführen, sondern das Ergebnis einer Regierungspolitik.

Ja, Israel begeht Kriegsverbrechen.

Ehud Olmert, Israels Ex-Ministerpräsident

Israel-gaza-roundup
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Im Interview mit dem "Spiegel" fordert Olmert, dass gegen Netanjahu, gegen den in Israel bereits ein Verfahren wegen Korruptionsvorwürfen läuft, eine weitere Anklage erhoben werden sollte:

Netanjahu sollte angeklagt werden wegen der Verbrechen, die er täglich gegen den Staat Israel und das israelische Volk begeht.

Ehud Olmert, Israels Ex-Ministerpräsident

Dies solle allerdings nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag geschehen, sondern in Israel selbst.

Olmert pocht auf "Zweistaatenlösung"

Olmert sieht die USA als das einzige Land an, das genügend Druck auf Netanjahus Regierung ausüben könnte. "Der Einzige, der wirklich etwas bewirken kann, ist Präsident Trump. Wenn er Netanjahu sagt, dass es in Gaza genug ist, wird der israelische Ministerpräsident einlenken."
Als einzig mögliches Ende des Gaza-Krieges sieht Olmert eine "Zweistaatenlösung". Dazu müsse man mit Partnern zunächst eine vorübergehende Sicherheitsverwaltung in Gaza aufbauen, die die militärische Kontrolle übernimmt und ein Wiedererstarken der Hamas verhindert.

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