Bodenoffensive in Gaza: Arzt berichtet von dramatischer Lage

Bodenoffensive in Gaza-Stadt:Arzt in Gaza: Wo sollen die Menschen hin?

|

Die israelische Bodenoffensive in Gaza-Stadt hat begonnen. Hunderttausende fliehen, die medizinische Versorgung bricht zusammen, berichtet ein Arzt.

Eine rauchendes Gebäude in Gaza Stadt

Israel weitet seinen Einsatz im Gazastreifen aus. Laut Militär hat die geplante Bodenoffensive in Gaza-Stadt begonnen. Die Analyse bei ZDFheute live.

16.09.2025 | 22:59 min

Nach dem wochenlangen Einsatz in den Außenbezirken der Stadt Gaza dringen israelische Bodentruppen jetzt in Richtung Stadtzentrum vor. Vor dem umstrittenen und risikoreichen Einsatz war von verschiedenen Seiten immer wieder scharf gewarnt worden - auch von der eigenen Militärspitze. Doch die politische Führung um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu besteht darauf, zur Offensive gebe es nach ergebnislosen Verhandlungen mit der Hamas über eine Waffenruhe keine Alternative.

Wie reagiert die internationale Gemeinschaft darauf - und wie ist die Lage vor Ort?

ZDF-Reporter: Israels Operation "sehr riskant"

ZDF-Reporter Andreas Kynast berichtet aus Tel Aviv, dass Israel mit zwei Divisionen in Gaza-Stadt vorgedrungen ist - Zehntausende Soldaten seien beteiligt.

Die Explosionen waren zum Teil so stark, dass sie bis weit nach Israel hinein zu hören waren. Unser Kameramann im Gazastreifen sprach von einer 'fürchterlichen Nacht'.

Andreas Kynast, ZDF-Reporter

Es sei eine "sehr große und sehr riskante Operation", sagt Kynast. Selbst Teile der Militärführung hätten von einem Häuserkampf abgeraten, doch die politische Führung habe sich darüber hinweggesetzt. Besonders brisant: In den Tunneln der Hamas werden noch Geiseln vermutet. Die Angehörigen der Geiseln seien "unglaublich besorgt". Ein Zusammenschluss von Angehörigen-Familien warnt: "Dies könnte die letzte Nacht für die Geiseln sein."

Amar Mardini

Krankenhäuser seien an ihren Kapazitätsgrenzen, so Amar Mardini von der Hilfsorganisation Cadus zur Lage in Gaza. Auch in sogenannten humanitären Schutzzonen gebe es Luftschläge.

16.09.2025 | 5:13 min

Arzt: Patientenzahl steigt massiv an

Gleichzeitig spitzt sich die Situation für die Zivilbevölkerung dramatisch zu. Hunderttausende Menschen versuchen, aus Gaza-Stadt zu fliehen - doch selbst im Süden des Gazastreifens gebe es schon lange keine "wirklich sicheren Orte" mehr, sagt Torsten Schroer von der Hilfsorganisation Cadus. Die humanitären Zonen im Süden seien völlig überfüllt, zudem würden selbst dort Luftschläge geflogen.

Direkt vor Ort schildert Amar Mardini, Arzt der Hilfsorganisation Cadus in Chan Junis, die Situation als katastrophal: Seit Beginn der Fluchtbewegungen aus Gaza-Stadt würden die Patientenzahlen in den Feldkrankenhäusern massiv ansteigen. Die Kapazitäten seien längst überschritten, eine Aufnahme weiterer Verletzter aus den nördlichen Krankenhäusern unmöglich.

Wir behandeln weiterhin viele Menschen mit Schussverletzungen. (...) Wir versorgen Patienten hier unter fast unmöglichen Zuständen.

Amar Mardini, Arzt der Hilfsorganisation Cadus

ZDF-Korrespondent Andreas Kynast bei einem Schaltgespräch.

Die israelische Armee spricht von einer Offensive mit Bodentruppen im Gazastreifen. Über die aktuelle Situation im Gazastreifen berichtet ZDF-Korrespondent Andreas Kynast.

16.09.2025 | 1:13 min

Lage in Gaza: "Infektionsrate hoch"

Es fehle an allem - Verbänden, Antibiotika, Schmerzmitteln. "Wir müssen Patienten bitten, sich selber Bandagen zu besorgen, damit wir die Wunden versorgen können", berichtet Mardini. "Wir müssen Eingriffe ohne adäquate Schmerztherapie durchführen."

Die Feldkrankenhäuser bestünden aus Zelten - mit Notaufnahme, Stationen und teilweise improvisierten Intensivbereichen.

Es ist heiß, (...) die Infektionsrate ist hoch, die hygienische Situation ist schwierig.

Amar Mardini, Arzt der Hilfsorganisation Cadus

Mardini berichtet von einer deutlichen Zunahme an infektiösen Erkrankungen wie Durchfallerkrankungen, weil hygienische Maßnahmen schlecht seien und die Menschen keinen Zugang zu Wasser, Abwassersystemen oder Elektrizität hätten.

Rauch steigt in den Himmel nach einem Angriff des israelischen Militärs auf den Gazastreifen.

Das israelische Militär will das Machtzentrum der Hamas in Gaza-Stadt ausschalten - und startet eine Bodenoffensive. Zehntausende Palästinenser haben die Stadt bereits verlassen.

16.09.2025 | 2:04 min

Arzt in Gaza: "Wir arbeiten am Maximum"

Besonders dramatisch sei die Lage für die Menschen, die aus dem Norden Gazas fliehen. "Ich weiß nicht, wo die Menschen, die aus dem Norden fliehen, noch hin sollen", sagt der Arzt.

Nach seiner Einschätzung werde sich die Situation in den kommenden Tagen noch weiter verschärfen. Sein Fazit ist nüchtern und erschütternd: "Wir arbeiten am Maximum."

Die Gespräche bei ZDFheute live führte Christina von Ungern-Sternberg. Zusammengefasst hat sie Ninve Ermagan.

Nahost-Konflikt
:Aktuelle Nachrichten zur Eskalation in Nahost

Israel geht seit dem Terrorangriff der Hamas militärisch im Gazastreifen vor. Die humanitäre Lage dort spitzt sich zu. Netanjahu will den Einsatz nun ausweiten. Mehr im Blog.
Ein israelisches gepanzertes Fahrzeug bewegt sich in einem Gebiet im Gazastreifen, vom Süden Israels aus gesehen.
Liveblog
Quelle: ZDF

Aktuelle Nachrichten zum Nahost-Konflikt