Politologe zu Israel-Iran: Solange Bomben fallen, kein Protest
Interview
Krieg zwischen Israel und Iran:Politologe: Solange Bomben fallen, kein Widerstand
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Politologe Fathollah-Nejad warnt im ZDF, dass mehr zivile Opfer im Krieg zwischen Israel und Iran weniger Chancen auf Wandel bedeuten. Warum er weiter an Diplomatie glaubt.
Der Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad sieht die Zeit für eine Waffenruhe gekommen - damit Israel sein Ziel mit Verhandlungen erreichen kann: keine Atomwaffen für Iran.16.06.2025 | 5:21 min
Zunehmende Angriffe auf Zivilisten, kaum Raum für Proteste gegen das Regime im Iran und legitime sicherheitspolitische Ziele Israels: Der Politikwissenschaftler Ali Fathollah-Nejad sieht den Konflikt zwischen Israel und dem Iran an einem kritischen Punkt.
Im Gespräch mit dem ZDF heute journal warnt er vor den Folgen militärischer Eskalation und glaubt trotz allem an eine diplomatische Lösung.
Sehen Sie das Interview im Video oben in voller Länge oder lesen Sie es unten in Auszügen.
Israel und Iran setzen ihre Angriffe gegeneinander fort. In Iran flüchteten die Menschen zu Tausenden aus Teheran. In Israel mussten die Menschen immer wieder Schutz suchen.17.06.2025 | 0:23 min
Fathollah-Nejad betont im Gespräch mit dem ZDF heute journal, dass ...
... er an eine diplomatische Lösung glaubt
Der Politikwissenschaftler warnt davor, die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung aufzugeben.
Die Hoffnung auf die Diplomatie darf man nicht verlieren.
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Ali Fathollah-Nejad, Politikwissenschaftler
"Die Fortsetzung dieses Krieges bringt auf beiden Seiten viele Opfer", sagt er. Israel habe die Islamische Republik Iran militärisch bereits stark geschwächt - nun sei es an der Zeit, eine diplomatische Ausstiegsoption zu suchen.
Der gegenseitige Beschuss Israels und Irans hält auch am vierten Tag des offenen Konflikts weiter an. Immer wieder werden dabei auch zivile Einrichtungen getroffen.16.06.2025 | 1:57 min
Denkbar wäre laut Fathollah-Nejad ein temporärer Waffenstillstand, der Raum für neue Nuklearverhandlungen zwischen den USA und dem Iran schaffen könnte. Mit dem Ziel, das iranische Atomprogramm vollständig zu beenden. Darüber hinaus fordert er, dass Teheran nicht länger Hauptziel israelischer Angriffe sein sollte.
Der Experte fordert außerdem, eine Pause der Angriffen auf die Zivilbevölkerung. Nur so könne für die iranische Bevölkerung die Chance entstehen, gegen das Regime zu protestieren:
Solange Bomben fallen, kann niemand gegen das Regime protestieren.
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Ali Fathollah-Nejad, Politikwissenschaftler
Doch die israelische Kriegsführung entspreche weder einer vielversprechenden Strategie, noch eröffne sie Freiräume für die Bevölkerung im Iran, erklärt Fathollah-Nejad weiter. "Dass die iranische Bevölkerung Luft holt", sei jedoch zentral. Auch um die Möglichkeit zu haben, sich gegen das Regime zu erheben.
Der Einsatz militärischer Gewalt bedeute nicht immer nur Eskalation, so Politikwissenschaftler Terhalle. Hier verhindere Israel eine Nuklearmacht im Mittleren Osten.16.06.2025 | 22:36 min
... Israel an einer diplomatischen Lösung interessiert ist
Israel sei durchaus an einer diplomatischen Lösung interessiert, sagt der Politikwissenschaftler im ZDF.
Weltweites Atomwaffen-Arsenal
Quelle: ZDF
Das Land habe aber zwei sicherheitspolitische Eigeninteressen.
Erstes Ziel: Israel wolle eine iranische Atombewaffnung verhindern. "Das würde durch die eben skizzierte diplomatische Lösung passieren."
Zweites Ziel: Außerdem gehe es Israel darum, die Bedrohung durch iranische ballistische Raketen zu verringern.
Beide Ziele seien aus Sicht Israels legitim, so Fathollah-Nejad.
Über das Stimmungsbild in der Bevölkerung in Israel berichtet ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf aus Tel Aviv.16.06.2025 | 0:55 min
... er besorgt ist wegen der Angriffe auf zivile Ziele
Dass der Iran vermehrt Bilder von Treffern und Schäden veröffentlicht, wertet Fathollah-Nejad als Teil der üblichen Propaganda: "Der Krieg ist für beide Seiten schlimm, vor allem für die Zivilbevölkerungen. Die leiden darunter."
Er sieht eine besorgniserregende Entwicklung darin, dass zivile Ziele nun verstärkt ins Visier geraten, auch in Teheran. "Wir haben auch in meinen Augen seit gestern eine neue Entwicklung, dass diese Beschüsse auf die gegenseitigen Zivilisten zugenommen haben." Das habe bei vielen Menschen Panik ausgelöst, teilweise sogar zur Flucht geführt.
Quelle: Ali Fathollah-Nejad
... ist Gründer und Direktor des "Center for Middle East and Global Order" (CMEG), eines Thinktanks, der sich mit politischen Umbrüchen befasst und für eine Außenpolitik eintritt, die Interessen und Werte miteinander in Einklang bringt.
Der deutsch-iranische Politikwissenschaftler beschäftigt sich vor allem mit dem Iran und dem Nahen Osten. Zudem ist er "McCloy Fellow on Global Trends des American Council on Germany" (ACG) im Jahr 2022.
Rückblickend erinnert der Politologe daran, dass Israel zu Beginn des Krieges vor allem politische und militärische Funktionsträger des iranischen Regimes attackiert habe: "Insgesamt 20 militärische Figuren. Das hat sicherlich auch zu einer gewissen Schadenfreude gehört, und Freude innerhalb der iranischen Bevölkerung, die sehr stark gegen das Regime schon opponiert und opponiert hat im letzten Jahrzehnt zumindest."
Auch militärische und nukleare Einrichtungen seien gezielt angegriffen worden. Diese stünden weiterhin im Fokus, sagt Fathollah-Nejad. Doch der neue Trend zu Angriffen auf zivile Viertel beunruhigt ihn: "Diese neue Entwicklung kann in meinen Augen keine gute Dynamik hervorrufen, wenn die Zivilbevölkerung in Teheran so sehr in Mitleidenschaft gezogen wird."
Das Interview führte ZDF-Moderatorin Dunja Hayali.
Israel hat in der Nacht zum Freitag iranische Atomanlagen und weitere militärische Ziele angegriffen. Der Iran reagiert mit Gegenschlägen. Alle Entwicklungen im Liveblog.