Atomwaffen - Sipri warnt: Sorge vor nuklearem Wettrüsten
Friedensforschungsinstitut:Sipri warnt vor "Wettrüsten der Atommächte"
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Konflikte und Kriege auf der Welt bestimmen gegenwärtig die politische Tagesordnung. Gleich mehrere Atommächte sind mittendrin. Das hat auch Folgen für die Atomwaffenbestände.
Neun Staaten der Erde gelten als Atommächte. Dazu zählt auch Russland. (Archivbild)
Quelle: YNA/dpa
Die seit Jahrzehnten rückläufige Zahl der Atomwaffen in der Welt könnte nach Einschätzung von Friedensforschern bald erstmals wieder steigen. Fast alle Atomwaffenstaaten hätten sich 2024 in intensiven Modernisierungsprogrammen befunden, bestehende Waffen nachgerüstet und ihnen neuere Versionen hinzugefügt, schreibt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri in seinem neuen Jahresbericht.
Ein gefährliches neues nukleares Wettrüsten zeichne sich ab - und dies in einer Zeit, in der es äußerst schlecht um die Verträge zur Rüstungskontrolle stehe. Sipri-Experte Hans Kristensen erklärte:
Die Ära der Verringerung der weltweiten Atomwaffenzahl, die seit dem Ende des Kalten Krieges andauerte, geht zu Ende.
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Hans Kristensen, Sipri-Experte
"Stattdessen beobachten wir einen klaren Trend hin zu wachsenden Atomwaffenarsenalen, verschärfter nuklearer Rhetorik und der Aufkündigung von Rüstungskontrollabkommen", so Kristensen.
Auch im vergangenen Jahr war die Anzahl der einsatzbereiten Atomwaffen abermals gestiegen.17.06.2024 | 0:32 min
Sipri: Schätzungsweise mehr als 12.000 Atomsprengköpfe weltweit
Der weltweite Bestand der Atomwaffen ist seit den Spitzenzeiten des Kalten Krieges deutlich und kontinuierlich gesunken. Dies ist jedoch hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass Russland und die USA ausrangierte Sprengköpfe nach und nach demontieren.
Quelle: ZDF
Bei der Zahl der einsatzfähigen Atomwaffen beobachtet Sipri dagegen schon seit längerem einen Anstieg. Die neun derzeitigen Atomwaffenstaaten Russland, USA, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Nordkorea und Israel verfügten nach Sipri-Schätzungen im Januar 2025 über mehr als 12.241 Atomsprengköpfe.
Die Angst vor Russland bestimmt die Verteidigungspolitik. Präsident Macron diskutiert nun eine Ausweitung des französischen nuklearen Schutzschirms auf europäische Verbündete.16.04.2025 | 6:28 min
Etwa 9.614 davon befanden sich den Angaben zufolge für den potenziellen Einsatz in militärischen Lagerbeständen. Schätzungsweise 3.912 der Sprengköpfe wurden demnach bereits auf Raketen oder auf aktiven Stützpunkten platziert, rund 2.100 davon in hoher Einsatzbereitschaft gehalten.
Gleich mehrere Abrüstungs- und Kontrollverträge haben in jüngerer Zeit stark gelitten. 2019 hatten die USA unter dem damaligen wie heutigen Präsidenten Donald Trump den INF-Vertrag zum Verzicht auf landgestützte atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen gekündigt und ein Jahr später auch den Rückzug aus dem Vertrag Open Skies über internationale militärische Beobachtungsflüge angekündigt. Daraufhin hatte auch Russland den Open-Skies-Austritt verkündet.
2022 vollzog Russland nach seinem Einmarsch in die Ukraine seinen Austritt aus dem Abrüstungsvertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE-Vertrag). Moskau setzte damals auch den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag New Start mit den USA außer Kraft. Gespräche über ein Nachfolgeabkommen liegen seitdem auf Eis. Findet sich keine Lösung, läuft der Vertrag im Februar 2026 aus.
Quelle: dpa
Bericht: Weitere Staaten könnten Atomwaffen entwickeln
Erneute Atomdebatten in Europa, Nahost und Ostasien deuten Sipri zufolge darauf hin, dass potenziell weitere Staaten ihre eigenen Kernwaffen entwickeln könnten.
Die Atombemühungen Irans sehen die Friedensforscher dabei zunehmend vom eskalierenden Konflikt mit Israel beeinflusst: Während dabei in innenpolitischen Debatten die potenziellen Vorteile einer nuklearen Abschreckung thematisiert würden, signalisiere die iranische Führung bei Gesprächen mit den USA über eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Westen Bereitschaft für atomare Zurückhaltung, heißt es im Bericht.
Dunkler Rauch steigt auf von Irans Atomanlage Natans. Israels gezielter Angriff sollte Irans Griff nach Atomwaffen aufhalten. Wie weit ist das iranische Atomprogramm wirklich?13.06.2025 | 2:08 min
Sipri-Experte: Atomwaffen garantieren keine Sicherheit
Wie die Friedensforscher weiter mitteilten, kristallisiert sich im Schatten Washingtons und Moskaus derweil immer stärker eine dritte führende Atommacht heraus, die sich laut Sipri mitten in der umfassenden Modernisierung und Ausweitung ihres Atomwaffenprogramms befindet: China.
Die chinesischen Bestände werden von dem Institut auf etwa 600 nukleare Sprengköpfe geschätzt. Das sind mittlerweile mehr als Frankreich (290) und Großbritannien (225) zusammen.
Chinas Atomwaffenarsenal wächst schneller als das jedes anderen Landes: seit 2023 um etwa 100 neue Sprengköpfe pro Jahr.
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Sipri-Bericht
"Es ist das gemeinsame Ziel der Israelis und der USA zu verhindern, dass Iran in den Besitz einer Atomwaffe kommt", sagt ZDF-Korrespondent David Sauer in Washington. 14.06.2025 | 2:24 min
Dann wären da noch Indien und Pakistan. Die jüngsten Feindseligkeiten zwischen den Ländern zeigten, dass Atomwaffen keine Konflikte verhinderten, erklärte Sipri-Experte Matt Korda.
Es ist entscheidend, sich daran zu erinnern, dass Atomwaffen keine Sicherheit garantieren.