Drei Festnahmen in Berlin:Weitet die Hamas ihren Aktionsradius aus?
Drei mutmaßliche Hamas-Anhänger sind in Deutschland festgenommen worden. Ob die Terrororganisation nun auch international aktiv wird, erläutert Nahost-Experte Guido Steinberg.
"Diese Verhaftungen von heute seien sehr aufsehenerregend", so Nahostexperte Steinberg. Doch bisher es gebe nur schwache Hinweise, dass Hamas international überhaupt aktiv werde.
02.10.2025 | 4:51 minDie Festnahme von drei mutmaßlichen Hamas-Mitgliedern in Berlin hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft sollen die Männer versucht haben, Waffen für Anschläge auf jüdische oder israelische Einrichtungen in Deutschland zu beschaffen.
Für den Nahost-Experten Guido Steinberg sind die Verhaftungen "sehr aufsehenerregend". Der Terrorismusforscher der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht zunehmenden Druck auf die Terrororganisation, wie er im ZDF-Interview erläutert.
Sehen sie das Interview im heutejournal-update oben im Video oder lesen sie es hier in Auszügen:
Anschläge bisher nur in der Nahost-Region
Seit der Gründung der Terrororganisation Ende der 1980er-Jahre habe die Hamas ihre Anschläge ausschließlich in Israel und den palästinensischen Gebieten verübt, erklärt Steinberg. Einen Anschlag außerhalb der Region habe es bislang nicht gegeben - auch wenn es seit den letzten Jahren vereinzelte, wenn auch nur sehr schwache Hinweise gebe, dass die Gruppe ihre Aktivitäten internationalisieren könnte.
Die Polizei hat heute drei mutmaßliche Hamas-Unterstützer festgenommen. Anscheinend sollten sie Waffen und Munition für Angriffe auf jüdische Einrichtungen beschaffen.
01.10.2025 | 1:26 minTerrorforscher: Organisationen internationalisieren sich unter Druck
Zu möglichen Hintergründen, etwa der Situation in Gaza sowie dem Druck durch den Friedensplan von US-Präsident Donald Trump erläutert Steinberg: "Es könnte durchaus sein, dass die Ereignisse etwas mit Gaza zu tun haben." Steinberg verweist auf ein aus der Terrorismusforschung bekanntes Muster:
Organisationen, die in einem bestimmten Land operieren und ausschließlich national orientiert sind, internationalisieren sich, wenn sie unter Druck geraten.
Guido Steinberg, Nahostexperte
Genau dieser Druck sei für die Hamas in den vergangenen zwei Jahren ganz stark gestiegen - militärisch in Gaza, im Westjordanland, aber auch im Ausland. "Zuletzt mit dem Angriff in Doha, in Katar, aber auch im Libanon und in Syrien hat die Organisation Verluste erlitten", erläutert Steinberg.
Zum zweiten Jahrestag des mörderischen Hamas-Angriffs auf Israel blickt auslandsjournal auf die zerstörerischen Folgen des Konfliktes für Israelis und Palästinenser.
01.10.2025 | 9:05 minEs wäre also "durchaus folgerichtig, dass die Organisation versucht auszuweichen, indem sie beispielsweise in Europa Anschläge verübt." Um ihre vermeintliche Relevanz zu beweisen, könnte die Hamas laut Gudio Steinberg daher versuchen, ihre Aktivitäten stärker ins Ausland zu verlagern,
...indem sie beispielsweise in Europa Anschläge verübt.
Guido Steinberg, Terrorismus- und Nahost-Experte
"Bisher habe es das allerdings noch nicht gegeben", resümiert Steinberg.
Trumps Friedensplan für Gaza erhält internationale Zustimmung - auch von den arabischen Staaten. Die Hamas prüft nun den Vorschlag.
30.09.2025 | 1:40 minSteinberg: "Härtere Gangart" in Deutschland zeigt Wirkung
Der mutmaßliche Ermittlungserfolg in Berlin hängt nach Ansicht Steinbergs auch mit der "härteren Gangart" Deutschlands gegen Organisationen wie Hamas und Hisbollah zusammen. Auch mit dem Verbot der Hamas im November 2023 habe der "Verfolgungsdruck enorm zugenommen".
Zudem seien die Sicherheitsbehörden insgesamt gut informiert, wer zur Hamas gehöre - dazu trüben auch Informationen israelischer Nachrichtendienste bei. Sein Fazit: Deutschland bearbeite das "Phänomen Hamas ganz ordentlich".
Welche Chancen hat Trumps Nahost-Friedensplan? Israel hat zugestimmt, viele arabischen Länder auch – jetzt hängt alles von der Hamas ab.
01.10.2025 | 2:18 minBundesanwaltschaft will Haftbefehle beantragen
Die Bundesanwaltschaft will heute Haftbefehle gegen die drei Männer beantragen. Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs entscheidet dann über den Vollzug der Untersuchungshaft. Die Hamas selbst wies zuletzt eine Verbindung zu den Festgenommenen zurück. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach von einer abgewehrten "terroristischen Bedrohungslage" und erklärte, die Festgenommenen seien schon längere Zeit beobachtet worden.
Das Interview führte Nazan Gökdemir, zusammengefasst hat es ZDFheute-Redakteur Christian Harz.