Gaza vor dem Hunger: Lebensmittelvorräte sind aufgebraucht
Blockierte Hilfslieferungen:Gaza vor dem Hunger: Vorräte aufgebraucht
von Luc Walpot
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Die Grenzen dicht, Hilfsgüter kommen nicht durch: Suppenküchen stellen für viele im Gazastreifen das Überleben sicher, aber auch ihnen gehen die Lebensmittelvorräte aus.
Warten auf eine Mahlzeit: Auch den Suppenküchen im Gazastreifen gehen die Vorräte aus.
Quelle: AFP
Auf dem Markt im Zentrum von Chan Junis im Gazastreifen werden frische Tomaten und Gurken angeboten. Gleich daneben einige zerbeulte Thunfisch-Konservendosen. Die letzten Reste, so sagen die Händler. Kaufen kann die Lebensmittel kaum noch jemand. Die Preise sind horrend gestiegen und die Hunderttausenden Flüchtlinge haben weder Einkommen noch Bargeldreserven.
Ein Kilo Tomaten kostet jetzt 25 Schekel, umgerechnet sechs Euro. Ein Kilo Gurken 20 Schekel, knapp fünf Euro. Hassan Al Farqawi schaut verbittert auf die Auslagen und fragt: "Wie soll ich das bezahlen?"
Das Palästinenser-Werk "UNRWA" warnt vor einer weiteren Hungerkrise in Gaza. Israel blockiert Hilfslieferungen, um den Druck auf die Hamas zu erhöhen.25.04.2025 | 0:24 min
Israel hält die Grenzen dicht, Hilfsgüter kommen nicht durch
Vor dem Krieg hatte Hassan Arbeit als Mechaniker im Norden Gazas. Seit mehr als einem Jahr sind er und seine fünfköpfige Familie aber Flüchtlinge im eigenen Land und mittellos. Wo das Essen herkommen soll, weiß er nicht. "Sie müssen die Grenze wieder öffnen. Der Krieg, die Bomben, die vielen Toten, die ständige Flucht vor den israelischen Truppen, das ist kaum auszuhalten."
Aber das hier, dieser Krieg der Preise, der Krieg um ein Stück Brot, das ist noch viel schlimmer! Nur Gott kann uns helfen.
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Hassan Al Farqawi, Flüchtling im Gazastreifen
Seit mehr als sieben Wochen hält Israel die Grenzen zum Gazastreifen geschlossen, kommen keinerlei Hilfsgüter mehr in das Kriegsgebiet. Nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) sind dessen Vorräte jetzt aufgebraucht. Lebensmittel ebenso wie Medikamente. Schon vor drei Wochen musste das WFP alle 25 Bäckereien im Gazastreifen schließen, aus Mangel an Mehl.
Israel blockiert seit mehr als fünfzig Tagen die Hilfslieferungen für den Gazastreifen. Die Vereinten Nationen sprechen von der schlimmsten humanitären Krise seit Beginn des Krieges.23.04.2025 | 0:25 min
UN warnen vor humanitärer Katastrophe
Stéphane Dujarric, Sprecher des UN-Generalsekretärs in New York, warnte vor einer humanitären Katastrophe im Gazastreifen, sollte nicht sofort neue Hilfe zu den notleidenden Menschen gelangen. Etwa 180 Suppenküchen stellten derzeit noch mit einer kargen Mahlzeit am Tag halbwegs das Überleben von etwa der Hälfte der zwei Millionen Menschen im Gazastreifen sicher, so Dujarric. In den kommenden Tagen werden sie ihre Arbeit einstellen müssen, weil die Vorräte an Mehl, Linsen oder anderen Grundnahrungsmitteln erschöpft sind.
Es fehlt auch an Kochgas und Treibstoff. Ohne Diesel für die Generatoren können auch die Wasseraufbereitungsanlagen nicht betrieben werden. Es gibt kaum Trinkwasser. In den Nebenstraßen in Chan Junis türmt sich außerdem der Abfall. Auch weil schweres Räumgerät und viele Lkw durch israelische Angriffe zerstört wurden.
Hoffen auf eine Mahlzeit: UN-Suppenküche in Nuseirat im Gazastreifen
Quelle: AFP
Suppenküche von Abu Al Qasim hält noch ein paar Tage durch
Sechs große Bottiche stehen in der Suppenküche von Abu Al Qasim auf den Feuerstellen. Linsensuppe, Nudelsuppe, einmal am Tag, für die am schwersten von der Not Betroffenen. Vorrang haben Mütter und Kinder.
"Wir mussten die Menge in den letzten Wochen immer weiter reduzieren, um möglichst lange durchhalten zu können", sagt Abu Al Qasim. "Zu Beginn des Krieges haben wir etwa Tausend Familien hier versorgt. Jetzt sind es 5.000. Und sie kommen teilweise vier Kilometer zu Fuß hierher, weil es die einzige Nahrungsquelle weit und breit für sie ist." Auch in dieser Einrichtung sind die Vorräte fast aufgebraucht. Abu Al Qasim überschlägt:
Vier oder fünf Tage - länger wird es nicht mehr reichen.
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Abu Al Qasim
100.000 Tonnen Lebensmittel auf der anderen Seite der Grenze
Jenseits der Grenzstadt Rafah, im Süden des Gazastreifens, warten auf ägyptischer Seite mehr als 100.000 Tonnen Lebensmittel und Hilfsgüter. Nach Angaben des Welternährungsprogramms genug, um eine Million Menschen vier Monate zu versorgen. Aber Israel bleibt bei seiner harten Linie.
Verteidigungsminister Katz betonte jüngst, die Grenzblockade sei mit dem Völkerrecht vereinbar. Man wolle verhindern, dass die Terrorgruppe Hamas, wie in der Vergangenheit, Hilfslieferungen für sich abzweige und durch den Verkauf ihre Kasse fülle. Die radikalislamische Hamas wirft im Gegenzug Israel vor, Hunger gezielt als Waffe gegen die Zivilbevölkerung einzusetzen.
Die Hamas hat eine von Israel vorgeschlagene Waffenruhe als inakzeptabel abgelehnt. Voraussetzung wäre eine Entwaffnung der islamistischen Miliz gewesen.15.04.2025 | 0:26 min
Keine rasche Einigung zwischen Israel und Hamas in Sicht
Die Terrorgruppe will, nach eigenen Angaben, in Kairo einen neuen Vorschlag für eine Waffenruhe und die Freilassung der in ihrer Gewalt befindlichen 59 israelischen Geiseln unterbreiten, von denen vermutlich nur noch die Hälfte lebt. Auf die Kernforderung der Hamas, den Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen, wird sich die Regierung in Jerusalem aber wohl in der derzeitigen Lage nicht einlassen.
Regierungschef Benjamin Netanjahu hält daran fest, die Geiseln zu befreien, aber zugleich die Hamas militärisch und politisch auszuschalten. Sein Auslandsgeheimdienstchef Barnea soll am Wochenende in Katar mit der dortigen Regierung, die als Vermittler tätig ist, über einen neuen israelischen Vorschlag beraten. Eine begrenzte Waffenruhe von 45 Tagen gegen die Freilassung von zehn lebenden Geiseln. Eine rasche Einigung ist aber nicht in Sicht.
Die Hamas hat noch immer Geiseln in ihrer Gewalt. Laut Berichten soll der Leiter des Geheimdienstes Mossad bei indirekten Verhandlungen in Katar die Freilassung vorantreiben.25.04.2025 | 0:24 min
Bevölkerung im Gazastreifen wird zusammengedrängt
In der Zwischenzeit setzt Israels Armee ihre Offensive Tag für Tag fort. Mit Luftangriffen, bei denen nach palästinensischen Angaben am Wochenende mehr als 40 Menschen getötet wurden. Auch zwei israelische Soldaten fielen im Gefecht.
Mit dem Vorrücken am Boden hat die Armee durch weite sogenannte Sicherheitszonen schon mehr als ein Drittel des Gazastreifens besetzt. Die Bevölkerung muss diese Gebiete räumen und wird auf immer engerem Raum zusammengedrängt. Man werde die Offensive noch ausweiten, drohte Israels Generalstabschef Eyal Zamir, wenn die Geiseln nicht bald freikämen.
Mit dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel ist der Nahost-Konflikt eskaliert. Noch immer sind nicht alle Geiseln frei - Israel fliegt weiter Angriffe auf Gaza.