ZDF-Korrespondenten: Wer den Gaza-Krieg stoppen könnte

ZDF-Korrespondenten ordnen ein:Wer den Gaza-Krieg stoppen könnte

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Während die internationale Kritik am Vorgehen Netanjahus immer lauter wird, startet Israel erneut eine Offensive. Wer den Krieg stoppen könnte und wieso das eher unrealistisch ist.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor einem Bild der Zerstörung im Gaza-Streifen
Während sich die humanitäre Krise im Gazastreifen zuspitzt, startet Israel erneut eine Offensive. Warum Israel kaum Konsequenzen drohen, analysiert ZDFheute live.20.05.2025 | 36:42 min
Seit Monaten verschärft sich die humanitäre Notlage im Gazastreifen. Im anhaltenden Konflikt mit Israel leidet die Zivilbevölkerung. Sie erhält kaum noch Nahrung, die medizinische Versorgung ist katastrophal. Nach rund elf Wochen durften die ersten neun Lkw mit Hilfsgütern die Grenze in den Küstenstreifen überqueren.
Während die israelische Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Hilfslieferungen wieder zulässt, hat sie gleichzeitig eine neue militärische Großoffensive angeordnet. Ziel sei es weiterhin, die radikal-islamistische Terrororganisation Hamas und ihre Infrastruktur zu zerstören. Die internationale Kritik am Vorgehen Netanjahus wird lauter, doch echte Konsequenzen für Israel bleiben bislang aus.
ZDF-Korrespondent Thomas Reichart, ZDF-Korrespondentin Golineh Atai und ZDF-Korrespondentin Heike Slansky sprechen bei ZDFheute live darüber, wer Israel unterstützt und wer die Macht hätte, den Nahost-Konflikt zu stoppen.
Sehen Sie oben das ganze Interview im Video und lesen Sie es hier in Auszügen. Das sagen die ZDF-Korrespondenten …

… zur Rolle der israelischen Bevölkerung

Die neue Kriegsphase sei vom israelischen Sicherheitskabinett einstimmend beschlossen worden, berichtet ZDF-Korrespondent Thomas Reichart live aus Israel. Die Koalition wirke sehr stabil. Es gebe nur wenige kritische Stimmen aus dem politischen Lager, die die Kriegsführung kritisierten. Innerhalb der Bevölkerung sehe das jedoch anders aus.

Aktuelle Umfragen zeigen, dass 70 Prozent der Menschen in Israel für ein Ende dieses Krieges sind und eine Freilassung der Geiseln - also sozusagen für einen Deal mit der Hamas.

Thomas Reichart, ZDF-Korrespondent

Die Kriegsführung Israels sei im Grunde eine gegen den Willen des Volkes, so Reichart. "Trotzdem schafft es die Regierung Netanjahu Zehntausende Reservisten einzuziehen und auch immer genug sonstige Truppen für diesen Krieg zu haben."
Die öffentliche Meinung sei dennoch eindeutig gegen den Kurs der Regierung. Es gebe bereits Proteste, so Reichart, diese seien derzeit noch überschaubar - wie sich die Lage entwickle, bleibe abzuwarten.
Benjamin Netanjahu
Frankreich, Großbritannien und Kanada haben Israel wegen der "unverhältnismäßigen" Eskalation im Gazastreifen kritisiert. Die Staats- und Regierungschefs sprachen eine Warnung aus.20.05.2025 | 0:29 min

.… zur Rolle Deutschlands und den USA

Um den Krieg fortzuführen, sei Israel auf Waffenlieferungen angewiesen - vor allem aus den USA und Deutschland. Die Vereinigten Staaten deckten etwa zwei Drittel der Waffenimporte nach Israel ab, das restliche Drittel komme größtenteils aus Deutschland, so ZDF-Korrespondent Thomas Reichart. Auch andere Länder wie Serbien seien inzwischen als Lieferanten relevant - etwa für Munition - aber die Hauptrolle spielten Washington und Berlin.
Seit dem Amtsantritt von Donald Trump hätten die USA alle zwischenzeitlichen Beschränkungen aufgehoben, so Reichart, und lieferten inzwischen wieder bunkerbrechende Bomben mit enormer Sprengkraft. Auch Deutschland habe seit dem 7. Oktober massiv Waffen geliefert. Bundeskanzler Friedrich Merz habe vor seiner Wahl angekündigt, man werde Israel "mehr und schneller" unterstützen. Ob er diesen Kurs angesichts der aktuellen Lage weiterverfolge, sei bislang offen - eine Reaktion aus Berlin stehe noch aus.
Benjamin Netanjahu und Johann Wadephul (links)
Wegen des harten Vorgehens Israels in Gaza ist Deutschlands Unterstützung für Israels Kurs geringer. Außenminister Wadephul ruft unter anderem zu Verhandlungen auf, welche Rolle spielt noch die "Staatsräson"? 12.05.2025 | 2:46 min
Auch ZDF-Korrespondentin Heike Slansky aus Washington sieht keine Anzeichen für ein Umdenken: Die USA stünden weiter fest an der Seite Israels. Zwar suche die US-Regierung nach einer Lösung und wolle ein Ende des Konflikts. Bislang jedoch ohne Erfolg:

Waffenruhe wird permanent in den Mund genommen, aber es passiert ja eben nicht, genauso wenig wie die Hilfslieferungen ankommen.

Heike Slansky, ZDF-Korrespondentin

Washington bemühe sich zunehmend, Hilfen unabhängig von Israel in den Gazastreifen zu bringen - auch als Signal an Netanjahu. Doch ein genereller Kurswechsel bei den Waffenlieferungen sei "zweifelhaft", so Slansky.
ZDF-Korrespondent Thomas Reichart bei einem Schaltgespräch.
Nach fast drei Monaten will Israel wieder humanitäre Hilfen in den Gazastreifen zulassen. ZDF-Korrespondent Thomas Reichart schätzt den Kurswechsel von Israels Regierung als Reaktion auf Druck aus Washington ein.19.05.2025 | 1:08 min

… zur Rolle der arabischen Welt

Auch in der arabischen Welt gibt es laute Kritik am Vorgehen Israels in Gaza. Bei einem Treffen der Arabischen Liga in Bagdad beschuldigten die Länder Israel, ethnische Säuberung in Gaza zu betreiben. ZDF-Korrespondentin Golineh Atai sieht darin jedoch kein starkes Signal: Wichtige Akteure wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate seien dem Treffen ferngeblieben, einige Delegationen hätten es sogar vorzeitig verlassen. Ein gemeinsames Abschlussstatement habe es nicht gegeben.

Dieser Gipfel ist eigentlich gescheitert.

Golineh Atai, ZDF-Korrespondentin

Zwar habe der Irak Hilfe in Aussicht gestellt, doch die große Politik finde laut Atai längst anderswo statt: in Ägypten, Jordanien, Katar und Saudi-Arabien. Vor allem Katar und Ägypten würden seit Monaten intensiv vermitteln, berichtet Atai. Sie hätten zwei Waffenruhen ausgehandelt und Katar habe zuletzt zusammen mit den USA an der Freilassung einer Geisel mitgewirkt.
Nahostkonflikt - Freilassung der Geiseln gefordert
Die Hamas hat angekündigt, eine israelisch-amerikanische Geisel freizulassen. Der 21-jährige Edan Alexander soll die letzte lebende Geisel mit US-Staatsbürgerschaft sein.12.05.2025 | 0:24 min
Doch insgesamt halte sich die arabische Welt mit öffentlichen Reaktionen auffallend zurück. Gründe dafür seien vielfältig: Viele Länder seien, was ihre Sicherheit und Stabilität angehe, von den USA abhängig. Außerdem steckten viele Länder selbst in Krisen und Kriegen.

Da ist das eigene Überleben wichtiger als jetzt die Konfrontation mit einem historischen Feind. Ein historischer Feind, der aber ein übermächtiger Feind ist.

Golineh Atai, ZDF-Korrespondentin

Trotzdem sei die Haltung in der Bevölkerung weniger radikalisiert als oft angenommen. Meinungsumfragen zeigten, dass eine Mehrheit in der arabischen Welt eine Zwei-Staaten-Lösung befürworte - ein Ziel, das vor allem Saudi-Arabien auf internationaler Ebene vorantreibe.

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Quelle: ZDF

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