Irans oberster Führer: Wer ist Ajatollah Chamenei?

Irans oberster Führer:Wer ist Ajatollah Chamenei?

von Anne Herzlieb
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Seit Wochen hält er sich versteckt. Nun tauchte Chamenei am Wochenende beim schiitischen Aschurafest auf. Wer ist Irans geistiges Oberhaupt, das seit 36 Jahren an der Macht ist?

Ali Khamenei
Der oberste Führer des Iran zeigte sich am Wochenende erstmals seit dem Krieg mit Israel in der Öffentlichkeit.
Quelle: ddp

"Wenn du nicht müde wirst, sing: oh Iran", wünscht der oberste geistige Führer Irans. Und der Kleriker setzt an, die patriotische Hymne über die Stärke und Schönheit Irans zu singen. Nationalistische Töne in der Moschee im Herzen Teherans. An diesem Wochenende sind Regimetreue gekommen, um ihn zu sehen: Zum ersten Mal seit dem Zwölftagekrieg tritt Chamenei öffentlich auf - am Aschurafest, dem höchsten schiitischen Feiertag.
Chameneis Wunsch ist nicht nur in der Moschee in Teheran Befehl, wo die Menge in das Lied mit einstimmt, sondern im ganzen Land. In Iran konzentriert sich alle Macht auf ihn: die Armee, die Revolutionsgarde, die Staatsmedien, die Justiz. Nicht der Präsident sondern der Ajatollah hat in religiösen und politischen Fragen das letzte Wort. Seit 36 Jahren ist Chamenei an der Spitze der Islamischen Republik und der mächtigste Mann im Gottesstaat.
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Wie kam er an die Macht?

1939 wurde Chamenei in Maschad, einer erzkonservativen, iranischen Pilgerstadt geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Schon früh besuchte er eine Koranschule. Sein Vorbild: der frühere Ajatollah Ruhollah Chomenei. Wie sein Lehrer kämpfte auch er gegen den Schah Mohammed Reza Pahlavi, saß in den 60er und 70er Jahren mehrfach im Gefängnis.
Es war die Zeit, als der iranische Geheimdienst "Savak" brutalst gegen Kritiker des Schahs vorging. 1979 stürzte der Schah, die Iranische Revolution markiert das Ende der Monarchie und den Anfang der Islamischen Republik, in dem "Koran und Scharia" gelten.
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Hass auf Israel und die USA als Staatsräson

Seither ist der Hass auf Israel und die USA - "der kleine Satan" und der "Große Satan" - ideologischer Grundpfeiler der Islamischen Republik. Chamenei spricht Israel das Existenzrecht ab, bezeichnet den Staat als "Krebsgeschwür", unterstützte früh die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO).
Unter seiner Herrschaft wird 1982 die Hisbollah-Miliz mit Waffen und Geld unterstützt, um israelische Truppen aus dem Südlibanon zurückzudrängen. Seither gilt die Hisbollah als verlängerter Arm Teherans ebenso wie die Hamas im Gazastreifen und die Huthis in Jemen.
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Innenpolitische Herausforderungen

Im Innern sind die größte Herausforderung die durch die internationalen Sanktionen hervorgerufene Wirtschaftskrise und der Absturz des Rial. Die Folgen sind Inflation, Verteuerung der Exportgüter und das Schrumpfen der iranischen Mittelschicht.
Immer wieder kommt es im Land zu Protesten: von den Studentenprotesten der 1990er Jahre über die sogenannte Grüne Bewegung von 2009 bis zu den "Benzinprotesten" von 2019. 2022 nach dem Tod von Jina Masha Amini wurden Zehntausende Menschen festgenommen, Hunderte starben. Chamenei zufolge waren die Unruhen ein "ausländisches Komplott".
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Wo ist Chamenei?

Auf Social Media ist der Ajatollah bestens vernetzt mit immerhin 4,5 Millionen Followern auf Instagram, und er postet auf der Plattform X in mehreren Sprachen. Doch im Zuge des Zwölftagekriegs ist er abgetaucht.
Seit mehrere ranghohe Militärs und sein außenpolitischer Chefberater ermordet worden sind, ist sein Machtapparat angegriffen. Laut "New York Times" soll sich Irans Oberhaupt in einem geheimen Bunker verstecken.
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Wie geht es weiter in Iran?

Und wenn Chamenei stirbt oder ermordet wird? US-Präsident Donald Trump lässt wissen, er werde die Tötung Chameneis "jedenfalls nicht jetzt" befehlen. Um ein Machtvakuum zu verhindern, soll Chamenei schon einen Nachfolger im Blick haben. Sein Sohn Modschtaba war mal im Gespräch.
Es könnte auch ein Nicht-Kleriker von den mächtigen Revolutionsgarden Irans Oberhaupt übergangsweise beerben. Oder es kommt noch zu einer überraschenden Wende in der Nachfolgediskussion - Wenden, wie sie das Land in seiner Geschichte so oft erlebt hat.
Anne Herzlieb ist Redakteurin beim ZDF-Magazin "frontal".

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