Plagiatsvorwürfe gegen Juristin:Gutachten entlastet Brosius-Gersdorf
|
Auch Plagiatsvorwürfe haben die Wahl von Brosius-Gersdorf zur Bundesverfassungsrichterin verhindert. Ein Kurzgutachten entlastet die SPD-Kandidatin nun. Auch die Kirche reagiert.
Ein erstes Kurzgutachten entlastet die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf von Plagiatsvorwürfen.
Quelle: 25-3743012
Dass CDU und CSU die Wahl der Potsdamer Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf platzen ließen, begründete die Union auch mit Plagiatsvorwürfen - obwohl es erhebliche Zweifel daran gab. Nun entlastet ein von Brosius-Gersdorf und ihrem Mann Hubertus Gersdorf selbst in Auftrag gegebenes Kurzgutachten die Juristin zusätzlich. Das Gutachten liegt dem ZDF vor.
Professorin Brosius-Gersdorf hält vorerst an ihrer Kandidatur für das Bundesverfassungsgericht fest. Sie würde jedoch verzichten, sobald dem Gericht durch die Debatte Schaden droht.16.07.2025 | 1:41 min
Gutachter entlasten Brosius-Gersdorf
Die Autoren des Kurzgutachtens, die Anwälte Michael Quaas und Peter Sieben, schreiben in einer Mitteilung:
Die Prüfung hat ergeben, dass die Vorwürfe unbegründet sind und keine Substanz haben.
„
Die Autoren des Kurzgutachtens
Dabei überprüften die beiden Anwälte eine Reihe ähnlicher oder nahezu gleichlautender Fußnoten, ähnlich oder gleichlautende Textstellen sowie Ähnlichkeiten in Überschriften. "Selbst wenn man annimmt, dass sämtliche aufgezeigten Übereinstimmungen sich nicht erklären lassen, begründen diese weder einen Plagiatsvorwurf noch stellen sie die Wissenschaftlichkeit der Arbeiten sowohl von Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf als auch von Herrn Prof. Dr. Hubertus Gersdorf in Frage." Die Schwelle dafür sei bei Weitem nicht erreicht.
Die Wahl drei neuer Verfassungsrichter war am Freitag gescheitert – wegen des Konflikts um SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf. Die Juristin weist die Vorwürfe nun öffentlich zurück.15.07.2025 | 3:47 min
Gutachten: Auch zeitliche Zusammenhänge sprechen gegen Plagiat
Brosius-Gersdorf legte ihre Dissertation mit dem Titel im Sommersemester 1997 der Universität Hamburg vor. Titel: "Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip. Eine verfassungsrechtliche Studie zur Bundesbankautonomie vor und nach der dritten Stufe der Europäischen Währungsunion" - dabei wurden laut Kurzgutachten Rechtsprechung und Literatur bis Juni 1997 berücksichtigt.
Die Habilitationsschrift ihres Mannes zum Thema "Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip" wurde im November 1997 abgeschlossen und im Sommersemester 1998 am selben Fachbereich vorgelegt.
Wie die SPD-Kandidatin für das Verfassungsgericht auf die geplatzte Richterwahl und die Berichterstattung über sie und ihre Standpunkte blickt.15.07.2025 | 84:20 min
Das Kurzgutachten kommt deshalb zu dem Schluss: "Aufgrund des zeitlichen Ablaufs und der deutlich früher veröffentlichten Dissertation von Frau Prof. Dr. Frauke Brosius-Gersdorf spricht der erste Anschein dafür, dass diese - sofern es überhaupt der Fall sein sollte - keine Textstellen aus der Habilitation ihres Ehemannes übernommen hat."
Brosius-Gersdorf wehrt sich im ZDF gegen Vorwürfe
Bereits am Dienstagabend hatte sich die von der SPD nominierte Kandidatin bei "Markus Lanz" zu den Vorwürfen gegen sie geäußert. Dabei wehrte sich Brosius-Gersdorf vor allem gegen eine angeblich zu liberale Haltung bei Schwangerschaftsabbrüchen. Schon am Dienstagvormittag hatte Brosius-Gersdorf in einer schriftlichen Stellungnahme ausführlich zu verschiedenen Anschuldigungen Stellung bezogen.
"Der Hauptvorwurf in den Medien ist, dass ich dem ungeborenen Leben die Menschenwürdegarantie abspräche und für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt sei. Das ist falsch. Dem menschlichen Leben steht ab Nidation das Grundrecht auf Leben zu. Dafür bin ich stets eingetreten.
Die Aussage, ich wäre für eine Legalisierung und eine (hiervon zu unterscheidende) Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt, ist unzutreffend und stellt eine Verunglimpfung dar. Richtig ist, dass ich auf das verfassungsrechtliche Dilemma hingewiesen habe, das besteht, wenn man dem ungeborenen Leben ab Nidation die Menschenwürdegarantie zuerkennt wie dem Mensch nach Geburt. Unter der herrschenden rechtsdogmatischen Prämisse der Nichtabwägungsfähigkeit der Menschenwürde mit Grundrechten Dritter wie der Schwangeren wäre ein Schwangerschaftsabbruch unter keinen Umständen zulässig. Auch ein Abbruch wegen medizinischer Indikation bei Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Frau schiede dann aus.
Es ist aber die seit langem bestehende Rechtslage, dass ein Abbruch bei medizinischer Indikation zulässig ist. Mein Bestreben und meine Aufgabe als Wissenschaftlerin war und ist es, auf diese Problematik und auf Inkonsistenzen im bestehenden Recht hinzuweisen sowie Lösungsmöglichkeiten für eine widerspruchsfreie Regelung des Schwangerschaftsabbruchs aufzuzeigen. Die Lösung kann verfassungsrechtlich nur sein, dass entweder die Menschenwürde doch abwägungsfähig ist oder für das ungeborene Leben nicht gilt. Diesen notwendigen verfassungsdogmatischen Erörterungsbedarf habe ich aufgezeigt, ohne damit die Position zu vertreten, dass das ungeborene Leben schutzlos sei.
Im Gegenteil: Selbst wenn die Menschenwürde erst für den Mensch ab Geburt gelten sollte, wäre das ungeborene Leben nicht schutzlos. Ihm steht ab Nidation das Grundrecht auf Leben zu, wofür ich stets eingetreten bin. Der Vorwurf, ich würde für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt eintreten und sei "lebenskritisch", ist falsch und entbehrt jeder Grundlage. Meine diesbezüglichen Veröffentlichungen lassen sich auch nicht dahingehend missverstehen. Das von mir aufgezeigte verfassungsdogmatische Dilemma wird verkürzt wiedergegeben und genutzt, um mir unzutreffend zu unterstellen, ich würde nicht für das Grundrecht auf Leben ab dem Zeitpunkt der Nidation eintreten."
[Anm. der Red.: Die Nidation beginnt am fünften oder sechsten Tag nach der Befruchtung der Eizelle.]
"Anliegen und Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem religiösen Kopftuch von Rechtsreferendarinnen waren Unterschiede in der Rechtsprechung beim Umgang mit dem Neutralitätsgebot des Staates. Während ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen an staatlichen Schulen verfassungsrechtlich nicht zulässig sein soll, soll ein entsprechendes Verbot für Rechtsreferendarinnen in bestimmten Situationen im Gerichtssaal zulässig sein.
Hierin habe ich einen Widerspruch gesehen. In beiden Fällen ist zwischen dem Staat, für den ein Neutralitätsgebot (Identifizierungsverbot) gilt, und den Staatsbediensteten, die ihre grundrechtliche Freiheit ausüben, zu unterscheiden. Der Staat identifiziert sich nicht mit der Grundrechtsausübung seiner Bediensteten. Daraus folgt aber nicht, dass ein Kopftuchverbot stets verfassungswidrig wäre. Denn auch wenn sich ein Kopftuchverbot für Amtswalter nicht auf das Neutralitätsgebot für den Staat stützen lässt, kann es im Einzelfall durch das Mäßigungsgebot für Staatsbedienstete legitimiert sein."
"Es wurde berichtet, ich wolle durch Paritätsmodelle für die Wahl des Deutschen Bundestags Wahlgrundsätze wie insbesondere die Wahlgleichheit aushebeln. Richtig ist: Ich habe mich rechtswissenschaftlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob das im Grundgesetz verankerte Gebot der Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern Eingriffe in die Wahlgrundsätze rechtfertigt. Diese Frage ist in der Rechtswissenschaft umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt."
Sie war dabei auch auf eine Predigt des Bamberger Erzbischofs Herwig Gössl zu sprechen gekommen. Sie finde es besonders verstörend, dass der Erzbischof in Bezug auf ihre Person von einem "Abgrund von Intoleranz und Menschenverachtung" gesprochen habe, sagte sie in der Sendung "Markus Lanz". "Ich finde das infam."
"Missverständnisse ausräumen": Erzbischof bietet Juristin Gespräch an
Gössl hatte am Sonntag in seiner Predigt zunächst über ein Urteil zu Kruzifixen in Schulen gesprochen. Dann sagte er: Es habe in der vergangenen Woche "gleich noch einen zweiten innenpolitischen Skandal" gegeben "durch die geplante Nominierung einer Richterin für das Bundesverfassungsgericht, die angeblich das Lebensrecht ungeborener Menschen bestreitet. Ich möchte mir nicht vorstellen, in welchen Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung wir gleiten, wenn die Verantwortung vor Gott immer mehr aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet."
Der Erzbischof bot der Juristin nun ein persönliches Gespräch an, um Missverständnisse auszuräumen, schrieb er in einer Erklärung. Er habe "zu keinem Zeitpunkt die angesehene Juristin Frauke Brosius-Gersdorf persönlich angreifen oder diffamieren wollen". Mit dem "innenpolitischen Skandal" habe er "die Vorgänge im Bundestag um die geplante und dann vertagte Nominierung der Verfassungsrichterin gemeint".
Die Richterin Brosius-Gersdorf äußert sich zu gescheiterten Verfassungsrichterwahl im Bundestag. Diana Zimmermann gibt eine Einschätzung in Berlin. 15.07.2025 | 1:55 min