Richterwahl: Spahn räumt Versäumnisse ein

Nach Kritik an Fraktionschef:Richterwahl: Spahn räumt Versäumnisse ein

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Nach massiver Kritik hat Jens Spahn Versäumnisse bei der gescheiterten Richterwahl eingeräumt. Ihm sei bewusst, dass er Verantwortung trage.

Archiv: Jens Spahn, CDU/CSU Fraktionsvorsitzender im Bundestag, verfolgt die Debatte im Bundestag bei den Haushaltsberatungen zur Einbringung des Entwurfs für den Bundeshaushalt 2025.
Jens Spahn räumt Fehler ein nach der verschobenen Richterwahl (Archivbild)
Quelle: dpa

Nach der kurzfristig verschobenen Wahl von zwei Verfassungsrichterinnen und einem Verfassungsrichter am Freitag im Bundestag steht Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) in der Kritik. Nun räumt er in einem Schreiben an die Fraktionsmitglieder, das ZDFheute vorliegt, eigene Versäumnisse ein.

Die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken gegen eine der Kandidatinnen haben wir unterschätzt.

Jens Spahn, Unionsfraktionschef

Er schrieb mit Blick auf die Politik der schwarz-roten Koalition: "Dass diese Bilanz nun durch die Ereignisse der letzten Woche im Zusammenhang mit der Richterwahl überschattet wurde, ärgert mich sehr."
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Ihm sei bewusst, dass er als Fraktionsvorsitzender daran eine Verantwortung trage. Er werde nun alle Energie darauf verwenden, dass die Unionsfraktion "verlässlicher Stabilitätsanker" der Koalition bleibe.

Erklärung von SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf erwartet

Etliche Unions-Politiker hatten ihren Widerstand gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf mit deren liberalen Haltung zum Schwangerschaftsabbruch begründet. Weil keine Zweidrittel-Mehrheit mehr für Brosius-Gersdorf sicher war, waren alle drei Richterwahlen am Freitag abgesagt worden.
Hinweise auf einen Rückzug der SPD-Kandidatin gab es zunächst nicht. Allerdings wird damit gerechnet, dass sie am Dienstag selbst eine Erklärung abgeben will. Brosius-Gersdorf wird auch in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" erwartet.
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Laut dem Nachrichtenportal "Politico" will die Rechtsprofessorin in einer Stellungnahme auf Vorwürfe ihrer Kritiker eingehen und Irritationen ausräumen. An ihrer Kandidatur hält sie demnach aber weiter fest.

Spahn: Konnten keinen Kompromiss finden

Während Brosius-Gersdorf verkündet, sich verteidigen zu wollen, spricht Jens Spahn in seinem Brief an die Unionsfraktion von einer "Notbremse", die am Freitag gezogen worden sei - allerdings zu spät.

Wir waren am Freitag nicht mehr in der Lage, einen Kompromiss mit der SPD zu finden. Daran haben beide Seiten ihren Anteil.

Jens Spahn

Es sei "nicht möglich" gewesen, zumindest die zwei unstrittigen Wahlvorschläge für das Bundesverfassungsgericht zur Abstimmung zu stellen und damit "parlamentarische Normalität" zu zeigen.
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Trotz der Blockade betont Spahn, das Bundesverfassungsgericht sei weiterhin voll arbeitsfähig. Die Neubesetzungen hätten keine Dringlichkeit, doch sollten sie "in aller Nüchternheit" vorbereitet werden.

Rund 300 Rechtswissenschaftler äußern Kritik

Die Sozialdemokraten wollen weiter an ihrer Bewerberin festhalten. Es sei "wichtig, gemachte Zusagen einzuhalten", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede in der ARD. Für eine neue Bewerberin sprach sich indes CSU-Chef Markus Söder aus. Auf Brosius-Gersdorfs Kandidatur "liegt und lag kein Segen", sagte der bayerische Ministerpräsident.
Bundesverfassungsrichter.
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Scharfe Kritik am Umgang mit Brosius-Gersdorf äußerten derweil rund 300 Rechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler in einem offenen Brief. "Im Richterwahlausschuss eine Kandidatin zunächst zu bestätigen, um dann gegenüber ideologisierten Lobbygruppen und mit Unwahrheiten und Diffamierungen gespickten Kampagnen zurückzurudern, zeugt zumindest von fehlendem politischem Rückgrat und mangelnder interner Vorbereitung", heißt es darin.
Brosius-Gersdorf sei "eine hoch angesehene Staatsrechtslehrerin" und dies "in Fachkreisen völlig unstreitig".
Quelle: ZDF

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