Richterwahl: SPD sauer - Union hofft auf Lösung im Sommer

Nach geplatzter Richterwahl:SPD sauer: Blockade der Union "brandgefährlich"

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Nach der geplatzten Richterwahl rumort es: Die SPD ist sauer, auch CDU-Spitzenpolitiker Müller wirft der Union "Führungsversagen" vor. Die Union hofft auf eine Lösung im Sommer.

Berlin: Jens Spahn (l), Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag, Alexander Hoffmann, CSU-Landesgruppenchef (M) und Matthias Miersch, SPD-Fraktionsvorsitzender, unterhalten sich im Bundestag zu Beginn der Sitzung.
"Bewusste Demontage unseres höchsten deutschen Gerichts": SPD-Fraktionschef Miersch (im Bild rechts) über die geplatzte Richterwahl.
Quelle: dpa

Nach der geplatzten Wahl von drei Verfassungsrichtern setzt die Union auf ein baldiges Einvernehmen mit der SPD. Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung:

Ich bin sicher, dass die Koalitionsfraktionen über den Sommer eine tragfähige Lösung finden werden.

Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU)

Klingbeil Merz Streit Koalition
Die Union blockiert die Wahl neuer Verfassungsrichter - wegen einer SPD-Kandidatin. Ein früher Härtetest für die Koalition und das politische Klima im Bundestag.11.07.2025 | 2:58 min

SPD ist sauer - und hält an Kandidatinnen fest

In der SPD ist der Unmut über die gescheiterte Wahl für das Bundesverfassungsgericht unterdessen weiter groß. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch schrieb in einer persönlichen Erklärung:

Was wir heute aber auch erleben mussten, ist die bewusste Demontage unseres höchsten deutschen Gerichts und unserer demokratischen Institutionen. Das ist brandgefährlich.

SPD-Fraktionschef Matthias Miersch

In gefetteter Schrift stellte Miersch klar: "Wir halten an unseren Kandidatinnen fest. Ich erwarte, dass die Mehrheit steht."
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, zeigte sich verwundert, dass die Unionsfraktion weder der ursprünglichen Empfehlung ihres Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn gefolgt sei noch der von Kanzler Friedrich Merz. "Da gibt es ein Autoritätsproblem", schlussfolgerte Wiese.

Bundeskanzler Friedrich Merz und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil bei einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestages in Berlin
11.07.2025 | 2:02 min
Wegen Widerstands in der Unionsfraktion gegen die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf sind am Freitag die geplanten Abstimmungen über die insgesamt drei Vorschläge für das Bundesverfassungsgericht kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags genommen worden.

Hintergrund sind eine liberale Haltung der Professorin zu Abtreibungen, aber auch ihre Forderung nach einer Impfpflicht während der Corona-Pandemie. Zusätzlich Dynamik in die Debatte kam durch den Hinweis des österreichischen Plagiatssuchers Stefan Weber auf Übereinstimmungen zwischen der Dissertation Brosius-Gersdorfs und der Habilitationsschrift ihres Ehemanns.

Außer Brosius-Gersdorf hatte die SPD noch die Münchner Juraprofessorin Ann-Katrin Kaufhold nominiert und die Union den vom Verfassungsgericht empfohlenen Arbeitsrichter Günter Spinner.

SPD setzt auf Gespräch von Brosius-Gersdorf mit Union

Die SPD setzt nun auf ein direktes Gespräch ihrer Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf mit der Unionsseite. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede begrüßte im Fernsehsender Welt, "dass Frau Professorin Frauke Brosius-Gersdorf auch bereit wäre, sich bei der Unionsfraktion persönlich vorzustellen, um eben Zweifel auszuräumen".
Bei einer digitalen Sitzung von SPD-Vorstand und Bundestagsfraktion hatte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch am Freitagabend betont, dass man rasch von Angesicht zu Angesicht sprechen müsse, wie es in Fraktionskreisen hieß. "Bild" und "Tagesspiegel" hatten zuerst über die Videokonferenz berichtet. Die SPD rechnet den Angaben zufolge damit, dass die Union das Gesprächsangebot annehmen wird.
Shakuntala Banerjee im Gespräch mit Alexander Thiele Verfassungsrechtler
Verfassungsrechtler Alexander Thiele spricht von einem „entsetzlichen Umgang“ mit den beiden Kandidatinnen für das Verfassungsgericht.11.07.2025 | 2:52 min

CDU-Spitzenpolitiker wirft Union "Führungsversagen" vor

Kritik an der Unionsführung kam auch vom ehemaligen Verfassungsrichter und CDU-Spitzenpolitiker Peter Müller. "So etwas darf nicht passieren", sagte Müller der "Süddeutschen Zeitung".

Dies ist ein eklatantes Führungsversagen der Union.

Peter Müller, CDU-Politiker und Ex-Verfassungsrichter

Er war von 1999 bis 2011 saarländischer Ministerpräsident und von 2011 bis 2023 Richter am Bundesverfassungsgericht. Dass es Vorbehalte gegen Personalvorschläge für Karlsruhe gebe, sei zwar "nichts Neues", sagte der 69-Jährige. "Nur: Bisher wurde das im Vorfeld geklärt."
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Ein Grund für die gescheiterte Richterwahl sei Spahns "sehr dünne politische Strategie", so ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann. Er habe die Wahl nicht sehr ernst genommen.11.07.2025 | 3:36 min

Ansehen des Verfassungsgerichts beschädigt?

Die Grünen sehen in den Vorgängen fehlenden Respekt vor dem obersten deutschen Gericht. Parteichefin Franziska Brantner kritisierte in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern, das Vertrauen in das höchste Gericht werde "fahrlässig beschädigt".
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann sagte im "heute journal up:date" des ZDF, das Verfassungsgericht, die drei Kandidaten und auch das Parlament hätten "massiven Schaden genommen".

Dafür trägt Jens Spahn die Verantwortung.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann

SGS Gökdemir Haßelmann
Vor allem Kanzler Merz und Jens Spahn hätten das Scheitern der Richterwahl herbeigeführt, so Britta Haßelmann, Fraktionschefin der Grünen. Das Parlament habe Schaden genommen.12.07.2025 | 6:36 min
Haßelmann bekräftigte die Forderung ihrer Fraktion, für die Wahl schon kommende Woche in einer Sondersitzung des Bundestags einen Neuanlauf vorzunehmen. Dazu könne jederzeit eingeladen werden. "Wir wollen doch keine Hängepartie über den ganzen Sommer", sagte sie.
Dem "Tagesspiegel" zufolge gibt es in der SPD Überlegungen zu einer Bundestags-Sondersitzung im August. Der Bundestag tagt regulär erst am 10. September wieder Am Freitag ist der Bundestag eigentlich in die parlamentarische Sommerpause gestartet.

Der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Ferdinand Kirchhof.
11.07.2025 | 12:57 min
Der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, sieht durch die geplatzte Wahl auch Folgen für die Arbeit des Gerichts. Zwar seien dessen Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit nicht gefährdet, weil ausscheidende Richter ihr Amt fortführen müssen, bis ein Nachfolger gewählt ist, wie er bei ZDFheute live sagte.

Jedoch werde das Gericht voraussichtlich nur noch kurze Verfahren durchführen können, denn "Richter müssen immer in derselben Besetzung in einer Sache entscheiden, von Anfang bis zu Ende". "Die schwierigen, die langen Verfahren werden aufgeschoben und erst wieder gestartet, wenn der Senat in neuer Besetzung vollständig ist."

Quelle: dpa, ZDF

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