SPD-Kandidatin Brosius-Gersdorf: Zu links für Karlsruhe?
Heikle Richterwahl:SPD-Kandidatin: Zu links für Karlsruhe?
von Andrea Maurer
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Frauke Brosius-Gersdorf soll am Freitag zur Richterin des Bundesverfassungsgerichts gewählt werden. Doch die Mehrheit ist unsicher, die SPD-Kandidatin ist umstritten in der Union.
Umstrittene Kandidatin für Richteramt in Karlsruhe: Frauke Brosius-Gersdorf.
Quelle: dpa
Ob man die Potsdamer Richterin Frauke Brosius-Gersdorf als zukünftige Richterin am Bundesverfassungsgericht für eine gute Wahl hält, hat in der Regierungskoalition und im Bundestag auch etwas damit zu tun, wie man zu ihren Positionen steht. Denn Frauke Brosius-Gersdorf, die die SPD für das höchste Richteramt nominiert, ist eine meinungsstarke Person. Und die Debatte um ihre Person hat sich zugespitzt. Warum?
Kandidatin der SPD in der Kritik
Brosius-Gersdorf hat sich in der Vergangenheit immer wieder AfD-kritisch geäußert und ist Befürworterin eines AfD-Verbots. In dieser Position stimmt sie überein mit der Partei, die sie nominiert hat. Auch die SPD hat auf ihrem letzten Bundesparteitag einen Antrag beschlossen, ein Verbot der AfD vorzubereiten.
Aus dem Archiv: Frauke Brosius-Gersdorf am 25. Juli 2024 zu Gast in der ZDF-Sendung "Markus Lanz".25.07.2024 | 74:01 min
Ein solches Verbotsverfahren müsste letztlich vom Bundesverfassungsgericht entschieden werden, und damit von jener Instanz, an der Brosius-Gersdorf dann Richterin wäre. Dass die Potsdamer Professorin die AfD gegen sich hat, liegt also auf der Hand - und dass die AfD aus ihrer Personalie Politik macht wohl auch.
Der stellvertretende Bundessprecher Stephan Brandner kritisiert:
Die CDU/CSU-Fraktion ist drauf und dran, weitere ihrer Werte und Grundüberzeugungen dem Oppositionsfrieden zu widmen und sich so immer unglaubwürdiger zu machen.
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Stephan Brandner, AfD
Linken-Fraktionschefin Reichinnek verfehlt die nötige Mehrheit zur Wahl ins parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste. Auch die AfD-Kandidaten scheitern.26.06.2025 | 2:33 min
Volle Menschenwürde erst ab Geburt?
Aber auch in der Unions-Fraktion gab es zuletzt Kritik. Brosius-Gersdorf sei "ultralinks" war da zu hören. Auch ihre Positionen zu Abtreibung missfielen manchen Abgeordneten. Die Richterin hatte einer von der Ampel berufenen Expertenkommission angehört und sich für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechtes ausgesprochen. In ihrem Bericht aus dem Jahr 2024 heißt es:
Es gibt gute Gründe dafür, dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt.
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Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin
Kritik an dieser Äußerung kam unter anderem von der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Die katholische Kirche hatte mitgeteilt, man teile eine verfassungsrechtliche Position für ein abgestuftes Lebensschutzkonzept nicht.
Einige Unions-Abgeordnete halten Brosius-Gersdorf auch deshalb für "unwählbar", weil sie sich auch für eine allgemeine Impfpflicht in der Coronapandemie stark gemacht hatte.
Das Erstarken der AfD lässt die Sorge wachsen, das Bundesverfassungsgericht könnte an Einfluss verlieren. Der Bundestag stimmte deshalb heute für eine Änderung im Grundgesetz.19.12.2024 | 2:44 min
Verzicht auf Vizepräsidenten-Posten?
Die Unionsspitze hat sich trotz der Kritik in den eigenen Reihen für Brosius-Gersdorf ausgesprochen. Mit kritischen Abgeordneten führe man derzeit viele Gespräche, heißt es. Fraktionschef Jens Spahn sicherte der SPD am Montag die Unterstützung zu. In der anschließenden Fraktionssitzung soll es dann eine lange Debatte gegeben haben.
An deren Ende könnte ein für die Union tragfähiger Kompromiss stehen. Die Fraktion soll die SPD-Kandidatin in der geheimen Wahl unterstützen. Von der SPD kommt die Garantie, dass Brosius-Gersdorf nach ihrer Wahl nicht auch noch für das vakante Amt der Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts kandidiert.
Mancher in der Union setzt nun auch auf den "Geist des Amtes", den das Amt der Verfassungsrichterin mit sich bringen wird. Die ehemalige Verfassungsrichterin Jutta Limbach hat diesen Geist mal als "Macht der Acht" beschrieben.
Die Union hat einen Unvereinbarkeitsbeschluss, der jegliche Zusammenarbeit mit der Linken ausschließt. Und doch musste diese in den letzten Wochen mehrfach miteinbezogen werden.11.05.2025 | 4:21 min
Mehrheit sicherstellen - ohne die AfD
Neben der Debatte um die SPD-Kandidatin geht es für Union und SPD bei der Wahl am Freitag im Bundestag aber auch um die Frage, ob die drei Richterkandidaten eine so ausreichende Mehrheit von Union, SPD und Grünen bekommen, dass es ohne die AfD oder Linke reichen könnte - oder mit nur wenigen Stimmen der Linken.
Denn für die Wahl der Richter am Bundesverfassungsgericht ist eine einfache Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Wären also beispielsweise 570 der 630 Abgeordneten anwesend, bräuchte es 380 Stimmen für die einfache Zweidrittelmehrheit.
"Perspektivisch möchten wir ein eigenes Vorschlagsrecht, aber wichtiger ist jetzt erstmal, dass wir uns an einen Tisch setzen", sagt Clara Bünger, Die Linke, zur Wahl der Verfassungsrichter.08.07.2025 | 6:44 min
Reicht es mit Union, SPD und Grünen?
Heißt: Je vollzähliger SPD und Union und Grüne am Freitag sind - zusammen kommen sie auf 413 Stimmen - desto höher ist die Chance, dass sie in der geheimen Wahl die Zweidrittelmehrheit erreichen. Offizielle Gespräche mit der Linken dazu lehnt die Union bislang ab, um wenige Stimmen der Linken dürfte sie sich in diesen Tagen aber dennoch inoffiziell bemühen.
Sollte die Wahl am Freitag misslingen, würde der Bundesrat die Richterwahl übernehmen. Das allerdings, heißt es unisono aus SPD und Union, will in den Regierungsfraktionen niemand. Denn das wäre ein schlechtes Zeichen für die Handlungsfähigkeit des Bundestages. Und für die Fähigkeit von Union und SPD, Mehrheiten zu bilden.
Die Wahl der Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht - sie ist im Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt.
Von den 16 Richterinnen und Richtern, die in zwei Senaten mit je acht Richterinnen und Richtern amtieren, werden acht vom Bundestag und acht vom Bundesrat mit Mehrheit gewählt. Dabei haben SPD, CDU/CSU, sowie Bündnis 90/Grüne und FDP vor Jahren einen Verteilungsschlüssel abgesprochen. Der lautet "3-3-1-1" - das heißt, die beiden Senate des Gerichts setzen sich jeweils aus drei von der SPD, drei von der Union, einer von den Grünen und einer von der FDP vorgeschlagenen Jurapersönlichkeit zusammen. Das heißt aber nicht, dass die Nominierten den jeweiligen Parteien auch angehören müssen. Dieser Schlüssel wird überdacht werden müssen, denn die FDP gehört dem Bundestag nicht mehr an.
Frühestens drei Monate vor dem Ablauf der Amtszeit der Vorgänger können die Nachfolger gewählt werden. Kommt innerhalb von zwei Monaten nach dem Ablauf der Amtszeit keine Wahl eines Nachfolgers zustande, so wird das Bundesverfassungsgericht vom Wahlausschuss des Bundestags bzw. dem Bundesratspräsidenten unverzüglich zur Nennung von Wahlvorschlägen aufgefordert - bei einem Nachfolger müssen drei, bei zwei Nachfolgern vier Namen genannt werden.
Die Nominierten müssen das 40. Lebensjahr vollendet haben. Und drei Richterinnen und Richter in jedem Senat müssen länger an einem Bundesgericht, also Bundesgerichtshof, Bundesverwaltungsgericht, Bundesarbeitsgericht, Bundessozialgericht oder Bundesfinanzhof tätig gewesen sein. Die Stelle von Bundesverfassungsrichter Josef Christ ist eine Richter-Richterstelle. Das heißt, für ihn muss eine Richterpersönlichkeit gewählt werden, kein Anwalt oder Juraprofessor.