Politologe: Rückzug von Brosius-Gersdorf hätte "sehr hohen" Preis
Causa Brosius-Gersdorf:Politologe: Rückzug hätte "sehr hohen" Preis
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Frauke Brosius-Gersdorf hat bei "Markus Lanz" einen möglichen Rückzug von ihrer Kandidatur ins Spiel gebracht. Politologe Korte warnt vor einem "sehr hohen" Preis - für die Union.
Die ganze Sendung "Markus Lanz" mit Frauke Brosis-Gersdorf im Video.15.07.2025 | 84:20 min
Wie weiter in der Causa Brosius-Gersdorf? Nach öffentlicher Kritik aus Teilen der Union und darüber hinaus an ihrer Nominierung signalisiert Frauke Brosius-Gersdorf am Dienstagabend bei "Markus Lanz", dass sie an ihrer Kandidatur festhalten möchte - sich unter bestimmten Umständen aber auch einen Rückzug vorstellen könne.
Auf die Frage, ob die am vergangenen Freitag im Bundestag geplatzte Verfassungsrichterwahl und der Streit um ihre Person nicht dem Bundesverfassungsgericht schade, antwortete sie:
Sobald das auch nur droht, würde ich an meiner Nominierung nicht festhalten.
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Frauke Brosius-Gersdorf
Können Union und SPD gemeinsam eine Lösung für die Situation finden - oder ist ein Rückzug der einzige Ausweg?
Trotz Kritik hält SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf an ihrer Kandidatur fürs Bundesverfassungsgericht fest. Sollte dem Gericht allerdings Schaden drohen, würde sie verzichten.16.07.2025 | 1:43 min
Es geht um mehr als eine Personalie
"Das kommt darauf an, wie man die Konfliktmasse einschätzt", erklärt Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Im ZDF heute journal verweist er auf drei mögliche Erklärungsmuster für die blockierte Wahl:
Kulturkampf-Narrativ: Teile der Unionsfraktion seien, so Korte, "auf demagogische Informationen reingefallen". Gemeint sind unter anderem Kampagnen in sozialen Medien, in denen Brosius-Gersdorf etwa wegen früherer Aussagen angegriffen wurde.
Fraktion gegen Fraktionsführung: Korte sieht zudem ein mögliches Führungsproblem innerhalb der Unionsfraktion. Viele Abgeordnete hätten sich nicht eingebunden gefühlt, der Widerstand gegen die Kandidatin sei daher auch Ausdruck von Unmut über den Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn:
Das Politikmanagement, das kleine Einmaleins, Leute mitzunehmen aus einer Position der Fraktionsspitze, ist nicht gelungen.
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Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler
Die ganze Analyse von Karl-Rudolf Korte im Video. 15.07.2025 | 4:34 min
Parteitaktische Reaktion auf die SPD: Schließlich nennt Korte auch parteipolitische Motive als mögliche Ursache. Die SPD habe sich am Tag der Wahl "als Kleinpartei gegenüber der Großpartei Union" durchgesetzt. Der Streit um Brosius-Gersdorf könnte auch als Reaktion auf diesen wahrgenommenen Kontrollverlust der Union zu verstehen sein.
ZDF-Korrespondentin: Auftritt wird "nicht für Beruhigung sorgen"
Sollte das erste Erklärungsmuster zutreffen, wäre die Situation laut Korte grundsätzlich durch Aufklärung lösbar: "Mit Informationen und Gesprächen" könne man Bedenken in der Unionsfraktion möglicherweise ausräumen. Es gehe darum, zu zeigen, dass die Bedenken unbegründet seien:
All das wäre ja möglich durch ein Gespräch auszuräumen, dass man in der Tat sich fähig zeigt, gegen Demagogie vorzugehen.
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Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler
ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Diana Zimmermann beurteilt die Wirkung des Auftritts jedoch kritisch. Die Stellungnahme und das Gespräch bei "Markus Lanz" hätten in der Unionsfraktion "sicherlich nicht für Beruhigung" gesorgt. Im Gegenteil: Die "offensive Art" werde dort eher als Konfrontation und Eskalation wahrgenommen. Ihr Fazit:
Brosius-Gersdorf ist mit diesen Auftritten ihrem Ziel, Verfassungsrichterin zu werden, eher weiter entfernt als heute Morgen.
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Diana Zimmermann, ZDF-Korrespondentin
Die ganze Einschätzung von Diana Zimmermann im Video.15.07.2025 | 1:55 min
Rückzug der Kandidatin? Nicht ohne politische Folgen
Politologe Korte betont, dass in vergleichbaren Fällen ein Rückzug der nominierten Person "der Normalfall" sei. Politisch wäre ein solcher Schritt jedoch nicht folgenlos: Die SPD dürfte einen Rückzug nicht ohne Gegenleistung akzeptieren. Der Preis wäre für die Union "sehr hoch" - möglicherweise verbunden mit einem Personalvorschlag.
Vielleicht für ein ganz anderes Amt, vielleicht für den Bundespräsidenten.
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Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler
Auch, wenn ein Rückzug noch offen ist, warnt Korte vor einem grundsätzlichen Schaden durch die Debatte: Das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts könne in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn sich der Eindruck verfestige, parteipolitische Erwägungen dominierten das Auswahlverfahren.
Das Interview mit Karl-Rudolf Korte führte Marietta Slomka, zusammengefasst hat es Christian Harz.