Richterwahl: Wie eine Lösung aussehen könnte

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Gespräche mit den Linken?:Richterwahl: Wie eine Lösung aussehen könnte

Dominik Rzepka
von Dominik Rzepka
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Eigentlich will die Union nicht mit der Linken zusammenarbeiten. Doch mit ihnen hätten Schwarz-Rot und Grüne eine Mehrheit, um Richter zu wählen. Gibt es schon Lockerungsübungen?

Bundesverfassungsgericht
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Worum geht es?

Um die Frage, wie Schwarz-Rot drei neue Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht wählen will. Am Freitag war Schwarz-Rot daran gescheitert. Ein Grund: Vorbehalte innerhalb von CDU und CSU an der von der SPD vorgeschlagenen Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Etwa 30 bis 50 Unions-Abgeordnete hätten wohl nicht für die Kandidatin gestimmt.
Das Problem: Für die Wahl neuer Richter ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die hat Schwarz-Rot aber nicht, selbst mit der Unterstützung der Grünen würden sieben Stimmen fehlen. Eine Zweidrittelmehrheit ohne die Stimmen der AfD gäbe es nur, wenn auch Teile der Linken zustimmen würden.
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Setzt die Union auf die Linke?

Offiziell nicht. Es gibt einen Unvereinbarkeitsbeschluss: keine Zusammenarbeit mit der Linken. Aber: Was spräche dagegen, wenn in einer geheimen Wahl der eine oder die andere Linke den drei vorgeschlagenen Richterinnen und Richtern zustimmen würde?
In diese Richtung hatte sich am Wochenende Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) geäußert. Er erinnerte im Interview mit dem Deutschlandfunk daran, dass die Linke der Union bereits bei der Wahl von Friedrich Merz (CDU) zum Kanzler geholfen und einen zweiten Wahlgang ermöglicht hatte. Könnte sich das bald wiederholen?

Ich hätte auch in einem weiteren Fall, wenn es notwendig wäre, nicht das Problem, zum Telefon zu greifen und jemanden bei der Linkspartei anzurufen.

Alexander Dobrindt, CSU

Dobrindt war nach dem gescheiterten ersten Wahlgang offenbar der einzige, der die Handynummer der ehemaligen Linken-Chefin Janine Wissler hatte. Es folgten Verhandlungen über einen zweiten Wahlgang, für den es ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit brauchte. Inzwischen hat Dobrindt nach eigener Aussage sogar eine zweite Handynummer von den Linken.
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Würde die Linke Brosius-Gersdorf wählen?

Das ist denkbar, ja. Vielleicht nicht alle der 64 Abgeordneten, aber vielleicht ja eine Handvoll. Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow (Linke) zum Beispiel hätte das bereits am Freitag gemacht. Er hatte ZDFheute vor der verschobenen Wahl gesagt:

Geeignete Juristen erhalten meine Stimme. Alle drei Vorschläge sind respektabel und geeignet.

Bodo Ramelow, Linke

Es sieht nicht danach aus, dass alle Linken so denken. Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek hatte Dobrindts Äußerung zwar "interessant" genannt, de facto aber auch von einem Ablenkungsmanöver gesprochen.
Aber egal, alle Stimmen der Linken braucht Schwarz-Rot auch nicht. Es würde ja schon reichen, wenn für jeden Nein-Sager aus der Union mindestens ein Ja-Sager aus der Linken für Brosius-Gersdorf stimmen würde.
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Was spräche dafür?

Was diese Lösung für die Union möglich machen könnte: Es handelt sich um eine geheime Wahl. Wenn Schwarz-Rot in einer geheimen Abstimmung einige Stimmen der Linken in Kauf nähme, wäre das eine denkbare Möglichkeit. ZDF-Korrespondent Mathis Feldhoff sagt:

Der "Ramelow-Weg", also drei Kandidaten aus übergeordneten Erwägungen zu wählen, wäre keine Zusammenarbeit.

Mathis Feldhoff, ZDF-Korrespondent

Die Union wisse doch, dass sie selbst mit den Grünen keine Zweidrittelmehrheit im Parlament hat. Irgendeinen Weg brauche sie aber. Vor diesem Hintergrund könne man auch die Äußerungen Dobrindts verstehen, sagt er:

Ich würde Dobrindts Aussage als Angebot auch an die eigenen Leute interpretieren, sich locker zu machen: Auch ein Gespräch ist noch keine Zusammenarbeit.

Mathis Feldhoff, ZDF-Korrespondent

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Nominiert die SPD eine andere Kandidatin?

Auch das wäre eine Lösung. Das zumindest bringt CSU-Chef Markus Söder am Montag ins Gespräch:

Um da einen vernünftigeren Weg zu haben, wäre es wahrscheinlich besser, jemand anderes zu finden. Da liegt kein Segen auf der Kandidatur.

Markus Söder, CSU

SPD-Fraktionsvize Sonja Eichwede lehnt das aber ab. Es sei "wichtig, gemachte Zusagen einzuhalten". Sie forderte im gemeinsamen Morgenmagazin von ZDF und ARD eine "verlässliche Zusammenarbeit in der Regierungskoalition".

Die SPD-Bundestagsfraktion hat am Montag ein Bild bei Instagram gepostet und Brosius-Gersdorf "beste Qualifikation" bescheinigt. Denkbar wäre, dass Brosius-Gersdorf in der Unions-Fraktion auftreten und Fragen beantworten könnte.
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Wann wird wieder gewählt?

Das ist offen. Die Grünen fordern eine Sondersitzung während der Sommerpause. SPD-Fraktionsvize Eichwede schließt das am Montag nicht aus. CSU-Chef Söder geht hingegen von einer Wahl im Herbst aus. Auch Kanzler Merz hatte in der ARD gesagt:

Das müssen wir nicht heute oder morgen entscheiden.

Friedrich Merz, CDU

Merz hat am Montag laut einem Regierungssprecher ausführlich mit SPD-Chef Lars Klingbeil telefoniert. Am Zuge sei nun aber der Bundestag. "Jetzt wird für das Paket eine Lösung gesucht", sagt der Sprecher. Er sei "sehr zuversichtlich", dass sich die Fraktionen nun dieser Sache annehmen werden.
Quelle: dpa, AFP

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