Brain Fog: Nebel im Kopf:Wie eine Krebserkrankung das Gehirn beeinträchtigt
von Anja Braunwarth
Worte fallen nicht mehr ein, Termine werden vergessen: Viele Krebspatienten kennen das. Auch Thomas Gottschalk klagt über Brain Fog, den Nebel im Gehirn. Was steckt dahinter?
Bereits zweimal hat Jule den Krebs besiegt. Doch der hat Spuren an ihrem Gehirn hinterlassen. Die 35-Jährige leidet unter einem Cancer Brain.
09.12.2025 | 5:25 minSieben von zehn Krebspatienten haben während oder nach der Erkrankung Störungen der Gehirn- und Denkleistung. Da die Beschwerden oft im Zusammenhang mit einer Chemotherapie auftreten, bezeichnete man dies lange als Chemobrain.
Doch es gibt viele Betroffene, die gegen ihren Krebs nie eine Chemotherapie erhalten haben oder mit Substanzen behandelt wurden, die nicht in das Gehirn gelangen. Daher sprechen Experten bei dem Symptomkomplex inzwischen von kognitiven Beeinträchtigungen oder alternativ von einem Cancer Brain. Die Patienten selbst sprechen oft von Brain Fog, also Gehirnnebel.
Welche Symptome treten bei einem Cancer Brain auf?
Vor allem Wortfindungsstörungen, Vergesslichkeit und/oder eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne zählen zu den Symptomen des Cancer Brains. Ein klassisches Bild findet sich aber nicht, erklärt Anke Ernst vom Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) Heidelberg:
Es gibt nicht die typischen Symptome, die alle gleichermaßen haben, sondern es ist eben individuell unterschiedlich.
Dr. Anke Ernst, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation
Die Störungen im Denken beeinträchtigen viele Patienten in ihrem Alltag. Manche sind kaum noch in der Lage, ihren täglichen Aufgaben nachzukommen.
Als Fatigue wird eine sehr starke körperliche und/oder emotionale Erschöpfung bezeichnet, die über Monate bis Jahre nach einer Krebstherapie andauern kann. Ihr Ausmaß steht in keinem Verhältnis zu etwaigen Anstrengungen. Schlaf oder Erholungsphasen bringen keine Besserung.
Auch die Denkleistung ist häufig beeinträchtigt, sodass sich Fatigue und Cancer Brain oft überlappen. Außerdem können beide Symptomkomplexe gleichzeitig vorliegen. Die Abgrenzung fällt selbst Experten nicht immer leicht. Bei der Fatigue dominiert in der Regel die körperliche Erschöpfung, beim Cancer Brain sind es die kognitiven Ausfälle.
Was den Nebel im Gehirn bei Krebspatienten verursacht
Die genauen Ursachen für ein Cancer Brain sind nicht bekannt. Es gibt einige Chemotherapie-Substanzen, die möglicherweise Störungen im Gehirn verursachen.
Ob Strahlen-, Chemo- oder Immuntherapie: Moderne Krebsbehandlungen sind hochwirksam. Immer mehr Patienten können dadurch geheilt werden. Doch sie haben teils schwere Nebenwirkungen.
31.03.2025 | 5:09 minEs können aber auch andere Elemente einer Krebstherapie in Frage kommen, zum Beispiel Bestrahlungen im Bereich des Gehirns, moderne Immuntherapien oder manche Schmerzmittel. Auch die Krebserkrankung selbst scheint mitverantwortlich.
Man weiß, dass Patienten mit Tumoren im Gehirn häufiger betroffen sind als Patienten mit anderen Krebsarten.
Dr. Anke Ernst, Krebsinformationsdienst Heidelberg
Nicht zuletzt spielen psychische Faktoren eine Rolle. Die Diagnose Krebs löst Ängste aus und geht oft mit Depressivität und Schlaflosigkeit einher. Diese Faktoren können das Beschwerdebild triggern, so Ernst.
Für Angehörige von Menschen mit Depressionen ist der Umgang mit der Erkrankung eine große Belastung und stellt sie vor besondere Herausforderungen.
20.10.2025 | 5:06 minWie sich ein Cancer Brain feststellen lässt
Um kognitive Störungen zu erfassen, gibt es eine Reihe spezieller Fragebögen. Außerdem lässt sich die Denkleistung in verschiedenen neuropsychologischen Tests prüfen. Darin werden zum Beispiel Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung untersucht.
Allerdings passen die subjektiven Beschwerden nicht immer mit den erhobenen Befunden zusammen, da psychische Faktoren wie Depression und Angst das persönliche Empfinden stark beeinflussen.
Wenn das Gedächtnis schwindet:Warum Früherkennung bei Alzheimer wichtig ist
Außerdem gibt es keine klare Definition des Cancer Brains. Es ist auch nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. Eine Behandlung erfolgt daher unabhängig von Testergebnissen - je nach den Bedürfnissen der Patienten.
Patienten mit einem Cancer Brain sollten ihre Beschwerden bei der Nachsorge ansprechen. Die behandelnden Ärzte können dann die Untersuchung und Behandlung der kognitiven Symptome angehen und zur Unterstützung auch Psychoonkologen hinzuziehen.
Regionale Krebsberatungsstellen können helfen, geeignete Ansprechpartner zu finden. Eine gute Anlaufstelle sind zudem Selbsthilfegruppen. Hier erfahren Patienten, dass sie mit den Problemen nicht alleine sind. Zudem erhalten sie nützliche Tipps, was sie dagegen tun können.
Brain Fog lichten: Was gegen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen hilft
Es existieren bis jetzt keine anerkannten therapeutischen Empfehlungen für die kognitiven Beeinträchtigungen von Krebspatienten, weil es dazu an Studien fehlt. Doch es gibt verschiedene erfolgversprechende Maßnahmen wie kognitives Training mit Übungen für Gedächtnis, Sprache und Aufmerksamkeit.
Das Gehirn ist die Schaltzentrale des Körpers, verantwortlich für Denken, Fühlen, Bewegung und lebenswichtige Funktionen und besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die miteinander kommunizieren.
22.07.2025 | 5:10 minViele dieser Übungen stehen auch webbasiert zur Verfügung. Programme, die die Achtsamkeit fördern, sind ebenfalls hilfreich. Dazu gehören zum Beispiel Atemübungen, Schulung der Körperwahrnehmung oder Meditation. Medikamente spielen beim Brain Fog keine Rolle, erklärt Ernst.
Man hat noch keine Wirkstoffe finden können, die in hochwertigen Studien überzeugt haben.
Dr. Anke Ernst, Krebsinformationsdienst Heidelberg
Wie sich die kognitiven Beeinträchtigungen auf lange Sicht entwickeln, kann niemand vorhersagen. Bei manchen Menschen bilden sich alle Symptome vollständig zurück, sagt Anke Ernst. Andere Patienten leiden dauerhaft darunter.
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