Spitzentreffen in Kanada:G7-Gipfel in Krisenzeiten - darum geht's
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Spitzentreffen in Krisenzeiten: Die Liste der Themen ist lang beim G7-Gipfel in Kanada. Die Erwartungen, dass ein gemeinsamer Kurs gefunden wird, sind jedoch niedrig. Ein Überblick.
Überschattet von einem neuen Krieg beginnt der erste G7 Gipfel seit Donald Trumps zweiter Amtszeit. Dass die Industriestaaten einen gemeinsamen Kurs finden, ist nicht zu erwarten. 16.06.2025 | 1:15 min
Überschattet von der Eskalation im Nahost-Konflikt beginnt in Kanada der Gipfel der G7-Gruppe. Ziel solcher Gipfeltreffen ist es eigentlich, eine einheitliche politische Linie unter den Teilnehmern zu finden. Doch die Ungewissheit und das Konfliktpotenzial beim diesjährigen Treffen führender demokratischer Wirtschaftsmächte sind groß.
Schon vorab wurden die Erwartungen heruntergeschraubt, eine gemeinsame Abschlusserklärung soll es nicht geben. Doch über wichtige Themen wollen die Chefs der G7 trotzdem sprechen. Bei diesen Aspekten dürfte es besonders spannend werden:
Der Konflikt zwischen Israel und Iran
Die neue Eskalation im Nahen Osten bereitet auch den G7-Chefs große Sorgen. Viele Gespräche dürften sich um die Frage drehen, wie noch Schlimmeres verhindert und der Weg zurück zu Gesprächen eingeschlagen werden kann. US-Präsident Donald Trump sagte kurz vor seinem Abflug nach Kanada, es sei Zeit, dass sich beide Seiten verständigten. Es gebe gute Chancen darauf. Gleichzeitig sagte er mit Blick auf Israel und Iran: "Manchmal müssen sie es ausfechten".
Und die EU? In einer am Wochenende veröffentlichen Erklärung der Mitgliedstaaten heißt es zwar, dass es Iran niemals gestattet werden dürfe, eine Atomwaffe zu erlangen. Zugleich wird deutlich gemacht, dass dauerhafte Sicherheit aus EU-Sicht nur durch Diplomatie und nicht durch militärisches Handeln erreicht werden kann. Ob sich die G7-Partner auf einen gemeinsamen Kurs oder sogar eine gemeinsame diplomatische Initiative einigen können, ist fraglich.
Israel und Iran haben ihre gegenseitigen Raketenangriffe auch in der Nacht fortgesetzt. Von beiden Seiten gibt es Berichte über Todesopfer und Verletzte.16.06.2025 | 1:40 min
Der Krieg in der Ukraine
Die G7-Partner waren sich bislang einig, dass Russland nur durch eine entschlossene und starke Unterstützung der Ukraine zur Aufgabe seines Angriffskriegs bewegt werden kann. Dass die USA seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus nicht mehr klar diese Linie verfolgen, sorgt bei den anderen Teilnehmern der Gruppe seit Monaten für große Besorgnis. Beim Gipfel wollen die Europäer nun versuchen, ihn wieder auf Linie zu bringen.
Es gehe nun darum, den von Trump angestoßenen Verhandlungsprozess über einen Waffenstillstand voranzubringen, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vor seinem Abflug nach Kanada. "Dazu hat die Ukraine mit unserer Unterstützung Vorschläge entwickelt, während Russland weiter auf Zeit spielt und brutal Krieg führt." Um Moskau an den Verhandlungstisch zu bringen, brauche es zusätzlichen Druck - über Sanktionen. Die erhoffen sich die Europäer auch von Trump.
Am Dienstag wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als Gast bei dem Gipfel erwartet, es soll auch ein Treffen nur mit ihm und Trump geben. Er forderte die G7-Runde vorab bereits auf, den Druck auf Russland zu erhöhen.
Mit dabei in Kananaskis ist auch Merz' Frau Charlotte. Das ist eine Besonderheit bei den G7-Gipfeln, es gibt in aller Regel ein Programm für die Partnerinnen und Partner. Auch Kanadas Regierungschef und Gastgeber Mark Carney kam in Begleitung seiner Frau Diana Fox an. Charlotte Merz und die anderen Begleitungen werden dann unter anderem mit einer Gondel zum Gipfel des Sulphur Mountain fahren und die Schokolade eines örtlichem Chocolatiers verkosten, wie eine Sprecherin der Bundesregierung mitteilte. Quelle: dpa
Streit um Zölle, Einigkeit bei begehrten Rohstoffe
Ziemlich hakelig dürften beim Gipfel auch die Gespräche über die Wirtschaftspolitik werden. Mit seinen Zollentscheidungen verstößt US-Präsident Trump nach Auffassung der anderen G7-Staaten klar gegen die von der Gruppe propagierten Prinzipien einer offenen, liberalen und regelbasierten Wirtschaftsordnung. Die große Frage ist, wie das thematisiert wird, ohne großen Streit und ein Scheitern des Gipfels zu provozieren.
Die G7-Finanzminister ringen um Lösungen im Zollkonflikt mit den USA und um Wege zu mehr Wirtschaftswachstum. Zum ersten Mal dabei: Der neue deutsche Finanzminister Lars Klingbeil.22.05.2025 | 2:33 min
Denkbar ist, dass sich die Gruppe in den Arbeitssitzungen deswegen auf Themen konzentriert, bei denen es noch gemeinsame Interessen gibt.
So wollen die Mitgliedstaaten beispielsweise alle unabhängiger von Rohstoffen aus Staaten wie China werden - vor allem, wenn es um Stoffe wie Erze der seltenen Erden geht, die etwa für Energiesparanwendungen oder moderne Informations- und Kommunikationstechnologien wichtig sind.
Weltweit werden sie gebraucht: Seltene Erden. China dominiert die Produktion der Rohstoffe, hat aber den Export gestoppt. 05.06.2025 | 3:05 min
Was auf der Strecke bleibt
Der G7 führender demokratischer Industrienationen gehören neben Gastgeber Kanada, den USA und Deutschland auch Japan, Frankreich, Italien, Großbritannien und die EU an.
Die Gruppe verstand sich viele Jahre auch als Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel und die Armut auf der Welt. Wegen Trumps Desinteresse an diesen Themen könnte die Runde in diesen Bereichen in den kommenden Jahren allerdings bedeutungslos werden. So befürchtet die Organisation Oxfam, dass die Entwicklungshilfeausgaben der G7 für das Jahr 2026 im Vergleich zu 2024 um 28 Prozent sinken könnten.
Vor dem Hintergrund der Politik von Trump wird in diesem Jahr auch auf eine umfassende gemeinsame Abschlusserklärung verzichtet. Um die G7 nicht vollkommen handlungsunfähig erscheinen zu lassen, will Gastgeber Kanada allerdings mehrere kleinere Statements zu unstrittigen Themen verabschieden lassen.
Eigentlich gibt es für EU und USA beim G7-Gipfel einige Gesprächsthemen. Doch in Kanada zählt vor allem eins: Trump nicht verärgern - die Erwartungen an das Treffen sind niedrig.