EU-Gipfel in Brüssel zur Ukraine:Die doppelte Botschaft des Kanzlers
von Wulf Schmiese
Mit einer doppelten Botschaft im Gepäck reist der Kanzler nach Brüssel: Ukraine retten, die russischen Gelder nutzen. Doch bei dem Thema gibt es immer noch Widerstand aus Belgien.
Bei einem EU-Gipfel soll es um die Verwendung eingefrorener russischer Vermögen gehen. Bei einer Regierungserklärung im Bundestag äußerte sich Kanzler Merz dazu deutlich.
17.12.2025 | 2:05 minIn Brüssel wird am Donnerstag das Überleben der Ukraine verhandelt. So jedenfalls kann der Bundeskanzler verstanden werden, der seit Tagen den Druck erhöht. In seiner Regierungserklärung zum Europäischen Rat hat Friedrich Merz klargemacht, für zwei Dinge zu kämpfen: dass der Ukraine nicht Geld und Waffen ausgehen, und dass Russland der Krieg zu teuer wird.
Es geht um 185 Milliarden von insgesamt 210 Milliarden Euro "frozen assets", also eingefrorenen Vermögens. Diese Summe von Russlands Zentralbank lagert in Brüssel bei Euroclear. Das ist eine Art Bank für Banken, ein Dienstleister für Länder, die ihr Staatsgeld arbeiten lassen.
Russische Gelder: Schatz, den die EU bisher nicht antastet
Russland kann wegen seines völkerrechtswidrigen Angriffs der Ukraine 2022 schon lange nicht mehr ran an dieses Geld, inzwischen ist es gänzlich dem Zugriff entzogen. Aber die EU hat sich bislang nicht getraut, den Schatz anzutasten. Merz war lange selbst skeptisch. Denn dem Finanzplatz Europa könne so etwas massiv schaden, sollten andere Staaten ihr Kapital abziehen aus Sorge, eines Tages ähnlich behandelt zu werden.
Die Ukraine braucht Geld - eingefrorene russische Vermögen könnten den Staatshaushalt über Wasser halten. Ulf Röller berichtet aus Brüssel.
17.12.2025 | 1:15 minBisher werden von den "frozen assets" Russlands nur die Zinsen abgeschöpft zur Finanzierung der von Russland angegriffenen Ukraine; drei bis vier Milliarden jährlich, wie Merz sagt. Doch längst will der Kanzler das eigentliche Vermögen zugänglich machen. Doch es gibt Widerstand von Belgiens Regierungschef.
Die Sorgen Belgiens
Vor zwei Wochen hat der Kanzler deswegen den König Norwegens sitzen lassen, weil er sich stattdessen mit Belgiens Premierminister Bart De Wever zum Abendessen in Brüssel traf. Nur EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war mit dabei. Die beiden Deutschen wollten De Wever die Sorge nehmen, dass sein Belgien am Ende selbst bankrottgehen würde, wenn er der EU gestattet, das russische Auslandsvermögen zu heben.
Der adventliche Abend war lang, das Gespräch kurzweilig; Merz hält den national-konservativen Flamen für einen klugen Mann. Er spricht stets voller Achtung über den Historiker. Nach dem Abendessen wurde der Eindruck vermittelt, dass Belgien auch juristisch nichts zu fürchten habe. Doch die Sache scheint wieder verhärtet.
Bei der Frage nach der Nutzung von eingefrorenem russischen Vermögen sei bei den EU-Staaten die Kraft für eine Einigung noch nicht zu sehen, sagt ZDF-Korrespondent Ulf Röller.
12.12.2025 | 2:38 minDie Chancen lägen "fifty-fifty", so lässig beantwortete der Bundeskanzler eine der wichtigsten Fragen zur Zukunft der Ukraine. In der ZDF-Sendung "Was nun, Herr Merz?" sollte er die Wahrscheinlichkeit bewerten, dass die EU an das russische Geld bei Euroclear gehe.
Merz reist mit doppelter Botschaft nach Brüssel
Im Bundestag hat Merz für das Öffnen des russischen Euroclear-Kontos voller Pathos seine zwei Argumente - Ukraine retten und Russland schröpfen - vorgebracht: "Es geht bei dieser Frage um nicht mehr und um nicht weniger als um die europäische Sicherheit und Souveränität", sagte er in seiner Regierungserklärung, weil die Ukraine finanziert werden müsse. Zugleich werde "ein klares Signal an Russland" gesandt. Offenkundig müsse der Druck auf Kreml-Chef Wladimir Putin "noch weiter steigen, um ihn zu ernsthaften Verhandlungen zu bewegen".
Diese doppelte Botschaft wird auch am Donnerstag das Mantra des Kanzlers sein: Einerseits geht es um Hilfen für die Ukraine, die Europa auf Dauer nicht wird leisten können. Andererseits soll es ein schrilles Signal an Putin sein, dass die Fortsetzung des Angriffskriegs sinnlos und irre teuer ist. Der Zerstörer zahlt selbst. Jeder weitere Tag Krieg kommt dem Angreifer im Wortsinn teuer zu stehen.
Dadurch solle der Krieg nicht verlängert, sondern schneller beendet werden, so Merz. Doch das ist eine bloße Hoffnung.
Wulf Schmiese ist stellvertretender Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios.
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