Eingefrorenes russisches Vermögen:Russlands Geld für Ukraine-Waffen? Warum Belgien blockiert
von Anna Pettini, Brüssel
Beim EU-Gipfel kam ein Staatschef mit einer klaren Botschaft - und es war nicht Ungarns Orban. Warum die "Frozen Assets" aus Russland nicht losgeeist werden konnten.
Bei dem belgischen Finanzdienstleister Euroclear sind die eingefrorenen russischen Gelder zu finden. (Archivbild)
Quelle: ImagoEs ist ein kleines Land, das nur 2,6 Prozent der Einwohner der Europäischen Union ausmacht, aber mit Brüssel beherbergt es das Herz der EU. Auf dem EU-Gipfel war es ausnahmsweise Belgien, das bei einem wichtigen Thema blockierte: die Freigabe russischer Vermögenswerte.
Es geht darum, 140 Milliarden Euro beim Finanzdienstleister Euroclear in Brüssel zu mobilisieren. Die Idee kursiert seit September in der EU. Und seit mehreren Wochen blockiert Belgien die Entscheidung, weil die Regierung rechtliche Bedenken hat - und der Premier Angst vor russischer Vergeltung.
Beim Herbstgipfel in Brüssel ist eine Einigung zur Nutzung eingefrorener russischer Vermögen für die Ukraine ausgeblieben. In der Wirtschaftspolitik dagegen gab es mehr Einigkeit.
24.10.2025 | 1:37 minEU und die russischen Gelder - wie Robin Hoods
Die EU überlegt, wie sie der Ukraine zusätzliche Mittel bereitstellen könnte, ohne dabei geltendes Recht zu brechen. Ziel ist es, nicht als Diebe sondern eher als moderne Robin Hoods aufzutreten. Die EU suchte nach Geld, um die Militärhilfe für die Ukraine weiterzuführen - und fand es direkt vor ihren Augen: die russischen Vermögenswerte, die in Belgien eingefroren sind. Das Problem: Es fehlt an einer rechtlichen Grundlage, um darauf zuzugreifen. So etwas hat es bisher noch nie gegeben.
Die Idee ist nun, dass die Ukraine das russische Geld nicht direkt bekommen soll. Sie leiht es sich aus und muss es nach dem Krieg zurückzahlen. Die Rückzahlung soll aber mit möglichen russischen Reparationszahlungen verrechnet werden. Bisher werden nur die sogenannten "Windfall-Profits" genutzt - also die Zinsen aus diesem Vermögen.
In der EU sind 210 Milliarden Euro der russischen Zentralbank und 24,9 Milliarden Euro an privaten russischen Vermögen eingefroren. Der größte Teil (185 Milliarden Euro) dieser Gelder liegt bei Euroclear in Brüssel. Euroclear ist ein internationales Finanzinstitut mit Sitz in Brüssel, eine Wertpapierverwahrstelle. Es lagert und verwaltet Anleihen, Aktien und andere Vermögenswerte.
Bundeswirtschaftsministerin Reiche ist zu Besuch in Kiew eingetroffen. Sie erklärte, Deutschland werde die Ukraine beim Wiederaufbau zerstörter Energieinfrastruktur unterstützen.
24.10.2025 | 0:19 minWarum fürchtet der belgische Premier die Auswirkungen?
Konkret fürchtet der belgische Premier Bart de Wever zum einen das finanzielle Haftungsrisiko, falls Russland klagt oder Rückzahlungen verlangt. Belgien allein kann und will die Haftung in Milliardenhöhe nicht tragen. Und das ist der Knackpunkt.
Bislang scheint die EU-Kommission ihm keinen soliden, rechtssicheren Plan vorgelegt zu haben. Er fordert zudem die Solidarität von anderen europäischen Ländern und auch von den G7-Staaten außerhalb der EU. "Ein wenig Rechtssicherheit wäre hilfreich - denn das Ganze könnte sehr, sehr, sehr teuer werden", meinte der belgische Premier noch vor dem EU-Gipfel.
Wenn Russland beispielsweise vor ein internationales Gericht gehe und gewinne, müsse das Geld zurückgezahlt werden. Man könne niemanden so einfach enteignen - selbst wenn man gute Gründe dafür habe. Außerdem fürchtet De Wever russische Vergeltung.
Wenn, dann müssen wir uns alle zusammen bewegen. Ansonsten ist Belgien die einzige Zielscheibe von russischen Gegensanktionen, die können sehr umfangreich sein: Sie können Betriebe beschlagnahmen, die Belgien in Russland hat, oder unser Geld einfrieren.
Bart de Wever, Belgischer Premierminister
Welches Geld geht schon an die Ukraine?
Im Oktober 2024 einigten sich die G7-Staaten darauf, die Zinsen der russischen eingefrorenen Gelder an die Ukraine weiterzugeben. Das sind die sogenannten "Windfall-Profits". Rechtlich gelten diese Gelder nicht als Staatsvermögen Russlands.
Die Ukraine bekommt also schon Beträge, geteilt in zwei Töpfe: einmal für die militärische Hilfe und einmal für die wirtschaftliche Unterstützung. Aber das ist noch weit entfernt von den 140 Milliarden, die nötig wären, um die Kriegsanstrengungen für die nächsten zwei bis drei Jahre zu finanzieren.
Die "Koalition der Willigen" trifft sich in London zur Beratung. Starmer wolle Europäer dazu bringen, mehr Langstreckenwaffen zu liefern, erklärt Hilke Petersen.
24.10.2025 | 1:24 minVon der Leyen: "Wir entwickeln verschiedene Optionen"
Nun hat die EU-Kommission bis zum 18. Dezember Zeit, ihre Vorschläge vorzulegen. "Wir entwickeln verschiedene Optionen. Wir respektieren europäisches und nationales Recht, während wir daran arbeiten", meinte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen.
Der Ton soll bewusst beruhigend wirken. Aber die Aufgabe dürfte nicht einfach sein. Und selbst wenn die Zweifel der Belgier ausgeräumt sind, bleibt abzuwarten, mit welchem institutionellen Trick es der EU-Kommission gelingen könnte, mit der für die Verabschiedung einer solchen Maßnahme erforderliche Einstimmigkeit umzugehen. Denn Einstimmigkeit führt in der EU der 27 oft in eine Sackgasse.
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