Können die Öl-Sanktionen gegen Moskau den Ukraine-Krieg beenden?

Neuer Druck auf Russland:Können die Öl-Sanktionen den Ukraine-Krieg beenden?

ZDFheute Update - Jan Schneider

von Jan Schneider

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Neue Sanktionen sollen Russlands wichtigste Einnahmequelle für den Krieg in der Ukraine schwächen. Kann Moskaus Kriegskasse damit wirklich ausgetrocknet werden?

Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik

Die russischen Konzerne könnten mit den Sanktionen gut umgehen, sagt Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Mehr könnten die USA mit Waffenlieferungen erreichen.

23.10.2025 | 19:16 min

Die USA haben sich zu Sanktionen gegen den russischen Ölsektor durchgerungen - und erstmals auch gegen chinesische Abnehmer. Die Vereinigten Staaten und die EU wollen Moskau damit die wichtigste Einnahmequelle für den Krieg gegen die Ukraine entziehen. Doch wie hart treffen die Maßnahmen Russland wirklich - und könnten sie den Krieg beenden? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was beinhalten die neuen Sanktionen gegen Russland?

Ende Oktober 2025 haben die USA und die EU parallel neue, gezielte Sanktionen gegen den russischen Energiesektor beschlossen. Washington setzte erstmals seit Kriegsbeginn die großen russischen Ölkonzerne Rosneft und Lukoil auf seine Schwarze Liste. Damit dürfen US-Unternehmen, Banken und Versicherer keine Geschäfte mehr mit diesen Firmen machen.

Ursula von der Leyen (links), Emmanuel Macron (mittig) und Friedrich Merz (rechts) im Gespräch miteinander.

Die EU verschärft ihre Sanktionen gegen Russland – etwa beim Flüssigerdgas. In Brüssel beraten die Staats- und Regierungschefs außerdem über Aufrüstung und weitere Ukraine-Hilfen.

23.10.2025 | 1:36 min

Die Europäische Union verabschiedete gleichzeitig ihr 19. Sanktionspaket, das erstmals auch mehrere chinesische Abnehmer russischen Öls betrifft. Sanktioniert wurden die Raffinerien Liaoyang Petrochemical und Shandong Yulong Petrochemical mit einer Gesamtkapazität von 600.000 Barrel pro Tag sowie Chinaoil Hong Kong, ein Handelszweig von PetroChina.

Laut EU-Amtsblatt gelten sie als "bedeutende Einnahmequelle" für Moskau. Zusätzlich steht die Tianjin Xishanfusheng International Trading Co. auf der Liste, die Russland geholfen haben soll, Sanktionen zu umgehen.

Bild von Trump und Putin

Russland hat die Ukraine in der Nacht erneut mit Luftkörpern angegriffen. Als Reaktion hat sich Trump gegen ein Treffen mit Putin entschieden, da eine Einigung gerade nicht möglich sei.

22.10.2025 | 1:49 min

China, Indien, Türkei: Wie reagieren die wichtigsten Abnehmerländer?

Indien ist aktuell der größte Käufer russischen Rohöls. Nach den US-Sanktionen prüfen indische Raffinerien nun ihre Verträge, um sicherzustellen, keine Lieferungen direkt von Rosneft oder Lukoil zu beziehen.

Nach Angaben von Brancheninsidern erwägt der indische Energiekonzern Reliance Industries, seine Importe aus Russland ganz einzustellen. Auch staatliche Raffinerien wollen ihre Handelsdokumente überprüfen, um US-Druck zu vermeiden. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge könnte Indien seine russischen Ölimporte damit "drastisch" reduzieren - sie beliefen sich zuletzt auf etwa 1,7 Millionen Barrel pro Tag.

Donald Trump

Wegen der mangelnden Bereitschaft den Krieg in der Ukraine zu beenden, hat US-Präsident Trump erstmals direkte Sanktionen gegen Russland verhängt. Betroffen sind zwei Öl-Firmen.

23.10.2025 | 0:27 min

China hingegen lehnt die US-Maßnahmen offiziell ab und bezeichnet sie als "unilaterale Schritte ohne Rechtsgrundlage". Peking hat bislang keine Anzeichen gezeigt, den Bezug russischen Öls einzuschränken. China war lange der größte Abnehmer russischen Öls, liegt aktuell mit 1,4 Millionen Barrel pro Tag aber hinter Indien.

Allerdings könnten die EU-Strafmaßnahmen gegen chinesische Raffinerien die Situation verändern: Die Sanktionen treffen drei zentrale Firmen, die zusammen eine Verarbeitungskapazität von mehr als 600.000 Barrel pro Tag haben - darunter die neue Großraffinerie Shandong Yulong, eine der wichtigsten Abnehmerinnen russischen Öls. Damit erhöht sich der Druck auch auf chinesische Zwischenhändler, russisches Öl zu meiden oder verschleiert über Drittstaaten zu beziehen.

Die Türkei, bislang drittgrößter Kunde, importiert zunehmend weniger russisches Öl - im September 2025 um etwa 27 Prozent weniger als im Vormonat. US-Präsident Donald Trump hatte Ankara bei einem Treffen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan aufgefordert, Käufe in Russland ganz zu stoppen, verbunden mit dem Angebot, US-Sanktionen gegen die Türkei zu lockern. Bislang hält sich die Türkei jedoch zurück und bezieht weiterhin russische Energieträger, vor allem über Pipelines.

Wie wichtig ist Öl für Putins Staatshaushalt?

Kurz gesagt: unglaublich wichtig. Bei 7,3 Millionen Barrel Ölexporten pro Tag und einem Preis von rund 64 US-Dollar pro Barrel verdiente Russland zum Beispiel im Juli dieses Jahres rund 467 Millionen US-Dollar am Tag.

Nach offiziellen Angaben, die von der russischen Nachrichtenagentur TASS verbreitet wurden, machte der Öl- und Gasexport 2024 rund 30 Prozent der Staatseinnahmen aus, für 2025 wird ein Rückgang auf etwa 27 Prozent erwartet. Unabhängige westliche Schätzungen gehen von ähnlichen Werten aus. Trotz rückläufiger Quoten bleibt der Energiesektor damit entscheidend für die Kriegsfinanzierung: Aus diesen Einnahmen werden Militärgehälter, Waffenproduktion und Sozialprogramme finanziert, die den Krieg innenpolitisch absichern.

Ein Bildschirm überträgt die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin während einer Plenarsitzung des Forums „Russische Energiewoche“ in Moskau am 16. Oktober 2025. (Foto: Olesya KURPYAYEVA / AFP)

Schlangen an russischen Tankstellen werden häufiger, auch wegen ukrainischer Angriffe auf Raffinerien. Gleichzeitig gibt sich Russland zufrieden mit seinem Gas- und Öl-Geschäft.

16.10.2025 | 2:59 min

Wie reagiert Moskau auf die Sanktionen?

Wie ZDF-Korrespondent Armin Coerper berichtet, betonen russische Regierungsvertreter, dass der Ölpreis zuletzt gestiegen sei und die betroffenen Unternehmen ausreichend Zeit gehabt hätten, sich auf das neue Sanktionsszenario vorzubereiten. Kurzfristig werde das die Lieferketten zwar komplizierter und teurer machen - wegen des höheren Ölpreises sei das aber nach ihrer Darstellung verkraftbar.

Zudem scheint man in Moskau nicht wirklich daran zu glauben, dass US-Präsident Trump die Strafmaßnahmen konsequent durchsetzen und Abnehmer russischer Energie ernsthaft bestrafen wird, schätzt Coerper die Lage ein.

Werden die Sanktionen Russland militärisch schwächen oder gar Frieden erzwingen?

Kurzfristig wohl eher nicht. Laut einer Analyse des Institute for the Study of War (ISW) von Ende September hat Russland trotz wirtschaftlichen Drucks keine strukturelle Schwächung seiner Kriegslogistik erlitten.

Langfristig könnte der Effekt der Sanktionen deutlich spürbar werden. Nach Einschätzung des Center for Strategic and International Studies (CSIS) würden die neuen Beschränkungen für russische Ölexporte Russlands Einnahmen um schätzungsweise 40 bis 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr verringern.

Taker auf der Ostsee

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14.01.2025 | 9:39 min

Kurzfristig könne Moskau diese Verluste zwar teilweise mit Devisenreserven ausgleichen, doch auf Dauer erhöhe das die finanzielle Verwundbarkeit des Staates und die Abhängigkeit von Kreditaufnahme und Schattenflottenhandel. Damit würde der Krieg nicht sofort enden, doch die ökonomische Basis für seine Fortsetzung geriete zunehmend unter Druck.

Wie blickt die Ukraine auf die Sanktionen?

Die ukrainische Regierung begrüßt die neuen Sanktionen, warnt jedoch vor überzogenen Erwartungen. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Mittwoch, Sanktionen seien "Teil der Lösung, nicht der Schlüssel". Der Krieg werde "auf dem Schlachtfeld und in der Industrie" entschieden. Der ukrainische Geheimdienstchef Kyrylo Budanow ergänzte, Russland könne "mit den bestehenden Energieeinnahmen mindestens bis 2026 weiterkämpfen".

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