Treffen beginnt in Brüssel:Um welche Fragen die EU-Staaten beim Herbstgipfel ringen
von Andreas Stamm, Brüssel
Es geht ums Geld – für den EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs gilt das so sehr wie lange nicht mehr. Themen sind die Unterstützung der Ukraine, aber auch die Klimapolitik.
Die USA verabschieden sich als Unterstützer im Ukraine-Krieg, zumindest finanziell.
Quelle: epaEin Satz des früheren US-Präsidenten Bill Clinton gilt gerade für Europa mehr denn je: It’s the economy, stupid!. Auf die Wirtschaft kommt es an, Dummkopf! Denn ohne Geld in der Kasse wird alles zäh. Unter diesem Zeichen steht der Herbstgipfel der EU-Staats- und Regierungschefs, der am Donnerstag in Brüssel beginnt.
Die wichtigste Entscheidung dürfte dabei sein, ob Europas Mächtige das eingefrorene russische Staatsvermögen loseisen können. 140 Milliarden Euro liegen bei Euroclear in Belgien - und sollen nach langer Diskussion genutzt werden, damit sich die Ukraine weiter gegen Russland verteidigen kann.
Denn die USA verabschieden sich als Unterstützer, zumindest finanziell. Und so trägt Europa die Last nun quasi allein. Bis zu 60 Milliarden Euro jedes Jahr braucht die Ukraine - doch die Kassen der EU-Staaten sind klamm.
Russland greift weiter die Ukraine an: In Charkiw wird ein Kindergarten angegriffen, bei Kiew richtet sich der Beschuss gegen die Energieinfrastruktur.
22.10.2025 | 1:58 minEU sucht Wege zur Unterstützung der Ukraine
Deshalb will man das eingefrorene russische Staatsvermögen nun doch direkt für die Unterstützung der Ukraine nutzen. Die Idee: Euroclear investiert das Geld in zinslose EU-Anleihen, dieses Geld reicht die EU als Kredite an Kiew weiter. Die EU-Staaten garantieren den Kredit.
Nach Kriegsende soll dann alles mit russischen Reparationen verrechnet werden. Oder blockiert bleiben, wenn Russland sich weigert zu zahlen. Das Risiko, dass Europas Haushalte belastet werden, soll so minimal bleiben.
EU-Staaten ringen um Detailfragen
Denn vor allem die Belgier fürchten: Sollte Russland klagen und gewinnen, müsste das Land die Rückzahlungen allein tragen. Mit Argusaugen schaut man deshalb auf die Detailfragen der gemeinsamen EU-Absicherung. "Anderer Leute Geld ausgeben, ist immer einfach", erwidern belgische Diplomaten den Staaten, die drängen, aber sich wenig um die Details kümmern.
Doch am Ende dürfte der Fahrplan, der beschlossen wird, ungefähr so aussehen: Die Chefs zeichnen den Deal politisch ab. Bis Ende des Jahres werden die Details ausgetüftelt. Was noch viel harte Arbeit sein dürfte. Und danach könnten Anfang 2026 Gelder fließen.
Was viele Beteiligte da so sicher macht, ist, dass es keine Alternative zu diesem Plan gebe. Niemand wisse, wo das Geld sonst herkommen soll. Helfen dürfte dabei auch die Anwesenheit des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim EU-Gipfel. "Das hat einen Einfluss auf die Atmosphäre und macht es schwieriger, Nein zu sagen", so ein EU-Diplomat.
Eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten hat sich für einen Importstopp von russischem Gas ab 2028 ausgesprochen. Die Gaseinfuhr aus Russland macht rund ein Fünftel des Imports aus.
20.10.2025 | 1:44 minDeutschland und andere EU-Staaten wollen Bürokratie-Abbau
Noch größer werden die Fragen beim zweiten Teil des Gipfelprogramms. Warum sind die Kassen so klamm? Warum ist die europäische Wirtschaft in solchen Schwierigkeiten? Das Zauberwort heißt Vereinfachung. Viele Mitgliedsstaaten, allen voran Deutschland, wollen, dass alles auf den Kopf gestellt wird: Auf europäischer Ebene soll Bürokratie abgebaut werden und die europäische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig gemacht werden.
Was bislang auch hieß, mehr Klimaschutz wagen und dabei in die sauberen Technologien der Zukunft investieren. Green Deal war der magische Plan, der blühende Landschaften erschaffen und gleichzeitig Europa bis 2050 zum ersten CO2-neutralen Kontinent der Welt machen sollte. Doch statt Hand in Hand zu neuen Ufern heißt es nun immer häufiger: Klima gegen Wachstum.
Die Korallenbleiche gilt als erster Kipppunkt im Klimasystem, andere könnten folgen. Damit würde eine Kettenreaktion ausgelöst, die sich nicht mehr stoppen lässt und das Klima verändert.
21.10.2025 | 0:59 minStreit um EU-Klimaziele
Der Streit hat sich oberflächlich an der Frage der nächsten Klimaziele für 2035 und 2040 entzündet. 90 Prozent weniger CO2-Ausstoß als 1990 will man bis dahin erreichen, so lautet der Vorschlag. Wissenschaftlich fundiert und rechnerisch notwendig, so Experten, wenn man 2050 klimaneutral sein will. Doch viele CO2-intensive Branchen wie etwa Stahl oder Chemie erklären, Klimaschutz werde zu teuer, ein Jobkiller.
Andere Unternehmen erklären dagegen, man müsse beim Klimaschutz auf Kurs bleiben, sie hätten investiert und bräuchten Planungssicherheit. Auch hier geht es am Ende ums Geld, um Gewinner und Verlierer. Und obendrein um die Reputation der EU als Vorreiter im internationalen Klimaschutz.
Denn in zwei Wochen muss die EU eigentlich auf der beginnenden Weltklimakonferenz ein neues Klimaziel vorlegen. Ohne Einigung droht eine der wichtigsten noch funktionierenden internationalen Kooperationen, das Pariser Klimaabkommen, größeren Schaden zu nehmen. Es werden "intensive Diskussionen" erwartet, heißt es. Was übersetzt bedeutet, dass beim Thema Klima die Fetzen fliegen könnten.
Andreas Stamm ist Korrespondent im ZDF-Studio in Brüssel.
Mehr zur Europäischen Union
Ukraine-Krieg:EU-Staaten beschließen schärfere Russland-Sanktionen
mit Video40 Cent pro Kilowattstunde Strom:Wie setzt sich der deutsche Strompreis zusammen?
von Kristina Schlömermit Video- FAQ
EU-Parlament stimmt für neue Regeln:Das ändert sich durch die EU-Führerscheinreform
mit Video Bis Ende 2027:EU-Staaten stimmen für Ausstieg aus russischem Gas
mit Video