Deutsche Russland-Politik:Wie sich Putin vom Partner zum Aggressor gewandelt hat
von Bernd Bachran
Von einem Land, dass sich euphorisch nach Europa orientierte bis zum Überfall der Ukraine. Bei "Markus Lanz" diskutiert die Runde wie sich Russland unter Putin verändert hat.
Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 23. Oktober 2025 in voller Länge.
23.10.2025 | 75:53 minNach dem Fall der Berliner Mauer 1989 und dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre veränderte sich die deutsche Russlandpolitik grundlegend: Aus der jahrzehntelang blockgebundenen Ostpolitik wurde eine Politik der Partnerschaft und wirtschaftlichen Annäherung.
Berlin setzte auf Dialog, Handel und Wandel durch Verflechtung - in der Hoffnung, Russland auf einen demokratischen Kurs zu führen.
Gurkov über Russland: "Nach der Revolution kam die Euphorie"
"Es war eine berauschende Zeit", so der Journalist und Russland-Experte Andrey Gurkov bei "Markus Lanz". Zu dieser Zeit lebte Gurkov in Moskau und erlebte die Stimmung im Land hautnah. "Es war eine Revolution, und nach der Revolution kam die Euphorie und dieses Gefühl 'ich lebe im freiesten Staat der Welt'", so Gurkov.
Es herrschte die Hoffnung, wir gehen jetzt nach Europa, dorthin, wo wir eigentlich historisch hingehören.
Andrey Gurkov, Journalist und Russland-Experte
Am 7. Mai 2000 wurde Putin erstmals als Präsident in sein Amt eingeführt. Ein Blick auf die Kreml-treue Berichterstattung in Russland zeigt, wie Putins Macht und Verehrung inszeniert werden.
05.05.2025 | 2:18 minDoch mit Wladimir Putin und den zunehmenden Spannungen seit den 2000er-Jahren - verschärft durch die Annexion der Krim 2014 und eskaliert durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 - wich die einstige Nähe einer neuen Realpolitik. Deutschland sucht heute Sicherheit vor Russland, nicht mehr mit ihm.
Deutsche Geheimdienste warnten früh vor Putin
Der Wandel vom Partner Putin zum Aggressor Putin vollzog sich schleichend. Doch deutsche Geheimdienste warnten früh vor Putins wahren Zielen. Das Journalistenehepaar Katja Gloger und Georg Mascolo zeigt in seinem neuen Buch, wie und von wem diese Warnungen in der deutschen Russlandpolitik über Jahrzehnte überhört wurden.
Am 25. September 2001 hielt Wladimir Putin im Deutschen Bundestag eine Rede, die als historisch gilt - und begeistert gefeiert wurde. Kaum beachtet blieb jedoch die zweite Bedingung, die er erfüllen musste, um überhaupt sprechen zu dürfen.
Nach Putins Rede wird deutlich: Russland kein freundliches Land
Journalistin Gloger sagte, dass Wladimir Putin zwei Voraussetzungen erfüllen musste, um vor dem Bundestag sprechen zu dürfen: "Einen gewichtigen Teil dieser Rede auf Deutsch halten […] sich nach dieser Rede einer ungefähr 45-minütigen Diskussion im Auswärtigen Ausschuss stellen und sich dort auch Fragen zur russischen Innenpolitik […] und Tschetschenien stellen."
In einem außergewöhnlichen Filmprojekt blickt das ZDF hinter die Fassade der scheinbar übermächtigen russischen Armee.
27.02.2024 | 43:52 minNach der gefeierten Rede im Bundestag findet, von der Öffentlichkeit weit weniger registriert, das vereinbarte Treffen von Putin beim Auswärtigen Ausschuss statt. Dort stellte der damalige Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, eine Frage zu Tschetschenien.
Putins darauffolgende Antwort machte deutlich, was wirklich in ihm vorging, so Georg Mascolo: "Da geht es nicht um ein freundliches Land. Es geht auch nicht um Kant und Schiller und Hegel, sondern es geht in aller Härte schon damals gegen die angeblichen unzulässigen Ausweitungspläne der Nato."
Bürgerrechtler über Kremlchef: "Ziehsohn des KGB"
Für Mascolo war schon damals erkennbar, wie Putin dachte, nämlich: 'Wir lassen uns nicht mehr so behandeln, wir akzeptieren keine Doppelstandards'.
Also er [Putin] schafft es, an diesem Tag auf großer Bühne die eine Botschaft zu senden und dann hinter verschlossenen Türen noch eine ganz andere.
Georg Mascolo, Autor und Russland-Experte
Mascolo wies darauf hin, dass schon damals einige Beobachter die Person Wladimir Putin skeptisch sahen. So zum Beispiel der ehemalige Bürgerrechtler Werner Schulz, der damals, so Mascolo, sagte, 'man habe Putin gefeiert wie ein Enkel von Gorbatschow und habe nicht gesehen, dass es sich bei ihm um den Ziehsohn des KGB handele'.
Mascolo: Putin log Scholz an
Mascolo berichtete auch vom letzten Telefonat zwischen Olaf Scholz und Wladimir Putin - wenige Tage vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Putin selbst hatte das Gespräch initiiert.
Der junge Wladimir Putin wächst auf in den rauen Hinterhöfen Leningrads. Doch ihm gelingt der Sprung an die Universität und an die Kaderschmiede des KGB.
21.09.2025 | 43:49 minDas Telefonat fand am 21. Februar 2022 statt, dem Tag, an dem die sogenannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk in der Ostukraine als unabhängige Staaten anerkannt wurden.
Mascolo: "Olaf Scholz sagt ihm, er sei außerordentlich beunruhigt. Und was seien jetzt eigentlich die nächsten Schritte?"
Und Putin tut das, was er auch in allen vorherigen und späteren Gesprächen getan hat: Er sagt die Unwahrheit.
Georg Mascolo, Autor und Russland-Experte
Putin: Militärbewegungen vor Ukraine-Krieg nur Manöver
Laut Mascolo erklärte Putin in dem Telefonat gegenüber Scholz, dass es sich bei den Bewegungen nur um Manöver handele, die Truppen derzeit noch im Feld stünden, aber in den nächsten Tagen zurückgezogen würden.
Er betonte zudem, dass er überhaupt kein Interesse an einer militärischen Konfrontation habe und dass man in Verbindung bleiben werde. Doch tatsächlich sei, so Mascolo, "die Entscheidung zum Krieg längst gefallen".
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