Lamine Yamal - Spaniens verehrter Alleskönner

Lamine Yamal kann auch mal nicht überragend spielen: Das haben die Zuschauer am vergangenen Samstag beim 1:1 des FC Barcelona gegen Betis Sevilla gelernt.

Der Rechtaußen versuchte alles, setzte auch ein paar seiner gefürchteten Dribblings - blieb am Ende aber doch immer an irgendeinem Bein hängen oder spielte einen Pass zu ungenau.

Nicht normal bei Yamal, dem Spieler, der auserkoren scheint, den Fußball auf Jahre zu dominieren. Vor dem Besuch von Borussia Dortmund zum Viertelfinalhinspiel der Champions League (Mittwoch, 21 Uhr, ausführlicher Bericht in der Champions-League-Sendung ab 23 Uhr) richten sich die Blicke wieder auf ihn. Wie es inzwischen schon Gewohnheit ist.

"So einen habe ich noch nie gesehen", sagt sein Mitspieler Robert Lewandowski. "Er ist die Zukunft, aber auch schon die Gegenwart", sagt der achtfache Weltfußballer Lionel Messi. "Er macht Sachen, die nicht mal Messi oder ich machten", staunt dessen ewiger Gegenspieler Cristiano Ronaldo.

Zur Einordnung: In Lamines Alter spielte Messi noch überwiegend für Barças zweite Mannschaft, war Ronaldo allenfalls ein Insidertipp und Lewandowski noch nicht Profi. Yamal hingegen entscheidet schon serienweise wichtige Spiele.

Das war schon bei Spaniens EM-Triumph im vorigen Sommer so, wo er unter anderem vier Torvorlagen lieferte und seine besten Matches ab dem Viertelfinale gegen Deutschland zeigte.

Im Halbfinale gegen Frankreich - damals war er noch 16 Jahre lat - drehte er mit einem sagenhaften Fernschuss die Partie. Danach veröffentlichten seine Eltern ein Foto, wie Lamine als Baby bei einer Benefizaktion von Messi gebadet worden war.

Ob Zufall oder Vorsehung: Der Hype um das Einwandererkind aus der katalanischen Stadt Mataró war perfekt.

Im oft schwierigen zweiten Jahr - dem der Bestätigung - hat Yamal nun gezeigt, dass daran nichts übertrieben war. Die Torschützenliste in Champions League beziehungsweise spanischer Liga mögen seine Sturmkollegen Raphinha und Lewandowski anführen. Doch Yamal ist nicht weniger verantwortlich für Barças Aussichten auf ein Triple.

13 Tore und 19 Torvorlagen hat er beigesteuert. Und immer geliefert, wenn es zählte.

Yamal brillierte bei Barças 4:1 gegen den FC Bayern in der Vorrunde wie beim 3:2 in Dortmund, als er den Pass zum Siegtor spielte. Er traf bei den deutlichen Siegen gegen Real Madrid in Liga (4:0) und Supercup (5:2).

Mit einem Traumtor gegen die Niederlande garnierte er Spaniens Einzug ins Nations-League-Finalturnier. Und vorige Woche drückte er dem Finaleinzug im spanischen Pokal bei Atlético Madrid (1:0) dermaßen seinen Stempel auf, dass die Sportzeitung "As" von einer "Apotheose" (Vergöttlichung) schrieb. Yamal habe "den Eindruck gemacht, unter Elfjährigen zu spielen."

Es ist diese Selbstverständlichkeit seines Spiels, die an ihm besonders fasziniert. Zu seinem Repertoire gehören nicht nur perfekte Technik und überbordende Kreativität, sondern auch ein alter-untypisches Spielverständnis.

Der 17-Jährige scheint Passlinien den entscheidenden Tick früher zu sehen und genau zu verstehen, wann es Ruhe und wann Beschleunigung braucht.

Yamal ist kürzlich aus Barças Klubinternat in die erste eigene Wohnung gezogen, nah am Trainingsgelände. Er darf noch nicht Autofahren, sieht aber schon überall in der Stadt viele ältere Menschen ein Trikot mit seinem Namen tragen. Seine Mutter erzählt ihm, dass sie immer auf ein Werbeplakat mit ihm schaut, wenn sie mit seinem kleinen Bruder auf den Schulbus wartet.

Druck? Lamine nimmt das bisher alles mit jugendlicher Frische und mit einem Lächeln. Demselben Lächeln, das er in großen Matches zeigt.