Bundeswehr und Drohnenabwehr: Was können die Streitkräfte tun?

Überflüge auch in Deutschland:Was kann die Bundeswehr gegen Drohnen tun?

Daniel Heymann
von Daniel Heymann
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Immer häufiger dringen mutmaßlich russische Drohnen auch in den deutschen Luftraum ein. Innenminister Dobrindt will dagegen die Bundeswehr in Stellung bringen. Ist das möglich?

Ein Soldat der Bundeswehr nutzt einen HP 47 Drohnenstörsender während der Militärübung „Roter Sturm Bravo“ von Bundeswehr und zivilen Behörden am 26. 9. 2025 in Hamburg.

Zur Abwehr von Drohnen soll nach Plänen von Innenminister Dobrindt bald auch die Bundeswehr eingesetzt werden dürfen. Doch wie sehen die rechtlichen Grundlagen aus? (Symbolbild)

Quelle: epa

"Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht mehr im Frieden." So wie Friedrich Merz (CDU) die aktuelle Sicherheitslage in Deutschland kürzlich beschrieb, hat es schon lange kein Bundeskanzler mehr getan. Sein Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich bereits in der vergangenen Woche fast wortgleich.

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Ein Grund für ihre Einschätzung: Die massive Zunahme an Verletzungen des europäischen - und auch deutschen - Luftraums durch Drohnen. Politik, Militär und Geheimdienste vermuten Russland hinter diesen Aktionen - gegen die bislang relativ wenig getan wurde.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will nun den Einsatz der Bundeswehr gegen Drohnen erleichtern und dafür auch Gesetze ändern. Doch der Einsatz der Streitkräfte im Inland ist rechtlich heikel. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten.

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Was darf die Bundeswehr bislang?

Die Kernaufgabe der Bundeswehr ist laut Grundgesetz die Verteidigung - hierbei geht es um die Abwehr eines militärischen Angriffs von außen. Ein solches Ausmaß haben die bisherigen Drohnen-Aktionen nicht. Außerdem ist ihre genaue Herkunft häufig ungeklärt.

Damit fallen die Überflüge erst einmal in das klassische Aufgabengebiet der Polizei, die sogenannte Gefahrenabwehr. In der Regel ist dafür die jeweilige Landespolizei verantwortlich, in bestimmten Bereichen, etwa wenn Drohnen über Bahnanlagen fliegen, ist die Bundespolizei zuständig. Die Bundeswehr kann dagegen von sich aus nur tätig werden, wenn Drohnen Bundeswehrgelände überfliegen.

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Ausnahmsweise kann die Bundeswehr auch in anderen Fällen zur Hilfe gerufen werden, nach Artikel 35 Grundgesetz, unter anderem "bei einem besonders schweren Unglücksfall". Darunter versteht man beispielsweise schwere Flugzeugunglücke oder große Stromausfälle, die lebenswichtige Bereiche der Daseinsvorsorge betreffen. Solch eine Dimension kann man bei den Drohnenüberflügen bislang nicht annehmen.

Das Grundgesetz gibt für den Einsatz der Bundeswehr klare Regeln vor. Die finden sich vor allem in Artikel 87a, der unter anderem festlegt:

  • "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf." (Absatz 1 Satz 1)

  • "Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt." (Absatz 2)

Die Bundeswehr ist hiernach in erster Linie eine Verteidigungsarmee, die die Bundesrepublik gegen militärische Angriffe von außen schützen soll. Solche Angriffe können von anderen Staaten ausgehen, aber auch von nichtstaatlichen Akteuren, etwa Terroristen. In keinem Fall darf die Bundeswehr selbst Angriffe verüben, Artikel 26 Grundgesetz verbietet den Angriffskrieg ausdrücklich.


Was schlägt Dobrindt vor?

Innenminister Dobrindt will die Befugnisse der Bundeswehr für Einsätze im Inland erweitern. Das soll nach seiner Vorstellung durch eine Reform des Luftsicherheitsgesetzes geschehen. Hier heißt es in Paragraph 14 bislang: "Zur Verhinderung des Eintritts eines besonders schweren Unglücksfalles dürfen die Streitkräfte im Luftraum Luftfahrzeuge abdrängen, zur Landung zwingen, den Einsatz von Waffengewalt androhen oder Warnschüsse abgeben."

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Doch Dobrindts Idee alleine dürfte nicht ausreichen, denn er ist an das Grundgesetz gebunden. Solange die Verfassung den Einsatz der Bundeswehr nur bei besonders schweren Unglücksfällen erlaubt, wird der Abschuss von Spionagedrohnen, deren Auswirkungen oft unbekannt sind, kaum möglich sein. So sieht es auch Verena Jackson, Expertin für Sicherheitsrecht an der Universität der Bundeswehr:

Die Verfassung zeigt uns hier Grenzen auf. Für solche Situationen wie jetzt mit den Drohnen ist die Ausnahme für Unglücksfälle nicht gedacht.

Verena Jackson, Universität der Bundeswehr

Natürlich könne man das Grundgesetz ändern, so Jackson - und mit Blick auf die neuartigen Bedrohungen - wie etwa durch Drohnen - müsse man darüber auch nachdenken. Für eine Grundgesetzänderung braucht es Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat.

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Könnte der Spannungsfall ausgerufen werden?

Einen anderen Vorschlag macht Dobrindts Unionskollege Roderich Kiesewetter im Interview mit dem TV-Sender Phoenix. Der CDU-Verteidigungspolitiker denkt angesichts der neuen Bedrohungslage über den sogenannten Spannungsfall nach:

Deswegen mein Vorschlag, den Spannungsfall - oder etwas niedrigschwelliger - den Zustimmungsfall auszurufen, weil dann die Bundeswehr […] auch in den Ländern zuständig ist […].

Roderich Kiesewetter, CDU

Der Spannungsfall gemäß Artikel 80a Grundgesetz sei laut Sicherheitsexpertin Jackson für verschärfte außenpolitische Konfliktlagen gedacht. Wird er ausgerufen, treten bestimmte Notstands- und Vorsorgeregeln in Kraft, die für eine erhöhte Verteidigungsbereitschaft sorgen sollen. Unter anderem würde im Spannungsfall die Wehrpflicht automatisch wiederaufleben.

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Der Bundestag kann den Spannungsfall nur mit Zweidrittelmehrheit feststellen. Der Zustimmungsfall ist eine Unterstufe des Spannungsfalls und ermöglicht es, einzelne Notstandsregeln zu aktivieren. Hierfür genügt eine einfache Mehrheit.

Der Verteidigungsfall ist in Artikel 115a Grundgesetz geregelt. Er liegt vor, wenn "das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht". Die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte geht dann vom Verteidigungsminister auf den Bundeskanzler über. Im Verteidigungsfall gelten weitreichende Notstandsregelungen in verschiedensten Bereichen, unter anderem gibt es für die Dauer des Verteidigungsfalls keine Bundestags- oder Landtagswahlen.

Die Regeln für den Spannungsfall stehen in Artikel 80a Grundgesetz. Der Spannungsfall wird auch als Vorstufe des Verteidigungsfalls bezeichnet: Durch Feststellung des Spannungsfalls können bestimmte Notstands- und Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, die dazu dienen sollen, die Verteidigungsbereitschaft mit Blick auf einen möglichen Verteidigungsfall zu steigern. Die praktisch wichtigste Auswirkung ist das sofortige Wiederaufleben der Wehrpflicht.

Der sogenannte Zustimmungsfall, auch "kleiner Spannungsfall" genannt, ist eine abgeschwächte Variante des Spannungsfalls und ebenfalls in Artikel 80a Grundgesetz geregelt. Im Zustimmungsfall können einzelne Notstandsregeln aktiviert werden.


In beiden Fällen bräuchte es für das Vorgehen gegen Drohnen keine besonders schwere Gefahr mehr, auch Spionagedrohnen könnten also abgeschossen werden. Verena Jackson zweifelt allerdings daran, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen:

Gerade der Spannungsfall hat hohe Hürden. Wenn man jetzt Kampfjets eines Aggressors im deutschen Luftraum hätte, wären die sicherlich erreicht. Aber bei den Drohnen ist oft nicht klar, was genau sie eigentlich können.

Verena Jackson, Universität der Bundeswehr

Für den Zustimmungsfall, so Jackson, ließen sich noch eher Argumente finden, doch auch hier rät die Expertin zur Zurückhaltung.

Daniel Heymann berichtet für die ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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