Russische Drohnen und Kampfjets:Wie die Nato ihren Luftraum schützt
Die Nato hat diskutiert, wie das Verteidigungsbündnis auf die Luftraumverletzungen durch Russland reagieren soll. Wie sie festgestellt werden und wie die Nato bisher reagiert.
In Manövern übt die Nato auch den Einsatz von Flugabwehrraketen. (Archivfoto)
Quelle: ddpRusslands Luftraumverletzungen verstärken die Spannungen an der Ostflanke der Nato und befeuern die Diskussion um eine angemessene Reaktion. Das Bündnis muss die Balance zwischen entschlossener Abschreckung und einer unbeabsichtigten Eskalation finden.
Wie werden Luftraumverletzungen bemerkt?
Die Nato-Staaten beobachten aus verschiedenen Positionen mit Radaranlagen den Luftraum und führen diese zu einem Lagebild zusammen. Auch Maschinen, die ohne Funksignal ("Transponder") fliegen, werden bemerkt.
Wegen der Verletzung des estnischen Luftraums durch Russland kommt die Nato in Brüssel zu einem Treffen zusammen. ZDF-Korrespondentin Isabelle Schaefers über mögliche Konsequenzen.
23.09.2025 | 1:32 minIn Deutschland ist das Luftoperationszentrum Uedem ("Combined Air Operations Centre" oder CAOC) am Niederrhein nahe der niederländischen Grenze dafür eine zentrale militärische Schaltstelle.
Das CAOC überwacht und sichert den Nato-Luftraum nördlich der Alpen, von Island bis zur Ostflanke - rund um die Uhr. Dazu gehören auch die Missionen zur Sicherung des Luftraums in den baltischen Staaten.
Russische Drohnen über polnischem Gebiet, russische Kampfjets im estnischen Luftraum, russische Flugzeuge über der Ostsee - ein Überblick über die Ereignisse.
22.09.2025 | 1:19 minWas passiert bei einem Alarm?
Wird ein verdächtig anfliegendes Flugzeug bemerkt, steigen Alarmrotten zu einem Alarmstart ("alpha scramble") auf. In der Regel sind es in Deutschland zwei Eurofighter, die nach Nato-Standard binnen 15 Minuten in der Luft sein müssen.
Über den baltischen Staaten, die keine eigenen Jagdflugzeuge haben, übernehmen Nato-Partner die Aufgabe in Rotation. Zudem halten Verbündete nach den jüngsten Zwischenfällen Verstärkung bereit. So stellt die Bundeswehr künftig vier statt nur zwei Kampfjets, um sich an bewaffneten Schutzflügen über Polen zu beteiligen.
Wie reagieren auf die russischen Provokationen im Nato-Luftraum? Die Analyse bei ZDFheute live.
22.09.2025 | 25:19 minPutin habe vor einigen Wochen laut und deutlich erklärt, dass nicht nur die Ukraine als Teil Russlands sehe, sondern auch das Baltikum, sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende des EU-Verteidigungsausschusses, in der ZDFheute live.
Das sind die drei Staaten - Estland, Lettland, Litauen - die uns schon seit Jahren gewarnt haben, es wird der Tag kommen, dass Russland angreift.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende EU-Verteidigungsausschuss
Letztendlich seien aber alle Länder gefährdet, die eine russische Grenze hätten, so Strack-Zimmermann weiter. Nicht zuletzt sei Finnland, nach 70 Jahren Bündnisneutralität, Mitglied der Nato geworden, wie auch Schweden.
Zeitenwende im Norden Europas: Die neuen NATO-Partner Schweden und Finnland stärken mit ihrer Marine die Schlagkraft des Bündnisses.
31.05.2024 | 2:14 minWas bedeuten Abdrängen, Abfangen, Begleiten?
Das Abfangen beschreibt eine militärische Handlung, die das Verfolgen, Identifizieren und Begleiten verdächtiger Flugzeuge umfasst. In der bisherigen Praxis dient das Abfangen dazu, Klarheit herzustellen und eine Kursänderung zu veranlassen.
Die Piloten kommunizieren dazu über Handzeichen oder auch Flugmanöver, wenn auf Funk nicht reagiert wird. Ob dann noch Normverhalten oder schon Drohgebärden praktiziert werden, macht einen Unterschied über die Luftraumverletzung hinaus.
Nachdem am letzten Freitag drei russische Kampfjets in den Luftraum Estland eingedrungen waren, berät die Nato über ihr weiteres Vorgehen in diesem Bedrohungsfall.
22.09.2025 | 1:38 minWelche militärischen Handlungen sind denkbar?
Die Piloten der Abfangjäger sind zur Selbstverteidigung autorisiert. Allerdings sind bisher beide Seiten darauf bedacht, schon den Anschein eines versuchten Angriffs zu vermeiden.
Denkbar ist daher, dass Nato-Flugzeuge eingedrungene russischen Maschinen abdrängen, also einen Richtungswechsel bewirken.
Die Luftwaffe des Nato-Staates Türkei hatte 2015 ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen, weil es nach türkischen Angaben aus Syrien in den Luftraum der Türkei eingedrungen war. Es folgte eine politische Eiszeit zwischen Ankara und Moskau.
Mit Übungen wie "Steadfast Defender" trainiert das westliche Verteidigungsbündnis in Europa den Ernstfall einer Verteidigung.
05.03.2024 | 3:30 minWas wird in der Nato aktuell beraten?
Für das Verteidigungsbündnis stellt sich nach den Ereignissen der vergangenen Wochen die Frage, wie es reagieren soll. In einer ersten Antwort war bereits am 12. September nach dem Auftauchen russischer Drohnen im polnischen Luftraum ein Einsatz für eine noch bessere Überwachung und Verteidigung der Ostflanke gestartet worden.
Infolge der neuerlichen Luftraumverletzungen kommen nun aber insbesondere aus den betroffenen Ländern Forderungen nach weiteren Schritten. Die Provokationen könnten nicht einfach so hingenommen werden, wenn man glaubwürdige Abschreckung aufrechterhalten wolle, heißt es.
"Russland will im Grunde genau dieses Szenario haben", so Strack-Zimmermann.
Deswegen ist es jetzt eine Balance zu zeigen, die Nato ist stark, die Nato kann, wie weit geht die Nato beziehungsweise lässt sie sich provozieren.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende EU-Verteidigungsausschuss
Wie könnte eine Reaktion der Nato aussehen?
Als wahrscheinlich gilt, dass Generalsekretär Mark Rutte nach den Artikel-4-Beratungen eine deutliche Botschaft an Russland sendet. In ihr dürfte deutlich gemacht werden, dass die Luftraumverletzungen inakzeptabel sind und zu einer gefährlichen Eskalation führen könnten.
Der Artikel 4 des Nato-Vertrags sieht Beratungen vor, wenn sich ein Nato-Staat von außen gefährdet sieht. Konkret heißt es darin: "Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist." Konkrete Konsequenzen müssen die Konsultation der Artikel-4-Beratungen nicht haben. Theoretisch könnte aber etwa in Folge die Luftraumüberwachung über die Nato verstärkt werden.
Der Artikel wurde seit Gründung des Bündnisses 1949 sieben Mal in Anspruch genommen - zuletzt am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Beantragt wurde das damals von Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Tschechien und der Slowakei.
Quelle: dpa
Im Idealfall würden dann weitere Provokationen von russischer Seite unterbleiben - zum einen, weil die Nato mit einer klaren Warnung die Latte für eine militärische Reaktion niedriger gelegt hätte und zum anderen, weil Kremlchef Wladimir Putin befürchten müsste, es im Fall der Fälle wirklich mit allen 32 Bündnismitgliedern zu tun zu bekommen.
Könnte die Nato auch härter reagieren und bei der nächsten Provokation mit Beschuss drohen?
Theoretisch wäre das möglich. Genau diesen Beschluss haben die Bündnisstaaten gerade gefasst: Die Nato warnt Russland vor weiteren Luftraumverletzungen. Im Einklang mit dem Völkerrecht würden sie alle "notwendigen militärischen und nicht-militärischen Mittel einsetzen", um sich zu verteidigen und Bedrohungen aus allen Richtungen abzuschrecken, heißt es in der Erklärung aller 32 Bündnisstaaten.
Russland fürchte einen Abschuss, allerdings droht Putin damit, darauf mit Waffen statt mit Worten zu reagieren, berichtet ZDF-Korrespondent Armin Coerper.
22.09.2025 | 3:53 minDiese Erklärung könnte Putin Anlass geben, selbst über eine militärische Verschärfung des Konflikts zu entscheiden. Und was dann im Fall der Abschreckung durch die Nato geschieht, bleibt abzuwarten.
Manche Nato-Staaten wie Italien hatten bisher erwogen, ihre Kampfjets aus dem Nato-Überwachungseinsatz an der Ostflanke zurückziehen, weil sie nicht wollten, dass ihre Piloten auf Befehl des zuständigen Nato-Befehlshabers ein russisches Flugzeug abschießen.
Mehr zu Russlands Luftraumverletzungen
- mit Videovon Oliver Klein
- 17:26 min
Russische Provokationen:"Es wird Angst gemacht"
- 1:11 min
Nachrichten | heute:"Signal an die NATO senden"
- mit Video
Ungewohnte Russland-Kritik:AfD-Chefin Weidel: "Putin muss sich bewegen"