Nach Zeremonie zu 70 Jahren Bundeswehr:Debatte live: Braucht es wieder einen Wehrdienst?
Mit einer Zeremonie in Berlin feiert die Bundeswehr ihr 70-jähriges Bestehen. Nach dem Gelöbnis sehen Sie hier live die Wehrdienst-Debatte: Braucht es wieder einen Pflichtdienst?
Der 12. November 1955 gilt als Geburtsstunde der Bundeswehr. Seitdem leistet sie ihren Beitrag zur Erhaltung des Friedens und hat in dieser Zeit eine wechselvolle Geschichte erlebt.
12.11.2025 | 144:05 minDer 12. November 1955 gilt als Geburtsstunde der Bundeswehr - an diesem Tag ernannte der damalige Verteidigungsminister Theodor Blank die ersten 101 Freiwilligen der neu gegründeten Bundeswehr.
Gefeiert wird das 70-jährige Bestehen der Streitkräfte an diesem Mittwoch in Berlin von 14 bis 15 Uhr. Das ZDF überträgt das öffentliche Gelöbnis ab 13.50 Uhr live. Moderatorin Shakuntala Banerjee führt durch die 75-minütige Sendung. Als Experte ist Militärhistoriker Sönke Neitzel dabei, im Anschluss gibt es um 15:30 Uhr zudem eine Diskussionsrunde zur Frage: Braucht es wieder einen Wehrdienst? Zu Gast sind Schülervertreter Quentin Gärtner, Content Creator Robert Karo, Content Creatorin Meltem Seker und Bundeswehr-Rekrut Eric.
Morgen feiert die Bundeswehr ihren 70. Geburtstag. In Berlin findet ein öffentliches Gelöbnis statt. Pünktlich dazu scheint auch in der Debatte um die Wehrpflicht eine Einigung in Sicht zu sein.
11.11.2025 | 4:04 minWas passiert beim öffentlichen Gelöbnis in Berlin?
Bei der traditionellen Zeremonie, die zwischen dem Bundeskanzleramt und dem Paul-Löbe-Haus stattfindet, werden Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Reden halten.
Zudem legen rund 500 Rekrutinnen und Rekruten des Wachbataillons vor den Gästen ihren Eid ab.
Das Verteidigungsministerium setzt die Umwandlung militärisch genutzter Liegenschaften für zivile Zwecke aus. Die Bundeswehr soll wachsen und braucht mehr Standorte.
02.11.2025 | 4:08 minWelche Meilensteine gab es in der Geschichte der Bundeswehr?
Nach den Schrecken der Nazi-Zeit konnte sich die junge Bundesrepublik nur schwer daran gewöhnen, wieder eine Armee zu haben. Der Zweite Weltkrieg war gerade einmal zehn Jahre her. In den Nachbarländern traute man Deutschland auch noch nicht so ganz über den Weg. Ein prunkvoller Gründungsakt wäre da nicht so gut angekommen - im Inland wie im Ausland. Entsprechend leise war die Zeremonie.
Am 12. November 1955 erhielten die ersten 101 Soldaten in Bonn ihre Ernennungsurkunde - ohne musikalische Begleitung, die Nationalhymne gab es noch nicht, einige der Soldaten trugen nicht einmal Uniform. Einen Namen hatte die Armee, in die sie aufgenommen wurden, auch noch
nicht. Die "neuen Streitkräfte" wurde sie übergangsweise genannt. Mit dem Soldatengesetz vom März 1956 erhielt die Armee dann ihren Namen "Bundeswehr".
Ihre Aufgabe war dabei klar definiert und eindimensional: Die Wehrpflichtarmee konzentrierte sich auf die Bündnis- und Landesverteidigung als Frontstaat im Kalten Krieg. Bereits im Mai 1955 war die Bundesrepublik der Nato beigetreten. Einen Monat später ist das Verteidigungsministerium gegründet worden.
Nachdem die Bundesrepublik der Nato beigetreten war, wurde die Wiederbewaffnung in Etappen durchgesetzt. 1956 wurde die allgemeine Wehrpflicht beschlossen und im Grundgesetz verankert. Bereits 1949 war dabei das Recht zur Verweigerung des Kriegsdienstes aus Gewissensgründen in das Grundgesetz - Art. 4 Abs. 3 GG - aufgenommen worden.
Im März 1960 bebte in der südmarokkanischen Küstenstadt Agadir die Erde. Marokko erlebte die schwerste Naturkatastrophe seiner jungen Geschichte. Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) entschied, die Bundeswehr an den internationalen Hilfsaktionen zu beteiligen. Da es nach dem Zweiten Weltkrieg der erste Einsatz deutscher Soldaten im Ausland war, hielt man es für ratsam, die Entsendung offiziell als "Übung" laufen zu lassen.
Der damalige Verteidigungsminister Georg Leber (SPD) öffnete 1975 den Sanitäts- und Musikdienst für die Frauen auf freiwilliger Basis. Bis sie die gleichen militärischen Laufbahnen wie Männer einschlagen konnten, sollte es aber noch dauern. Erst ein Vierteljahrhundert später konnten Frauen auch in Kampfeinheiten vordringen. "Zukünftig sind die Streitkräfte in ihrer ganzen Vielfalt für den freiwilligen Dienst von Frauen geöffnet", verkündete am 1. Juni 2000 Ressortchef Rudolf Scharping (SPD). 2001 kam dann die Öffnung. Die ging auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zurück.
Am 3. Oktober 1990 nahm die Bundeswehr 88.797 Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR auf. Das Ende des Kalten Krieges markierte auch einen Wandel militärischer Aufgaben: Statt statischer Landesverteidigung rückten Auslandseinsätze, internationale Zusammenarbeit und globale Logistik in den Vordergrund. So folgten etwa Einsätze in Mali oder Afghanistan.
Für die Bundeswehr brachte das Jahr 2010 in Afghanistan dunkle Stunden. Im "Karfreitagsgefecht" waren Soldaten in das folgenschwerste Gefecht seit Gründung der Streitkräfte verwickelt.
Am 2. April waren Soldaten im afghanischen Unruhedistrikt Char Darah nahe dem deutschen Feldlager Kundus zur Suche nach Sprengfallen ausgerückt, als sie in einen komplexen Hinterhalt gerieten. Es folgten stundenlange Kämpfe mit militant-islamistischen Taliban. Drei Soldaten starben, acht weitere wurden teils schwer verwundet. Die Bundeswehr sprach von einer "Zäsur".
Zum 1. Juli 2011 wurde die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt und nur auf den Spannungs- und Verteidigungsfall beschränkt. Grund war, dass die Bundeswehr nach dem Ende des Kalten Krieges stark verkleinert wurde und ein immer kleinerer Teil der Wehrpflichtigen einberufen wurde, was die Wehrgerechtigkeit beeinträchtigte. Ziel der Aussetzung war auch die Umwandlung der Bundeswehr in eine kleinere, spezialisierte Freiwilligenarmee.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine offenbarte den Zustand der Bundeswehr. Die damalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Eva Högl (SPD), bescheinigte der Bundeswehr im Spätjahr 2022 erhebliche Ausrüstungsmängel. "Die Bundeswehr hat fast von allem zu wenig."
Auch personell kamen Veränderungen auf die Bundeswehr zu: Wegen der Bedrohung durch Russland änderte die Nato ihre Verteidigungsplanungen. Für die Bundeswehr hieß das, dass sie auf 260.000 Männer und Frauen in der stehenden Truppe wachsen soll - etwa 80.000 Soldaten mehr als bisher.
Der Bundestag berät derzeit deshalb über ein neues Wehrdienstgesetz, das zum 1. Januar 2026 in Kraft treten soll. Strittig in der Koalition ist, was passiert, wenn es nicht gelingt, auf freiwilliger Basis mehr Personal für die Bundeswehr zu gewinnen. Fachpolitiker von Union und SPD schlagen vor, junge Männer per Losverfahren zur Musterung und, wenn nötig, später auch per Zufallsauswahl für einen Pflichtdienst heranzuziehen, wenn die Freiwilligenzahlen zu gering bleiben.
Quelle: dpa, AFP, KNA, AP, ZDF
Welche Themen beschäftigen die Bundeswehr zurzeit?
Im Zentrum der zahlreichen Debatten um die Bundeswehr steht derzeit vor allem die Frage, ob und wie ein verpflichtender Wehrdienst wiedereingeführt werden soll. Die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD sind sich grundsätzlich einig, dass die Bundeswehr in den nächsten Jahren deutlich mehr Soldatinnen und Soldaten braucht. Ob diese über freiwillige Bereitschaft, über ein Losverfahren oder über eine Bedarfswehrpflicht zur Bundeswehr geholt werden sollen, ist jedoch politisch hoch umstritten.
Ab Januar soll das neue Wehrdienst-Gesetz greifen - doch viele Fragen sind offen: Im Verteidigungsausschuss haben Experten und junge Menschen dazu ihre Sicht eingebracht.
10.11.2025 | 1:56 minWie stehen die Deutschen zur Bundeswehr?
In der Bevölkerung herrscht mit Blick auf die Bundeswehr Pessimismus vor: Wenn es im Falle einer militärischen Auseinandersetzung um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands geht, meinen 81 Prozent der Befragten im aktuellen ZDF-Politbarometer, dass die Bundeswehr als Teil der Nato eher schlecht aufgestellt ist, nur 13 Prozent sagen "eher gut".
Mehr aus dem aktuellen ZDF-Politbarometer: 46 Prozent der Befragten meinen, dass in Deutschland zu wenig für Klimaschutz getan wird. Mit der Arbeit der Regierung allgemein sind viele unzufrieden.
07.11.2025 | 1:30 minGeht es ganz allgemein um die Wehrpflicht, befürworteten 19 Prozent aller Befragten im Politbarometer Ende Oktober die Wiedereinführung für Männer, 50 Prozent begrüßten eine Wehrpflicht für Männer und Frauen. Für 29 Prozent, darunter mit 60 Prozent weit überdurchschnittlich viele 18- bis 34-Jährige, sollte es weiterhin keine Wehrpflicht geben.
Wo ist die Bundeswehr aktuell im Auslandseinsatz?
Die Bundeswehr ist seit Juni 1999 im Kosovo präsent. Mit einer Dauer von 26 Jahren ist dies momentan der am längsten andauernde Auslandseinsatz der Bundeswehr. Sie kann dort bis zu 400 Soldatinnen und Soldaten einsetzen. Aktuell sind etwa 300 dort stationiert. Das Mandat ist unbefristet und wird jährlich auf Antrag der Bundesregierung verlängert.
Die Aufgabe der Bundeswehr ist es, zu einem sicheren Umfeld und zur Sicherstellung der öffentlichen Ordnung im Kosovo beizutragen. Dort kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen albanischer und serbischer Bevölkerung und mit dem Nachbarland Serbien. Die Bundeswehr soll so auch die Entwicklung einer stabilen, demokratischen, multiethnischen und friedlichen Republik Kosovo unterstützen.
Die Bundeswehr beteiligt sich seit 2015 am internationalen Einsatz gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat". Der Kampf wurde und wird von einer breiten Koalition aus mehr als 80 Nationen und fünf internationalen Organisationen, der sogenannten internationalen Anti-IS-Koalition getragen. Der IS gilt im Irak inzwischen als besiegt, stellt aber noch immer eine ernstzunehmende Gefahr dar.
Die Bundeswehr kann sich mit 500 Soldatinnen und Soldaten am Einsatz beteiligen. Zu ihren Aufgaben gehören unter anderem der Lufttransport für internationale Partner, die Einsatzunterstützung der Koalition durch Tankflugzeuge, die See- und Luftraumüberwachung und sanitätsdienstliche Aufgaben. Aktuell gilt das Mandat für Jordanien und den Irak bis zum 31. Januar 2026.
Die Bundeswehr beteiligt sich seit 2016 an der Nato-Operation "Sea Guardian" im Mittelmeer. Zu den Aufgaben gehören die Seeraumüberwachung und die Terrorismusbekämpfung. Der Einsatz ist der Nachfolger der Operation "Active Endeavor". Das Einsatzgebiet umfasst das Mittelmeer außerhalb der Küstenmeere sowie den darüber liegenden Luftraum. Die Mandatsobergrenze liegt bei 550 deutschen Soldatinnen und Soldaten.
Das Mandat läuft aktuell nur noch bis zum 30. November 2025. Am Donnerstag, 13. November, entscheidet der Bundestag über eine Verlängerung um ein Jahr.
Seit 2020 ist die Bundeswehr im Rahmen der EU-Mission im Einsatz. Sie soll dazu beitragen, das UN-Waffenembargo gegen Libyen durchzusetzen. Das beinhaltet das Entdecken, Anhalten und Durchsuchen verdächtigter Schiffe. Die Mandatsgrenze liegt bei 300 Soldatinnen und Soldaten. Die Bundesregierung hat beschlossen, das Mandat bis zum 30. November 2026 zu verlängern. Der Bundestag muss dem Beschluss noch zustimmen.
Seit 1978 setzen sich Blauhelmsoldatinnen und -soldaten der UN-Mission "Unifil" für Frieden zwischen Libanon und Israel ein. Seit 2006 überwacht der maritime Anteil des Einsatzes die Seegrenzen des Libanon, um etwa den Waffenschmuggel über See zu verhindern. Die Mandatsobergrenze des Bundestags liegt bei 300 Soldatinnen und Soldaten, aktuell sind etwa 100 im Einsatz.
Die libanesische Marine hat wertvolle Ausrüstung von Deutschland erhalten, darunter Wachboote und Küstenradarstationen. Deutsche Soldatinnen und Soldaten engagieren sich außerdem seit mehreren Jahren in der Ausbildung der libanesischen Marine. Der Bundestag hat eine Verlängerung bis zum 30. Juni 2026 beschlossen.
Zwischenzeitlich hatte die Bundeswehr ihre Beteiligung an dem EU-Einsatz "Eufor Althea" für zehn Jahre beendet. Seit 2022 ist sie aber wieder in Bosnien und Herzegowina aktiv. Bis zu 50 Soldatinnen und Soldaten sind im Einsatz. Sie haben den Auftrag, das Land bei der Aufrechterhaltung eines sicheren Umfeldes und der Einhaltung des "Dayton-Abkommens" (beendete 1995 den Krieg in Bosnien und Herzegowina) zu unterstützen. Außerdem koordinieren sie die Ausbildung der bosnischen Streitkräfte.
Das Kabinett hat das Mandat bis Ende Juni 2026 verlängert. Der Bundestag muss dem Beschluss noch zustimmen.
Die Bundeswehr ist seit Februar 2024 an der EU-Operation beteiligt. Auftrag ist der Schutz der Freiheit der Schifffahrt und der Sicherheit des Seeverkehrs im Roten Meer unter dem Eindruck verstärkter Angriffe der jemenitischen Huthi-Milizen. Mit der jüngsten Mandatsverlängerung (bis 31. Oktober 2026) sinkt die Personalobergrenze der Bundeswehr auf maximal 350 Soldatinnen und Soldaten.
Die Bundeswehr beteiligt sich seit 2011 an der UN-Mission "Unmiss" im Südsudan und soll den Friedensprozess im Land unterstützen. Die Personalobergrenze liegt bei 50 Soldaten. Die Bundeswehr beteiligt sich in Stäben und Hauptquartieren der Vereinten Nationen und entsendet Expertinnen und Experten zur Wahrnehmung von Verbindungs-, Beratungs-, Beobachtungs- und Unterstützungsaufgaben. Das Mandat gilt bis zum 31. Oktober 2026.
Die UN-Mission zur Vorbereitung eines Referendums über den Status der Westsahara überwacht den Waffenstillstand zwischen Marokko und der Frente Polisario, einer militärischen und politischen Organisation in der Westsahara. Die Bundeswehr beteiligt sich an der Mission seit 2013 mit bis zu vier Militärbeobachterinnen und Militärbeobachtern.
Quellen: Bundesverteidigungsministerium, Deutscher Bundestag, Bundesregierung
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