Stärkung der Bundeswehr:Wehrdienst: Das ist geplant - das ist noch strittig
Die Bundeswehr braucht dringend Nachwuchs - nur wie? Über Wege wie Musterung oder Losverfahren wird politisch heftig gestritten. Was ist geplant und was noch in der Schwebe?
Im Bundestag wird über eine Wehrdienstreform beraten. Die Union hält ein Losverfahren, um den Personalmangel der Bundeswehr zu bekämpfen, für sinnvoll. Die SPD lehnt das ab.
16.10.2025 | 0:24 minAb dem kommenden Jahr soll sich beim Wehrdienst vieles ändern. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte neue Regeln in einen Gesetzentwurf gegossen, dem im August auch das Bundeskabinett zustimmte. Doch die Unionsfraktion ist unzufrieden und Fachpolitiker der Koalition im Bundestag sind es auch. Deren Änderungsvorschläge gefallen wiederum Pistorius nicht.
Es geht um die Musterung und auch um mögliche Losverfahren. Es kam schließlich zum Knall, eine Einigung wurde abgeblasen. Am Donnerstagnachmittag wird der ursprüngliche Entwurf nun zum ersten Mal im Parlament beraten.
Bis zur Verabschiedung im Bundestag dürfte sich wie bei jedem Gesetz und besonders mit Blick auf die nicht ausgeräumten Meinungsverschiedenheiten hier aber noch einiges ändern. Ein Überblick über die Konfliktlinien.
Das geplante Wehrdienstgesetz soll der Bundeswehr neue Rekruten bringen. Uneinigkeit gibt es über eine mögliche Änderung, die ein Losverfahren bei der Rekrutierung vorsieht.
14.10.2025 | 3:00 minWas will die Union?
Die Positionen von Union und SPD zur Wehrpflicht sind schon seit Längerem unterschiedlich. In der CDU wollen viele, dass die Wehrpflicht zurückkommt, die SPD will das nicht.
Das Neue: Die Union will ein Losverfahren. Sie hatte bereits eine Pressemitteilung vorbereitet und kurz vor der geplatzten Einigung am Dienstag verteilt. In ihr heißt es, dass "mittels eines Zufallsverfahrens bestimmt" wird, "wer zur verpflichtenden Musterung erscheinen muss."
Außerdem sollen in einem weiteren Schritt "durch ein Zufallsverfahren ausgewählte Männer für den Wehrdienst verpflichtet werden."
Sollte Deutschland wieder eine allgemeine Wehrpflicht einführen? Nein, sagt JuSo-Vorsitzender Philipp Türmer. Verteidigungsexperte Henning Otte von der CDU argumentiert dagegen.
03.04.2025 | 10:07 minWas will die SPD?
Freiwilligkeit. In der SPD-Fraktion gibt es viele, die ein Losverfahren kritisch sehen. Denn sie sagen: Der Dienst an der Waffe müsse weiterhin freiwillig bleiben. Kritik gibt es auch daran, dass die Details eines möglichen Losverfahrens nicht klar sind.
Den Grundstreit in der Koalition kann man vielleicht am besten so zusammenfassen: Was passiert, wenn sich nicht genügend junge Menschen freiwillig für den Wehrdinst melden? Die Union fordert dann mehr verpflichtende Elemente, die SPD mehrheitlich nicht.
"Die Bundeswehr hat keine Ahnung, wenn morgen die Wehrpflicht eingeführt würde, wen sie denn eigentlich holen könnte", sagt der Journalist Thomas Wiegold zur Wehrpflichtsdebatte.
15.10.2025 | 5:31 minWarum soll der Wehrdienst überhaupt neu geregelt werden?
Weil die Bundeswehr wachsen soll. Als Begründung wird eine massive "Verschärfung der Bedrohungslage in Europa infolge des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine" genannt.
"Die Aufgaben der unmittelbaren Landesverteidigung im Rahmen der nationalen und Nato-Verteidigungsplanung erfordern einen deutlich höheren Friedensumfang an aktiven Soldatinnen und Soldaten", heißt es weiter im Gesetzentwurf.
"Man hat den Eindruck, die Koaliton hat den Ernst der Lage nicht verstanden“, so ZDF-Hauptstadt-Korrespondentin Diana Zimmermann zum Koalitionsstreit um die Wehrpflicht.
16.10.2025 | 2:13 minUm welche Zahlen geht es dabei?
Gebraucht werden laut Entwurf 460.000 Soldaten, rund 260.000 in der stehenden Truppe und 200.000 Reservisten. Aktuell gibt es rund 183.000 aktive Soldaten und laut Jahresbericht der Wehrbeauftragten rund 50.000 beorderte Reservisten, also Reservisten, die auf einem bestimmten Dienstposten eingeplant sind.
Was soll sich ändern?
Die Wehrpflicht gibt es noch, sie ist aber seit 2011 ausgesetzt. Es gibt seitdem einen freiwilligen Wehrdienst. Dabei soll es, wenn möglich, bleiben, hier ist man sich einig. Um mehr Freiwillige zu gewinnen, soll die sogenannte Wehrerfassung reformiert werden.
Ziel ist es, ein besseres Lagebild darüber zu bekommen, wie viele pro Jahrgang für einen Dienst in der Truppe überhaupt infrage kommen. Erklärtes Ziel ist es auch, dass allein schon dadurch, dass sich junge Menschen künftig mit dem Thema direkt beschäftigen müssen, die Zahl der Freiwilligen steigt. Außerdem soll es größere Anreize für den Dienst geben.
Trotz Koalitionsstreit soll der Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Pistorius zum Wehrdienst morgen im Bundestag beraten werden. Die Union fordert weitere Änderungen.
15.10.2025 | 1:38 minWie soll das nach den bisherigen Plänen erreicht werden?
Wer nach dem 1. Januar 2026 volljährig wird, bekommt - so der Plan von Pistorius - irgendwann nach dem 18. Geburtstag einen Brief mit einem QR-Code, der zu einem Online-Fragebogen führt. Dort werden persönliche Daten wie der Bildungsabschluss, Körpergröße, Gewicht und eine mögliche Bereitschaft zum Wehrdienst abgefragt.
Junge Frauen müssen diesen Bogen nicht ausfüllen, junge Männer schon. Gerechnet wird mit rund 300.000 bis 350.000, die das pro Jahr betrifft. Wer den Fragebogen ignoriert oder darin falsche Angaben macht, begeht laut Gesetzentwurf eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld bedroht ist.
Und alle jungen Männer müssen wieder zur Musterung?
Das ist einer der Knackpunkte. Pistorius will das. Er hat noch einmal betont, dass er eine flächendeckende Musterung für notwendig hält. Ab 1. Juli 2027 soll sie nach den bisherigen Plänen in Deutschland wieder aufgenommen werden - 2027, weil die Strukturen dafür erst wieder aufgebaut werden müssen.
Die Verteidigungsexperten von Union und SPD schlagen dagegen vor, nur dann zur Musterung zu laden, wenn sich in Schritt eins zu wenig Freiwillige melden. Über eine Zufallsauswahl (Losverfahren) würden dann weitere junge Männer zu einer verpflichtenden Musterung eingeladen. Der Wehrdienst bliebe aber auch für sie freiwillig.
Trotz der Umstrittenheit soll das Wehrdienstgesetz am 01. Januar in Kraft treten. Boris Pistorius steht dahinter und behauptet die Startschwierigkeiten seien "völlig normal".
15.10.2025 | 1:54 minAb wann könnte die ganze Freiwilligkeit kippen?
Das ist der zweite Knackpunkt und auch hier geht es um ein mögliches Losverfahren. In Pistorius' Gesetzentwurf ist die Option vorgesehen, dass die Bundesregierung anordnen darf, Ungediente einzuziehen, "wenn die verteidigungspolitische Lage einen schnellen Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist".
Eine solche Verordnung bräuchte zwar noch die Bestätigung des Bundestages. Die Verteidigungsexperten der Koalition wollen solche Entscheidungen aber lieber direkt in die Hand des Bundestages legen und dies außerdem konkreter regeln.
Falls nicht genügend Freiwillige zusammenkommen, soll nach ihrem Vorschlag der Bundestag beschließen, eine Einberufung zu ermöglichen, die sich aber nach dem zahlenmäßigen Bedarf richtet, den die Bundeswehr hat. Eingezogen würden dann durch ein Zufallsverfahren (Losverfahren) nur so viele junge Männer wie gebraucht würden. Wer verweigert, müsste einen Ersatzdienst leisten.
Das geplante Wehrdienstgesetz soll der Bundeswehr neue Rekruten bringen. Uneinigkeit gibt es über eine mögliche Änderung, die ein Losverfahren bei der Rekrutierung vorsieht.
14.10.2025 | 3:00 minAber wäre Auslosen nicht ungerecht und damit verfassungswidrig?
Das ist die schwierige Frage. Kann die Wehrpflicht auf einen militärisch notwendigen Personalbedarf begrenzt und ausgelost werden oder lässt das Grundgesetz aus Gründen der Wehrgerechtigkeit nur die allgemeine Wehrpflicht für alle zu?
Der frühere Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio kommt in einem Gutachten für die Unionsfraktion zu dem Schluss, dass eine "Kontingentwehrpflicht" und ein Losverfahren zulässig wären. Er schreibt:
Ein ordnungsgemäßes Losverfahren stellt keine Ausformung von Willkür, sondern unter der Verwendung bestimmter Variablen und Verfahrensgrundsätze die Gewährleistung eines gerechten Zufallsverfahrens dar, innerhalb dessen der Zufall als eine objektive Konstante fungiert.
Udo di Fabio, ehemaliger Bundesverfassungsrichter
Im Zweifel entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Klagen gegen eine solche Regelung, wenn sie denn kommt, dürfte es geben.
Der "Neue Wehrdienst" soll kommen. Es ist noch nicht die Rückkehr zur Wehrpflicht. Der Gesetzentwurf sieht aber vor, dass junge Männer künftig wieder zur Musterung gehen müssen.
11.09.2025 | 11:18 minWelche Anreize sind geplant, damit mehr Freiwillige kommen?
Die Bezahlung soll deutlich besser werden. Wehrdienstleistende sollen dem bisherigen Entwurf zufolge künftig wie Zeitsoldaten, die sich länger verpflichten, behandelt werden. Das bedeutet einem Sprecher des Verteidigungsministeriums zufolge künftig etwa 2.300 Euro netto Startgehalt statt wie bisher 1.600 bis 1.700 Euro.
Zudem soll es einen saftigen Zuschuss von bis zu 3.500 Euro für den Autoführerschein geben, allerdings nur für diejenigen, die mindestens zwölf Monate Wehrdienst leisten. Der Führerschein müsste zudem im Zeitraum von einem Jahr vor und einem Jahr nach dem Wehrdienst gemacht werden.
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