Wehrdienst: Wie Union und SPD um ein Losverfahren streiten

Analyse

Neuer Streit in der Koalition:Wehrdienst: Chaos statt Kompromiss

Ines Trams
von Ines Trams
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Der Kompromiss zum neuen Wehrdienst war gefunden - und platzte dann in letzter Minute. Verteidigungsminister Pistorius stoppte das Losverfahren. Ein Tag voller Verwirrung.

Losverfahren soll bei neuem Wehrdienst ueber Musterung entscheiden

Das geplante Wehrdienstgesetz soll der Bundeswehr neue Rekruten bringen. Uneinigkeit gibt es über eine mögliche Änderung, die ein Losverfahren bei der Rekrutierung vorsieht.

14.10.2025 | 3:00 min

Der Tag begann mit Fragezeichen - und endete im politischen Chaos. Schon am Vormittag herrschte Unklarheit: in den Fraktionen, unter den Verteidigungspolitikern und selbst bei Experten wie dem früheren Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels, der im Radio einräumen musste, er könne sich noch keinen Reim auf dieses Losverfahren machen.

Geplante Pressekonferenz in letzter Minute geplatzt

Wie genau das geplante Verfahren funktionieren sollte, blieb bis zuletzt offen. Auch in der SPD-Fraktion, die am Nachmittag tagte, kursierten Zweifel: Wie sollte ein Losverfahren für Gerechtigkeit sorgen - in einer Frage, in der es am Ende auch um Leib und Leben geht?

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Der neue Streit über das Wehrdienstgesetz sei ein „Konflikt weniger auf Regierungsebene als zwischen den beiden großen Fraktionen“, so ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann.

14.10.2025 | 3:00 min

Dann der Knall am frühen Abend: Die geplante Pressekonferenz der Koalitionäre wurde kurzfristig abgesagt. Ein Sprecher der Unionsfraktion musste vor laufenden Kameras erklären, dass die Einigung hinfällig sei - nur Stunden, nachdem die Fraktionschefs von SPD und Union vor der Presse den Kompromiss in groben Zügen vorgestellt und das Losverfahren als fair, transparent und gerecht gelobt hatten. Scheinwerfer, Mikrofone, - alles war bereit. Gar eine vorbereitete Pressemeldung war bereits in Umlauf gebracht worden. Und doch platzte die Inszenierung in letzter Minute.

Misskommunikation auf allen Ebenen

Was war passiert? Offenbar hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Reißleine gezogen - gegen den erklärten Willen des Verhandlungsteams seiner eigenen Fraktion. Nach Informationen aus Unionskreisen hat Pistorius die SPD-Fraktionssitzung "gecrasht", die SPD-Fraktion "angezündet" und die mühsam ausgehandelte Einigung torpediert.

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14.10.2025 | 1:27 min

Der Minister wollte an seinem ursprünglichen Entwurf festhalten: einer Musterung des gesamten Jahrgangs, um im Bedarfsfall einen umfassenden Überblick zu haben. Ein Losverfahren, das Eignung und Motivation außen vor lässt, lehnte er ab. Und offenbar stand er mit dieser Haltung nicht allein. Aus der SPD-Fraktion heißt es, viele hätten seine Bedenken geteilt.

Das Ergebnis: ein chaotischer Tag, geprägt von Missverständnissen zwischen Fraktionsspitzen, Verhandlern und Ministerium. Professionelles Regierungshandwerk sieht anders aus.

Ein Kompromiss auf tönernen Füßen

Der Streit ist symptomatisch für den gesamten Prozess. Schon die vergangenen Wochen waren von Zickzack-Kursen geprägt: erst das temporäre Veto des Außenministeriums, dann die Verschiebung der ersten Bundestagsdebatte. Die Union drängte auf verpflichtende Elemente - und wollte diese Verbindlichkeit nicht erst im parlamentarischen Verfahren aushandeln, sondern schon vor der ersten Lesung festschreiben. Die SPD wiederum sieht sich an ihren Parteitagsbeschluss gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht gebunden und beharrt auf Freiwilligkeit.

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Nun steht die Frage im Raum, ob die Koalition an der geplanten ersten Lesung am Donnerstag festhält - trotz des offenen Bruchs. Tut sie es, riskiert sie, ihre Uneinigkeit öffentlich zur Schau zu stellen. Aber wenn nicht, geht der Streit ja ewig weiter? Und das Gesetz kommt nicht rechtzeitig?

Verunsicherung statt Sicherheit

Die Leidtragenden sind einmal mehr die Soldatinnen und Soldaten. Die Bundeswehr kämpft mit wachsendem Personalmangel, während die Anforderungen der NATO steigen. Der neue Wehrdienst sollte Sicherheit schaffen und den Dienst attraktiver machen. Stattdessen herrscht Verunsicherung - in der Truppe und in der Gesellschaft, besonders bei den jungen Männern, die es direkt betrifft.

Die Eskalation kommt zur Unzeit. Erst am Montag hatten die Chefs der Nachrichtendienste im Bundestag erneut eindringlich vor einer wachsenden Kriegsgefahr gewarnt. Und nun, einen Tag später, präsentiert sich Berlin als zerstritten, planlos, handlungsunfähig. Ein Tag, den sich Wladimir Putin kaum schöner hätte ausmalen können.

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