Juso-Chef Türmer:"Wehrpflicht darf auf keinen Fall zurückkommen"
Das Kabinett hat das neue Gesetz zum Wehrdienst auf den Weg gebracht. Juso-Chef Türmer warnt vor einer Rückkehr der Wehrpflicht und fordert bessere Bedingungen beim Bund.
Juso-Chef Philipp Türmer: Bundeswehr braucht aktive Soldaten - Wehrpflicht würde vor allem Reserve stärken.
ZDFheute: Der Gesetzentwurf zum Wehrdienst sieht weiterhin Freiwilligkeit vor, aber enthält zugleich eine Hintertür für eine mögliche Pflichteinberufung, falls nicht genügend Freiwillige gefunden werden. Wie bewerten die Jusos diese geplante Regelung?
Philipp Türmer: Die Wehrpflicht darf auf keinen Fall zurückkommen. Erstens greift sie massiv in die Rechte junger Menschen ein. Zweitens wurde sie ja abgeschafft, weil sie die Bundeswehr eher belastet hat.
Sie jetzt wieder einzuführen, um die Bundeswehr zu stärken, ergibt keinen Sinn.
Philipp Türmer, SPD
ZDFheute: Ihr Kollege von der Jungen Union sagt, wir bräuchten die Wehrpflicht, weil es deutlich mehr Soldaten brauche. Ist das nicht ein Argument?
Türmer: Wir brauchen aktive Soldatinnen und Soldaten - also Berufs- und Zeitsoldaten. Die Wehrpflicht bringt vor allem mehr Reservistinnen und Reservisten. Das ist aber nicht das, was wir aktuell benötigen. Deshalb ist sie nicht die richtige Antwort.
Das Bundeskabinett berät über den Gesetzentwurf für einen Wehrdienst. Minister Pistorius will junge Menschen für die Bundeswehr gewinnen - aktuell benötigt werden 80.000 Soldaten.
27.08.2025 | 0:27 minZDFheute: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagt, eine Pflicht komme aber nur infrage, wenn es nicht genug Freiwillige gebe.
Türmer: Aus guten Gründen haben wir uns auf dem SPD-Parteitag darauf geeinigt, zunächst konsequent auf Freiwilligkeit zu setzen. Für mich heißt das: In diesem Gesetz darf es keine Pflichtelemente geben.
ZDFheute: Aber was passiert, wenn nicht genug Freiwillige gefunden werden? Dann käme ja doch die Pflichtvariante?
Türmer: Wer es mit der Freiwilligkeit ernst meint, muss es auch ernsthaft versuchen. Wir reden ständig davon, die Bundeswehr attraktiver zu machen. Passiert ist bislang aber kaum etwas.
Wer wirklich an Freiwilligkeit glaubt, darf sich nicht sofort eine Hintertür in Richtung Pflichtdienst offenhalten.
Philipp Türmer, SPD
Das Konzept einer neuen Wehrpflicht würde erstmal auf Freiwilligkeit und Anreize setzen. Das reicht nicht nur für die Union nicht aus, berichtet Karl Hinterleitner aus Berlin.
27.08.2025 | 2:00 minZDFheute: Was aber müsste passieren, um mehr Freiwillige für die Bundeswehr zu gewinnen?
Philipp Türmer: Zunächst einmal muss der Sold besser werden. Auch Anreize wie ein kostenloser Führerschein können eine Rolle spielen. Noch wichtiger ist aber, dass der Dienst besser mit dem eigenen Leben vereinbar ist.
Es sollte zum Beispiel möglich sein, auch mal nach Hause zu können, statt ständig in der Kaserne schlafen zu müssen.
Philipp Türmer, SPD
Wenn man hochqualifizierte Leute gewinnen will, muss man sich auch anstrengen.
ZDFheute: Vertreter der Jungen Union sagen, man könne auch einen Pflichtdienst attraktiv gestalten - ohne den harten Befehlston, den viele noch in den Ohren haben.
Türmer: Darüber, die Bundeswehr attraktiver zu machen, wird seit Jahren geredet. Passiert ist wenig. Meine Sorge ist: Wenn das Gesetz eine Hintertür zur Pflicht enthält, werden viele den Anreiz verlieren, ernsthaft an besseren Bedingungen zu arbeiten. Damit wäre die Freiwilligkeit von vornherein zum Scheitern verurteilt. Deshalb lehne ich Pflichtelemente strikt ab.
ZDFheute: Bei der aktuellen Sicherheitslage - braucht es nicht doch mehr als nur die Debatte über die Wehrpflicht?
Türmer: Die Wehrpflicht wurde abgeschafft, weil sie die Handlungsfähigkeit der Bundeswehr geschwächt hat. Ich sehe nicht, wie sie diese jetzt stärken sollte. Wir brauchen gut ausgebildete Berufs- und Zeitsoldaten - nicht Wehrpflichtige. Die helfen vielleicht in der Reserve, aber entscheidend ist, dass wir Heer und Streitkräfte insgesamt stärken.
Das Interview führte Andreas Huppert, Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio.
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